Johannes von Heinsberg – Bilder und Texte

Fotografie und Philosophie – Sehen und Erkennen

Von den Unwägbarkeiten der Digitalisierung und der Ganztagsbetreuung im Bildungssystem des Föderalismus

Unser Bildungssystem in Deutschland wird getragen von Menschen, die den Querschnitt der Gesellschaft widerspiegeln, was die Bandbreite der Lebensziele, der Weltsicht, der Konfliktlösungsfähigkeit, die privaten Probleme und die besonderen Belastungsfähigkeiten betrifft. Kurz gesagt: Lehrpersonal ist in Sachen Fehlbarkeit und menschlich sein nicht anders als die Mehrheit der Mitmenschen einzuordnen.

Und dennoch hat das Lehrpersonal eine besondere Verantwortung: denn es gilt, den ihnen anvertrauten Schülern – gemäß des Aufgabenbereichs – Bildung und Erziehung zukommen zu lassen. (Dabei ist nicht zu verstehen, dass Kinder/Schüler die Aufgaben der elterlichen Erziehung vollständig zu übernehmen hätten und Versäumnisse nachzuholen hätten. Das Grundverständnis temporärer Erziehungsübernahme liegt in der konstruktiven Zusammenarbeit von Schule/Lehrpersonal, Elternhaus und Kinder/Schüler, die es zu organisieren gilt!)

Dieser so grob umschriebene Aufgaben- und Tätigkeitsbereich des Lehrpersonals ist eingebettet in die Strukturen des Föderalismus  (Verantwortlichkeit der jeweiligen Bundesländer für das Personal und die Unterrichtsinhalt respektive Lerninhalte, sowie Verantwortlichkeit für die materielle Ausstattung und Bereitstellung der Immobilien (Schulgebäude) durch die jeweiligen Kommunen >Städte + Gemeinden<). 

Bildung und Erziehung im Bildungssystem Schule ist somit von der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder und Kommunen beeinträchtigt. Das macht sich auch bemerkbar, wenn es darum geht, die Digitalisierung in Schule zu verwirklichen.

Es ist allerdings ein Irrtum, wenn die Digitalisierung in der Schule schon mit der Hardware (von Whiteboards bis Tabletts, Computerräume bis Netzwerke und WLAN) erfüllt würde. Neben der didaktischen und fächerübergreifenden Konzeption an den Schulen sind zudem die Wartung der Netzwerke, der Schutz gegen Hacking, der Datenschutz, die Kontrolle der Datensicherung und Archivierung, der Einhalt der gesetzlichen Vorgabe in den genannten Bereichen durch technisches Fachpersonal (nicht durch das Lehrpersonal) zu gewährleisten, die in den Unterrichtszeiten vor Ort tätig sind.

Weitere zusätzliche Kosten entstehen, weil die Gobal-Player die Betriebssystem- und Anwendungssoftware in ihrem Vertriebs- und Umsatzsystem „Cloud“ implementieren. Die Speicherung der Daten und Arbeitsergebnisse der Schüler, die nur auf den Cloud-Servern der Global-Player speicherbar sind, werden durch die kostenlosen Speichergrößen nicht abgedeckt! Es muss somit zusätzlicher Speicherplatz (oft im Abonnement) dazu gekauft werden.

Weder werden die Speichermöglichkeiten auf schuleigenen Servern, noch auf persönliche USB-Speichersticks angeboten! Dass damit Fehler vorprogrammiert sind, ist nicht verwunderlich. Über diese systemischen Unwägbarkeiten und Fehler berichtete am 08.11.2023 die Tagesschau. 485 betroffene Abiturienten in der Stadt Koblenz verloren so alle ihre Notizen zu Unterrichtsinhalten, die für das Abitur wichtig waren. Da auch kein Backup gemacht werden konnte/wurde, sind die Daten wie auch die App, die handschriftliche Notizen ermöglicht, gelöscht worden.

Dass die betroffenen Abiturienten als „Kollateralschaden“ zu akzeptieren sei, wird allenfalls von Seiten der  Global-Player so gewertet. Dass Stadt wie auch Schulleitung „alles erdenkliche“ tun, um den Betroffenen diesen Verlust der Inhalte lösen zu helfen, ist schon fast selbstverständlich. Die implizit vorhandenen systemischen Fehler hängen jedoch nicht nur Unternehmen, sondern vor allem den weit mehr ausgelieferten öffentlichen Einrichtungen in Verwaltung und Bildung wie das Damokles-Schwert über den Köpfen. 

Mit Profis zu arbeiten, wird zu einer fast utopischen Realität, weil die Global-Player der Digitalisierung sich der politischen wie gesellschaftlichen Kontrolle entzogen haben. 

Ergänzung

Dass im Bildungsbereich Schule es noch an ganz anderen Stellen hakt und die Schwerpunkte dort in der Gewichtung zu hinterfragen sind, das zeigt der Problembereich: Ganztagsbetreuung an Grundschulen! 

So lautet die Mitteilung der Bundesregierung zum Investitionsprogramm Ganztagsausbau:

„Rund drei Milliarden Euro stellt der Bund den Ländern bis Ende 2027 über das „Investitionsprogramm Ganztagsausbau“ zur Verfügung. Damit sollen Plätze für die Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern ausgebaut werden. Die Gelder können für Aus-, Um- oder Neubau verwendet werden, so Stark-Watzinger.“ 

Zum genauso gewichtigen Bereich der Betriebskosten – zu dem auch die Personalkosten der Ganztagsbetreuung gehören – (Personalmitarbeiter, die keine Lehrer:innen sind!), gibt es zwar auch Zuschüsse der Bundesregierung, die werden nach anderen Studien jedoch deutlich höher liegen, als die bisher vorgesehenen Bundeszuschüsse. Die umfassen lediglich 25 Prozent der in den Studien geplanten Kosten. Die müssten dann die jeweiligen Bundesländer aufbringen! 

Auch hier zeigt das Föderalismus-System, dass die Unterschiede in der Leistung der Länder zu Nachteilen für bestimmte schulische Standorte führen werden.

 

 

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