Johannes von Heinsberg – Bildsprache – Wortsprache

Fotografie und Philosophie – Sehen und Erkennen

Das Böse – real, banal und alltäglich? Das Böse als Kategorie jeder Diktatur

Hinter einer ästhetischen Symbolik kann sich durchaus auch – mit Täuschungsabsichten – eine bösartige Gesinnung verstecken!

Die Fragen – ob es gute und böse Menschen gibt, und ihr Denken und  Handeln Bestandteil einer Gesinnung sei, welche die Realität bedrohen – haben Philosophen schon immer versucht zu beantworten. Die Thematik dieser Dualität der Wirklichkeit war und ist auch Gegenstand von Literatur. So lautet der Titel eines der Kriminalromane von Agatha Christie „Das Böse unter der Sonne“. 

Das Böse unter der Sonne – oder die moralisch ethische Kategorisierung von Denken und Verhalten

Jedoch nicht nur in diesem Roman ist Gier und Materialismus ein Motiv für Mord und Gewalt. Lügen und Raffinesse sind dabei die Methoden der Umsetzung. Die aktuell veröffentlichten Statistiken belegen einen Anstieg der Gewaltdelikte. Begangene Straftaten sind somit auch Ausdruck des Bösen.

Das Böse ist als (moralischer) Begriff seit jeher auch eine Werte-Zuordnung respektive ethische Kategorie, welche in der Philosophie wie auch der Religion versucht wurde beschreibend zu verorten. Ob es die „Natur des Bösen“ gibt, ist eine Frage, die je nach Zeitgeist beantwortet worden ist.

Nicht selten betrifft es die Einteilung von Menschen und ihre Verhaltensweisen in „Freund-Feind-Wertungs-Klassen“. Diese begegnen uns immer wieder, egal ob es die Politik, die Wirtschaft oder die Wissenschaft betrifft.

Der Blick auf die Welt, die Sichtweise, die Denken und Handeln beeinflussen und bestimmen, spiegeln sich zudem in der Sprache wider. Wer von „Gutmenschentum“ faselt, diskreditiert die Wertehaltung eines Mitmenschen, der ganz andere Motive hat, als der Wertende selber. Wie die Gestaltung der Welt erfolgen soll, in der die Menschen leben, soll anders geschehen als das Gegenüber es sich vorstellt. Der „Feind“ ist dann immer auf der anderen Seite. Die Zuschreibung zum „Bösen“ erfolgt ohne großes Nachdenken, und die erkennbaren anderen „Werte“ werden oft für gefährlich gehalten. Orientierung gaben die „Zehn Gebote“ ebenso, wie sie in einem demokratischen Rechtsstaat durch das Strafgesetzbuch passiert. 

Verantwortungsethik versus Gesinnungsethik

Soziologen und Philosophen gaben und geben seit jeher auch Orientierungslinien. Max Weber formulierte ethische Wegweiser, in dem er von „Verantwortungsethik“ versus „Gesinnungsethik“ sprach. 

Immanuel Kants Position wird ersichtlich in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, in der Kant seine Handlungsanleitungen  mit den Ausformungen des kategorischen Imperativs formulierte:

“ Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ 

  • „Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetz werden solle.“ (421 / BA 52 = Naturgesetzformel NF)
  • „Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als auch in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“ (429 / BA 67 = Menschheitsformel oder auch Selbstzweckformel SF)
  • „Handle so, daß der Wille durch seine Maxime sich selbst zugleich als allgemein gesetzgebend betrachten könne.“ (434 / BA 76/77 = Autonomieformel AF)
  • „handle nach Maximen eines allgemein gesetzgebenden Gliedes zu einem bloß möglichen Reich der Zwecke“ (439 / BA 84 = Reich der Zwecke – Formel RF)

Freiheit ist nicht möglich, ohne die Freiheit des Mitmenschen mitzudenken!

Wer Macht und Einfluss nutzt, um die eigene Vorstellung durchzusetzen, auch gegen den Willen der Mehrheit der Mitmenschen, hat nur die eigene Freiheit im Sinn. Das praktizieren immer mehr Figuren (Putin steht exemplarisch dafür!), die auf Diktatur setzen. Und es sind immer die gleichen Vorgehensweisen:

  • Gewalteinsatz (Krieg) und Umsturz einer Regierung;
  • Die Schwächen einer Demokratie nutzen und die Mehrheit der Wähler durch Manipulation und Propaganda zur Wahl von Personen und Parteien bringen, die unverhohlen für die Zerstörung der Demokratie werben;
  • Nach der Machtübernahme, die Gewaltenteilung abschaffen (Zentralisierung aller Gewalt auf den Diktator);
  • Zugleich die Exekutive (Polizei, Ordnungskräfte, Militär) kontrollieren;
  • Politische und gesellschaftliche Opposition unterdrücken und ausschalten;
  • Wissenschaft und Bildung zensieren;
  • Freiheit (Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit) gewaltsam unterdrücken und jeden Versuch mit Pseudogesetzgebung zu bestrafen;
  • Gesetzgebung zu bestimmen und Pseudorecht zu gestalten, um eigene Ziele (auch bösartige) zu realisieren.

Der nachstehende Text wurde schon einmal am 06. März 2019 veröffentlich und ist Teil der thematischen Erörterung zum Themenbereich Gut/Böse:

Das Böse, ein Begriff moralischer Normen, hat die Menschen seit ihrer Menschwerdung begleitet. Es manifestiert sich in Handlungen, die monströs, maßlos, grenzüberschreitend und existenzgefährdend oder existenzauslöschend sind. Schriftliche Zeugnisse gibt es seit Jahrhunderten darüber. Ob es die Folterungen der Inquisition sind, die Hexenverbrennungen, die Pogrome während der letzten 2000 Jahre oder der Holocaust der Nazis mit ihren KZs und den Bestien wie der Arzt Mengele, über die vielen Beteiligten aus der Armee oder den Mörderbanden der SS bis hin zu den Schreibtischtätern á la Eichmann. In der jüngsten Vergangenheit gehören der Massenmord durch Anders Brevik und die vielen Terroraktionen des IS ebenso dazu. Beispiele finden wir in der Geschichte der Menschheit zuhauf. Sie werden von anderen Menschen oft als wahnsinnige Tat bezeichnet, um eine Erklärung dafür zu haben, was an Unmenschlichem geschehen ist.

An den genannten Beispielen wird nachvollziehbar, dass es berichtigt ist, diese Taten als böse zu bezeichnen. Wenn von grenzüberschreitend und existenzauslöschend oder von monströs gesprochen wird, dann sind dies Zuordnungen auch eine moralische Norm, die eine ungefähre Ahnung davon geben, welche unselige Tiefe sie in der Komplexität des Bösen haben. Wo aber sind die Orientierungen dafür, wo das Böse anfängt? Sind die Mitarbeiter der Waffenhersteller schon dazu zu zählen? Denn sie werden wissen, dass die Pistolen, Maschinengewehre, Schnellfeuerwaffen, Granaten, Mienen, Mörser, Panzer, Bomben und ferngelenkte Drohnen Menschen töten werden! Sind sie mit ihrer Beteiligung an der Produktion schon als Täter des Bösen einzuordnen? Und betrifft dies auch die Anleger, die ihr Vermögen in diese Firmen durch Aktienkäufe investieren? Und gilt dies auch für Unternehmens-Mitarbeiter beim Einkauf der Textilien, die unter unmenschlichen Umständen und ohne Schutz vor Giften in den Herstellerländern von Bangladesch bis China hergestellt werden, dass sie ebenso mitverantwortlich sind für das Sterben der Menschen dort?  Oder sind sie als Lohnempfänger, die ihre Familien damit ernähren, von der Mitverantwortung freigestellt? Sind dann nur die Manager als Entscheider und die Unternehmensführungen der Waffenschmieden, der Textil- und Bekleidungsketten und Pharmabetriebe die Bösen?

Hannah Arndt hat den Begriff von der „Banalität des Bösen“ geprägt, also die Zuordnung jener Taten der Schreibtischtäter wie die des Adolf Eichmann, der nicht spektakulär mit Vergasung, Erschießung und direkter Einwirkung getötet hatte, aber durch seine schriftlichen Befehle und planmäßige Verwaltung die Tötung von Millionen Menschen in Auftrag gab und damit zum Inbegriff des Bösen wurde. Damit werden auch die unternehmerischen und politischen Entscheidungen, die getroffen werden, obwohl wissend, dass diese zur Verarmung, zur Existenzvernichtung , zur Freiheitseinschränkung führen etc. zu Taten des Bösen,  zwar banal und alltäglich, aber eben Bestandteil des Systems des Bösen.

In allen Menschen, die sich als Mitläufer hinter den vielen möglichen Entschuldigungen verstecken, steckt das Potenzial des Bösen. Der Schritt zur Mittäterschaft ist kürzer als gedacht. In dieser jederzeit möglichen Mittäterschaft zeigt sich die „Banalität des Bösen“ nach Hannah Arndt auch als „das größte begangene Böse, dass von Menschen wie Händewaschen begangen werden, wenn sie sich weigern, Verantwortung zu übernehmen oder Mitmenschlichkeit zu praktizieren.“ Jeder Verzicht oder das Verdrängen  auf Recht und Unrecht sich zu besinnen, ist Teil des Bösen. Wer kein Gewissen hat, wer das Gedächtnis verdrängt und ausschaltet, wer kein Mitgefühl hat, der paktiert mit dem Bösen und  praktiziert das Böse!  Tötung und Mord, sowie seine vielen Vorstufen und Formen und Folgen, sind Ausdruck des Bösen. Unmenschlich sein, in diesem Verhalten spiegelt sich das Böse. Das Nichtböse äußert sich darin, menschlich zu sein. Miteinander in empathischer, mitfühlender Art in Beziehung zu treten. Verantwortung für sich und den Mitmenschen zu haben. Das geschieht durch menschenfreundliche Kommunikation und Beachtung des eigenen wie fremden Tuns.

Philosophen wie Thomas von Aquin haben Ethik in Normen gegossen, um Handlungsgrenzen und Handlungsanleitungen zu geben, damit das Böse nicht den Alltag dominiert. Sein Ansatz war ein Katalog, in dem böses Verhalten benannt wurde, welche vermieden werden sollte. In der christlichen Lehre wurden Zorn, Trägheit, Neid, Hochmut, Geiz, Völlerei und sexuelle Wollust als Todsünden bezeichnet, die es zu vermeiden galt. Heute werden Persönlichkeitsstörungen, affektive Störungen und Suchtkrankheiten als Psychopathologien international in dem ICD –Kategoriensystem klassifiziert. Das Böse wird zur Krankheit.

Die Verantwortung des eigenen Handelns darf aber nicht in Vergessenheit geraten. Und die Verursacher des Bösen dürfen nicht ungestraft bleiben. Das Milgram-Experiment muss als Mahnung für die Eigenverantwortlichkeit im Gedächtnis bleiben. Dann ist es zwingend selbstredend, dass  den Brandstiftern á la Höcke und rechte AfDler klare Grenzen aufgezeigt werden müssten.

Wir brauchen kein Heldengedenken. Geht denken, ihr „Helden“.

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