Johannes von Heinsberg – Bildsprache – Wortsprache

Fotografie und Philosophie – Sehen und Erkennen

26. April 2017
von JvHS
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Du lebst und bist, was du tust und wie du denkst!

„Die Welt ist alles, was der Fall ist.“ (Wittgenstein)

Überzeugungsdenker – welche Stufe unterscheidet sie vom Überzeugungstäter? – sind in ihrer Wirkung, auch auf philosophischem Gebiet höchst ambivalent. Wittgenstein bekannte sich zum Schluss seines philosophischen Arbeitens dazu, dass sein Versuch der Abbildung von Welt mittels sprachlich eindeutiger Sachverhalte wesentliche Teile von Welt nicht erfasste. So war es nur folgerichtig, dass er zum Schluss in seinem Tractatus logico-philosophicus zuvor formulierte: Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ Auch wenn er schlussendlich nachfolgendes entgegensetzte:
Ich weiß,… scheint einen Tatbestand zu beschreiben, der das Gewusste als Tatsache verbürgt. Man vergisst eben immer den Ausdruck >Ich glaubte, ich wüsste es<„ 

Diesen Rat erteilen möchte man nicht selten auch anderen, vor allem jenen, die die Welt formen und Taten beschlusseshalber durch andere vollbringen lassen – z.B. Politiker, die bedenkenlos einem Angriffskrieg zustimmen, oder Daseinsvorsorge in die
Privatisierungsmaschinerie
übergeben! Eine gesunde Skepsis ist angebracht, vor allem gegen die Privatisierung des Guten und Hilfreichen.

Kants Vermächtnis: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“, ist ein Leitfaden, den die Abgeordneten in den Parlamenten sich hinter die Ohren schreiben sollten.

Noch mehr allerdings jene, die sich von den Fundamentalisten einspannen lassen für ihre verbrecherischen Taten, sei es jetzt auf der Basis der religiös verbrämten Mordaufträge, oder als Aufruf zur rassistischen Brandstiftung. Die Selbst- und Fremdtäuschung ist ein hartnäckiger Bestandteil menschlichen Fehlverhaltens. Solange es sein eigenes Leben betrifft, ist dies zu verschmerzen. Wenn es
jedoch Einfluss auf das Leben anderer nimmt, ist diesem Einfluss die Grenzen aufzuzeigen. 
Für die politischen Entscheidungen sind die Grenzen durch Mehr Demokratie und Volksentscheide zu ziehen! 

Auf jenes Denken zu verweisen ist notwendig, auch um Gegenöffentlichkeit zu schaffen, die einem weiteren Abbau von Freiheit entgegentritt. Die Kraft der vierten Gewalt als Korrektiv ist seit langem in mißbräuchliche Hand geraten. Die wichtigsten Medien als Eigentum in der Hand weniger Familie ist fatal für den Gesellschaftsvertrag: Demokratie.

Von der sagt Michael Klonovsky (AfD-Berater, reaktionärer Neuer Rechter): „Demokratie ist eine Staatsform, die [bisher] nirgendwo existiert.“  (Im Kontext seiner Gesinnung darf unterstellt werden, dass „jenes, was nicht existiert, ignoriert werden muss…?“ Die Perfidie einer Propaganda, die ganz nach Art und Provenienz Goebbel`scher Propaganda stinkt.) 

Ernst Bloch formulierte als Prinzip Hoffnung: Hat er [der Mensch] sich erfasst und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in der Kindheit scheint und wo noch niemand war: Heimat.“
Was muss man tun, wenn der beste Gesellschaftsvertrag von Stümpern, Gaunern und Handlangern vertreten wird? Dann muss dies benannt werden und man muss sie wieder loswerden mit allen gerechten, rechtsmäßigen Menschenrechtsmitteln.

Verweise auf Tucholsky sind ebenso hilfreich wie auf Jandl, weil beide den Krieg verachten und die Kriegstreibenden gleich mit.

„Unsere Gemeinschaft gleicht einem Gewölbe aus Stein, das einstürzen würde, wenn die einzelnen Steine sich nicht gegenseitig stützten und so das Gewölbe hielten“, formulierte Seneca, den Kommunitarismus im Sinn. In der Politik und seinen Strukturen die Gemeinschaft auf einen kleinen Teil der Gesellschaft zu begrenzen, wie mit den Freihandelsverträgen, die sich der Kontrolle der Gemeinschaft entziehen wollen, ist jedoch das Gegenteil von dem, was Seneca den Menschen mitteilte.

In unserer Welt des Wegsehens und der Mitläufer auf allen Ebenen, formulierte Hannah Arendt noch treffender im legendären Abschlusssatz ihrer Vorlesung „Über das Böse“:
Diese Indifferenz stellt […] die größte Gefahr dar, auch wenn sie weit verbreitet ist. Und damit verbunden und nur ein bisschen weniger gefährlich ist eine andere gängige moderne Erscheinung: die häufig anzutreffende Tendenz, das Urteilen überhaupt zu verweigern. Aus dem Unwillen oder der Unfähigkeit, seine Beispiele und seinen Umgang zu wählen, und dem Unwillen oder der Unfähigkeit, durch Urteil zu Anderen in Beziehung zu treten, entstehen die wirklichen ’skandala‘, die wirklichen Stolpersteine, welche menschliche Macht nicht beseitigen kann, weil sie nicht von menschlichen oder menschlich verständlichen Motiven verursacht wurden. Darin liegt der Horror des Bösen und zugleich seine Banalität“ (150).

Das Böse ist nicht das Monströse – auch wenn der IS in seinen Werbevideos das Schockierende und Grenzen überschreitende Abstoßende als Beispiel für das Monströse in die Welt sendet – sondern die Brutstätte des Bösen ist die alltägliche Gleichgültigkeit des Menschen, sich diesen menschenverachtenden Taten zuzuwenden und die Bilder und Filme anzuschauen und zu verbreiten. Das Böse manifestiert sich auch in dem kontrolllosen Zulassen dieser Bilder durch die Plattformen youtube, facebook und Konsorten! (Ergänzung in 24.08.2024: und auf  X/Twitter und TikTok)

Aktuelle Beispiele für die Gleichgültigkeit und das Wegschauen bieten die FIFA und die nationalen Fußballverbände. Zwar werden Blatter und Platini gesperrt, aber die Gesinnungsgenossen und zwielichtigen Gestalten von Ahmad Al-Fahad Al-Sabah bis Salman
bin Ebrahim Al-Khalifa, einem Scheich aus Bahrain, ziehen weiter die Strippen und machen ihre korrupten Geschäfte. Wer dies seitens der großen Weltfußball-Clubs so geschehen lässt, bestätigt ein weiteres Mal das Fazit in Arendts Schluss-Satz. 

3. April 2012
von JvHS
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Was ist (für mich) Philosophie?

Was ist (für mich) Philosophie?  Posted on 3. April 2012 by JvHS

Manchmal werde ich gefragt: „Was ist für dich Philosophie?“; ich antworte in der Regel darauf, dass die Frage „Was ist Philosophie?“ zuvor geklärt werden sollte, bevor die zuerst gestellte eventuell beantwortet werden kann.

Philosophie ist kein Schubladenschrank, in dem die jeweiligen Aspekte philosophischer Gegenstände eingeordnet werden, genauso wenig wie eine Landkarte, auf dem sich die alten Disziplinen Metaphysik, Erkenntnistheorie, Ethik, Moral, Ästhetik und Logik als
Bezeichnung und Ordnungsmerkmal gegliedert darstellen.

Philosophie ist in erster Linie eine Tätigkeit reflektierenden Denkens, in der die Analyse die beherrschende Art des philosophischen Denkens darstellt und in einem sprachlichen Ausdruck sich widerspiegelt.

Auch wenn in meinem Denken und Handeln Überzeugungen, Vorlieben, Ideale, Werte und Wünsche nicht ausgeschlossen werden können, so bleibt dennoch die Intention, philosophisches Denken als Befassung mit den Voraussetzungen für vernünftiges Denken
zu sehen, welches sich auch damit befasst, handelnd, will sagen analysierend und argumentierend, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um vernünftiges Denken – und dessen Widergabe in vernünftiger Sprache – zu ermöglichen.

Wenn also eine Wirtschaftsphilosophie zu beschreiben wäre, oder eine Staatsphilosophie oder eine Ethik und Moral, dann ist mein zugrunde liegendes Verständnis von Philosophie immer jenes, welches sich auf die Erkenntnisse, Logik und Sprache der gemeinhin als „Wissenschaftstheorie“, „Sprachphilosophie“ und „Philosophie des Geistes“ bezeichneten Gebiete bezieht und gründet.

Philosophie ist eine Tätigkeit der Vernunft, die sich generell mit den Grenzen der Wahrnehmung beschäftigt und diese als Fähigkeit entwickelt, Wissen über die Welt zu formulieren, die unabhängig von unserer Erfahrung besteht, jedoch Erfahrungswissen nicht ausklammert und den Abgleich der naturwissenschaftlichen Forschungsergebnissen mit den erkenntnistheoretischen Realismus Theorien sucht.

Wenn auch Philosophie das „Denken über das Denken“ beinhaltet, somit die Entwicklung von Theorien oft das „Ergebnis“ philosophischer Tätigkeit darstellt, gehört für mich die Philosophie auf die Straße, will sagen in das reale Berufs- und Alltagsleben. Die Abgrenzung als rein akademischer Betrieb mag seine Berechtigung haben hinsichtlich der Arbeitsplätze von akademisch Beschäftigten im Hochschulbetrieb und der damit verbundenen Lehre und Forschung, sie stellt allerdings nicht meine Intention und
Tätigkeit des Denkens dar.

Philosophie auf die Straße zu bringen, bedeutet, das Wissen und die Erkenntnisse auf das Handeln auszurichten und auf die Umsetzung für eine „Wissenschaftstheorie“, eine „Wirtschaftsmoral“ und für eine „Ethik des menschlichen Zusammenlebens“ hinzuarbeiten.

In diesem Verständnis wird Philosophie als Tätigkeit des vernünftigen Denkens die vorbereitende Klammer und die Grundlage für den Naturwissenschaftler, den Unternehmer, den Lehrenden im Bildungsauftrag, den Arzt, den Juristen, den Fotografen, Künstler, Journalisten und den Politiker. 

Das Verhältnis von Empirie, Handlung und Erfahrung einerseits und Denken, Logik und Sprache andererseits ist in der Gefahr zur Dichotomie zu verkommen; Philosophie als erkenntnistheoretische Realismus Debatte ist weiterhin im Fluss auch hinsichtlich der Frage nach der Eindeutigkeit der dichotomischen Trennung.

Auf philosophische Holzwege geraten wir nur zu oft, deshalb mag Max Schelers Formulierung einen praktischen Faden zur Verfügung stellen:

„ Der Mensch ist, bevor er ein denkendes und wollendes Wesen ist, ein liebendes.“

Allerdings gilt auch: Eigenständiges Denken ohne vorangegangenes Denken ist nicht denkbar. 

Wir müssen mit der eigenen Widersprüchlichkeit und Unvollkommenheit leben. Aber moralische Verantwortlichkeit fußt nicht auf vollständige Selbsterkenntnis und jene ist nicht Voraussetzung, moralisch handeln zu können. 

Und damit sind schon 2 Facetten der praktischen Philosophie benannt, die den Alltag kräftig mit beeinflussen.

Gerechtigkeit ist ein weiterer Begriff, welchen die praktische Philosophie auch aktuell zu hinterfragen hat. John Rawls ” Eine Theorie der Gerechtigkeit” mag beim Denken über Gerechtigkeit einen Ansatz darstellen. Es ist an der Zeit, dass im aktuellen Geschehen zur Debatte zwischen Deutschland und der Schweiz hinsichtlich der Steuergerechtigkeit einerseits, und dem Geschäftsmodell der Schweizer Banken andererseits die o.g. Philosophie zur Pflichtlektüre für alle beteiligten Entscheider wird!

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