Johannes von Heinsberg – Bildsprache – Wortsprache

Fotografie und Philosophie – Sehen und Erkennen

Abbild und Bild II – Entwicklung und Veränderung der Bedeutung von Fotografie

(c) Foto: JWB

Die Betrachtung der Fotografien von bekannten Fotografen der Fotogeschichte führt zu nachvollziehbaren Kategorien (Dokumentation der Zeitgeschichte, Portraits aus Politik, Wirtschaft und Kunst, Mode, Architektur, ästhetische Natur- und Landschaftsfotografie, aber auch Fotomanipulationen als Propagandamittel  usw.), die teilweise auch heute noch als Organisationsmittel von Fotoforen dienen.

Der Wandel der Bedeutung des Mediums Foto lässt sich historisch nachvollziehen. Die Geschichte der Fotografie im 20. Jahrhundert ist zugleich auch eine Geschichte der technischen und technologischen Entwicklungsschritte der Aufnahmegeräte (von der Großformatkamera hin zum Kleinbildformat der Leica bis zur heutigen Digitalkamera mit den verschiedensten Formaten), der Chemieprodukte und Fotopapiere von der Schwarz-Weiß-Fotografie zur Farbfotografie und von der Studiofotografie mit dem Schwerpunkt der Portraits hin zum Bildjournalismus und der Kriegsberichterstattung und der Smartphonefotografie. Letztere in täglich milliardenfacher Anzahl in den – nur scheinbar – sozialen Medien veröffentlicht, verursacht eine grenzlose Bilderflut und ist dabei distanzlos und grenzüberschreitend bis zum illegalen Vorgehen, in dem alles und jeder fotografiert und gefilmt wird.  Henry Cartier-Bressons Fotografie steht zwar auch für das „Festhalten des Augenblicks“, bei Bresson sind die Fotos vom „le moment decisif“ geprägt, der den entscheidenden Augenblick festhält und damit „die Essenz des Augenblicks“ wiedergibt, wie Reinhold Mißelbeck in „ICONS“ Bd. 1 im Taschen Verlag zu Bresson schreibt.  

Nachvollziehbar wird diese Fähigkeit in Fotos von Bresson, wie der Sprung über eine Regenpfütze oder vor allem das Foto von 1945:  im Lager für Vertriebene (displaced persons) wird eine Nazi-Informantin und Denunziantin von einem ihrer Opfer wiedererkannt. Die Wut auf die Täterin entlädt sich, indem sie mit Stöcken von den befreiten Opfern geschlagen wird. Bresson hält diesen Augenblick fest. Ein Foto, dass zum „Icon“ der Befreiung und Sinnbild für zwar verständliche, aber fehlgeleitete Aufarbeitung des Nazi-Terrors steht. Zu schnell wurden die „Persilscheine“ für die Mittäterschaft eines Großteils der deutschen Bevölkerung ausgestellt. Das Problem, fast ein ganzes Volk von rund 60 Millionen Deutschen der juristischen Aufarbeitung zu unterwerfen, war schier unmöglich. Dass dieses ungelöste Problem bis heute Auswirkungen hat, lässt sich nachvollziehen.

Nicht zuletzt wird Fotografie und die Bildgestaltung auch von den kunstgeschichtlichen Entwicklungen (Neue Sachlichkeit, Surrealismus, Pop Art, Op-Art, Realismus und Konzepte á la Bauhaus) beeinflusst. Und dennoch bleibt die Fotografie oft genug an der Tatsache hängen, dass der Ausschnitt der Realität im Augenblick des Auslösens von den technischen Rahmenbedingungen gefesselt bleibt. Der Zeichner, Maler und Grafiker ist weniger gebunden und frei in der Gestaltung seines Bildes.

Beispiele zum Thema: Wald

Es bleibt das alte Dilemma: Bild oder Abbild?

(c) Foto: JWB

(c) Foto: JWB

Künstler: Günter Winterscheid – 2017

Künstlerin: Elke Winterscheid – 2017

Neue Sehweisen und Bildgestaltungen in der Fotografie (Robert Capas Foto des von einer Gewehrkugel getroffenen Soldaten im Spanischen Bürgerkrieg bis hin zur Kriegsberichterstattung durch Bildjournalisten im Vietnamkrieg in den 1960er und 1970er Jahre) verdeutlichen die Entwicklung der Fotografie von August Sanders Portraits der realistischen Dokumentation der Personen  mit ihrer berufsbezogenen Kleidung (Maler, Bäcker, Jäger etc.)  und ihren Gesichtern als persönlichkeitsgeprägten Merkmale bis hin zum Transport der Leiden und Schrecken der Kriegseinwirkungen auf Zivilpersonen (wie das nackte Mädchen in Vietnam, dessen Haut von Napalm-Verbrennungen gekennzeichnet ist) werden die Fotos und Bildinhalte in die Wohnzimmer der Industrienationen der westlichen Welt getragen.

Sozialkritische Reportagen gehörten zu den Aufklärungsversuchen über Armut und Reichtum sowie zum Aufzeigen der politisch-gesellschaftlich-wirtschaftlichen Fehlentwicklungen durch Fotos in der Presse. Sie waren über Jahrzehnte nach dem Weltkrieg II gefragte Inhalte, die das Interesse der Nachkriegsgenerationen an Lebensart, Kultur und Wissen der Menschen auf der Welt bedienten. Foto-Berichterstattung über Protestaktionen der Anti-Atombewegung in den 1970er und 1980er Jahre stehen ebenso für eine über die Dokumentation hinausreichende Bedeutung der Fotografie und ihren Einfluss auf die Neugestaltung der politischen Parteien- Landschaft (Gründung der Grünen-Partei).

Zur Weiterentwicklung der Fotografie über die reine Dokumentation hinaus auf der Basis einer kunsthistorischen Tradition, dazu zählt exemplarisch die fotografische Arbeit von Bernd und Hilla Becher, die eine der Sachlichkeit verwandten Fotografie der Industrie-Architektur schufen. 

In nachfolgenden Beiträgen werden weitere Aspekte der Entwicklung und Bedeutungsveränderung der Fotografie vorgestellt.

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