„Es kommt nicht darauf an, wer regiert, solange man die Regierung ohne Blutvergießen loswerden kann.“ – Karl Popper: Alles Leben ist Problemlösen, Zur Theorie der Demokratie
„Im Namen der Toleranz sollten wir uns das Recht vorbehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren.“ – Karl Popper, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde
„Wir müssen für Frieden sorgen und nicht nur für die Sicherheit, einzig aus dem Grund, weil nur der Frieden Sicherheit sicher machen kann.“ – Karl Popper, Logik der Forschung
So manchmal stellt sich der nachdenkliche Mensch die Frage, wie gelingt es für das Zusammenleben die Emotionen der Menschen in für alle positiv wirksame Bahnen zu lenken. Dahinter steckt das unbedingte Bedürfnis der Menschen ein Leben frei von Existenzängsten, frei von Wut, Menschenfeindlichkeit, Abscheu, Neid, Schuldgefühle und Hass gestalten zu können. Und falls Konflikte entstehen, diese gewaltfrei, respektvoll, über den Tellerrand schauend und mit Abstand rational und vernunftgeleitet handelnd sich nicht in das Dramadreieck der wechselnden Rollen von Täter, Opfer und Helfer sich zu verstricken.
Für den politisch-öffentlichen Raum – betont die Philosophin Martha Nussbaum – haben
- „…Emotionen, die die geographischen Merkmale eines Landes zum Gegenstand haben, häufig die Funktion, die Hauptanliegen dieses Landes zu befördern – (nämlich) Inklusion, Gleichheit, Milderung von Not und Elend, das Ende der Sklaverei.“ (Quelle: Martha Nussbaum – Politische Emotionen)
Mit anderen Worten gesagt: die Menschen, die einem staatlichen Gebilde angehören (Bürger mit Nationalität, oder zugehörig zu einem Staatenverbund – EU, USA) haben nach außen hin das Bedürfnis, ohne kriegerische Auseinandersetzung, ohne ökonomische Ausbeutung, ohne staatliche Repressionen und mit Beachtung und Umsetzung der Gleichheit und Freiheit, die die Freiheit des Gegenüber mitbedenkt, zu erleben und nach innen hin echte Demokratie in Mitwirkung und Mitbestimmung zu gestalten sowie wehrhaft mit der Nutzung der rechtsstaatlichen Mitteln nach innen und außen die Feinde dieser Hauptanliegen zu begegnen.
- „Sie können der Verfolgung dieser Ziele eine neue Dynamik und Tiefe verleihen, können sie aber auch behindern, indem sie Spaltungen und Hierarchien, Gleichgültigkeit oder Borniertheit schaffen oder verstärken“, schreibt Nussbaum in ihrem Werk „Politische Emotionen“
Stigmatisierung und Ausgrenzung gehören zu den zentralen Problemen, die unsere Gesellschaften bekämpfen müssen, in dem sie Parteien und Gesellschaftsschichten, die diese negativen Handlungen durchführen oder dazu verleiten, strafrechtlich in ihre Grenzen weist und verfolgt.
Dazu gehört:
- … dass wir auf der Basis empirischer Arbeiten über Abscheu, Mitleid, Gruppendruck, Autorität und andere menschliche Neigungen – sowie von klinischen Arbeiten über die Entwicklung des Kindes und die Fähigkeiten zu Empathie und Fürsorge – den Kern einer »vernünftigen politischen Psychologie« herauszuarbeiten, den Menschen mit unterschiedlichen Weltanschauungen als Basis des politischen Denkens akzeptieren können, wobei sie diese nur als ein Element ihres umfassenden (und unterschiedlichen) Verständnisses von der Natur des Menschen betrachten. (Quelle: Martha Nussbaum – Politische Emotionen)
Das aber findet seine Grenzen, wenn die Basis eines politischen Denkens zu erkennen ist, welche die demokratischen Gepflogenheiten und die Akzeptanz des anderen Denkens missachtet und im Gegenteil durch Gewalt und manipulierte Wähler die demokratisch freiheitliche Ordnung beseitigen will!
- »Das radikale Böse« im gesellschaftlichen Leben der Menschen
Ein gerechter Staat muß versuchen, die Ursachen des verwerflichen Verhaltens von Menschen zu verstehen. Man kann schwerlich wissen, wie die Würde und Gleichheit der Menschen zu schützen ist, wenn man nicht weiß, wogegen man kämpfen muß. (Quelle: Martha Nussbaum – Politische Emotionen)
Betrachten wir beispielsweise die Gesetze gegen Diskriminierung, die Verfassungstreue, die Verteidigung der Demokratie, alles Ziele, die von der AfD in keiner Weise benannt werden, sogar ins Gegenteil verkehrt werden soll, dann ist sich gegen diese Feinde der demokratischen Gesellschaft zu wehren. Würden sie sich etablieren können, wie es in der Türkei, in Ungarn und in Russland passiert ist, wäre der Widerstand ungleich schwerer und aussichtsloser. Wehret den Anfängen des völkischen Irrglaubens!
- Selbst in Rawls’ wohlgeordneter Gesellschaft, in der es eine solche Diskriminierung nicht gibt, ist es angesichts der realen Verfaßtheit der menschlichen Psyche nicht gewährleistet, daß sie nicht aufkommt. Da unsere Gesellschaften jedoch nicht wohlgeordnet sind, sondern sich hohe Ziele gesetzt haben, haben sie mit realen Ausgrenzungsproblemen zu kämpfen
- Was bei Mill und Comte nicht vorkommt, ist das wahrhaft Böse: ein grausames und häßliches Verhalten gegenüber anderen, das nicht nur durch Unachtsamkeit und Versehen oder angstvolles Mißtrauen bedingt ist, sondern dem Wunsch entspringt, andere herabzusetzen und zu demütigen. (Ein Verhalten, dass die rechtsradikalen und gewaltbereiten Teile der AfD zeigen!)
- Die umfassendere Analyse, die hier vorgenommen wird, zeigt, warum Respekt und Mitgefühl nicht ausreichen und gefährlich instabil sind, wenn sie nicht von Liebe getragen sind. (Quelle: Martha Nussbaum – Politische Emotionen)
Kommen wir weiter bei der Gefährdung der Demokratie durch die AfD und ihre Wähler, wenn wir die christlichen Gebote beachten nach dem Motto: „halten wir auch die andere Wange hin“ und „liebet den Feind der Demokratie“? Damit ist es wohl nicht mehr als angemessenes Verhalten getan. Das verhinderte den Aufstieg der Hitler-Diktatur und die Gräueltaten seiner Anhänger nicht! Und der Wolf im Menschen, den die Brandstifter der AfD zu wecken versuchen, macht es notwendig, dass die demokratischen Kräfte in der Republik vereint mit aller Deutlichkeit die Mittel des Rechtsstaates nutzen müssen.
- Die hier beschriebene Liebe durchläuft zwei Stadien. In einem ersten Stadium führen Hilflosigkeit und Scham eines Kindes zu Wut und destruktiven Neigungen, die nur durch eine starke Liebe zu dem Objekt überwunden werden können, dessen Zerstörung gefürchtet und gewünscht wird. Aber auch wenn ein Kind die Fähigkeit zu echter Anteilnahme entwickelt, ist es aufgrund der fortbestehenden Unsicherheit für »projektiven Abscheu« und die Herabsetzung anderer anfällig, da Menschen lernen, die Welt in bevorzugte und stigmatisierte Gruppen einzuteilen . (Quelle: Martha Nussbaum – Politische Emotionen)
Die Auswirkungen einer solchen Neigung, die seitens der Werbebranche und Manipulationssystematik verstärkt genutzt wird, in dem nur ein begrenztes oder gar kein Mitgefühl aufgebracht wird für die Situation und das Leid der anderen, stattdessen Diskriminierung, erbarmungslose Konkurrenz und Herabwürdigung den Mitbewerber aus dem Spiel oder das Leben bringen will, (siehe Heidi Klums „germanys next top model“!), dann ist auch diese „Anfälligkeit“ nicht mehr zu respektieren.
- In einem zweiten Stadium muß Liebe gleichsam der Rettungsanker sein: Nur wenn man mit Einfühlungsvermögen und Phantasie die Besonderheit eines anderen Menschen akzeptiert, kann verhindert werden, daß Gruppen stigmatisiert werden, und erreicht werden, daß die Bürger einander als vollwertige und einzigartige Menschen sehen. Es ist nicht nur wichtig, daß man in seiner Kindheit Liebe erfahren hat, sondern man muß auch imstande sein, sie immer dann zu erneuern, wenn die »inneren Augen« trübe sind. (Quelle: Martha Nussbaum – Politische Emotionen)
- Kant war von den Gesellschaftsvertragstheorien Lockes und Rousseaus stark beeinflußt, und wie Rousseau wußte er, daß eine gerechte Gesellschaft über die politisch erwünschten Emotionen und die wahrscheinlichen Ursachen verwerflichen Verhaltens nachdenken muß. (Quelle: Martha Nussbaum – Politische Emotionen)
Innerhalb einer freien Gesellschaft gehört unbedingt zur Demokratie, die Rede- und Versammlungsfreiheit zu schützen, wenn diese auch diese Ziele zum Inhalt hat. Gesellschaften, die unter dem Einfluss eines Autokraten und Despoten stehen, schaffen eine grundlegende demokratische Bestimmung ab, in dem sie als erstes die freie Rede und Versammlungsfreiheit unterdrücken (Erdogan, Orban, Putin u.a.) Wer als Wähler der AfD eine solche Entwicklung unterstützt, ist von den Rechtsorganen zur Verantwortung zu ziehen.
Das Warnsystem für einige unserer moralischen Probleme ist beobachtbar anhand folgender Merkmale: wenn nur begrenztes Mitgefühl wahrzunehmen ist oder wenn die Präferenz und Bevorzugung für die eigene Gruppe überwiegen, sind dies die ersten Schritte zur Ungerechtigkeit, zur Ungleichheit und Unfreiheit. (Ergänzung: Leider praktiziert die FDP in der Ampelkoalition auch die Bevorzugung der eigenen Klientel im besonderen Maße: die leistungslose Vermögensvermehrung wird durch die FDP besonders geschützt, in dem diese Partei gegen die Besteuerung von Vermögen (Vermögenssteuer), gegen Transaktionssteuer für Börsengeschäfte und gegen die Erbschaftssteuer-Reform ist, um die Finanzierung von sozialer Gerechtigkeit zu ermöglichen!)
Die Befindlichkeit des Menschen, wenn sie zentrales Element des Verhaltens wird, ist als Kleinkind ein zu akzeptierendes Belastungsmoment, das, wenn es anhaltend ist, die Psyche bis in das Erwachsenalter negativ prägen kann. Als Erwachsener sich beleidigt und bei zutreffender Kritik Befindlichkeit zu zeigen, ist jedoch ein Merkmal einer Unreife, eines Mangel an Steuerungsfähigkeit und Selbstkontrolle, in der die Kanalisation des Handelns in eine Richtung sich entwickeln hat, das zum Gegenstand der Manipulation und Unterwerfung abzugleiten droht, welche sich Parteien wie die der AfD zu nutzen machen will.
Ein beachtlicher Anteil der Menschen in Ost und West, zeigen eine gefährliche Nähe zu demokratiefeindliches Denken und Handeln. Darauf weist auch die Leipziger Autoritarismus-Studie hin.
Was zu tun ist, dass muss zur Chefsache der politisch-demokratischen Parteien gemacht werden, um mit konzertiertem Handeln den Feinden der Demokratie zu begegnen!
Im Gegensatz zu Karl Poppers Aphorismus kommt es darauf an, wer regiert. Und wenn es notwendig sein sollte, ist eine Wahl – im Rahmen der rechtsstaatlichen Überprüfung – rückgängig zu machen!
Die Feinde der aufgeklärten Gesellschaft und die Gefahren für die Demokratie