Johannes von Heinsberg – Bildsprache – Wortsprache

Fotografie und Philosophie – Sehen und Erkennen

Stationen der Kunstroute Aachen zwischen Planung und Treibenlassen

Die Strecke der Hin- und Rückfahrt mit rund 2 Std. Fahrtzeit zur Kunsttour in Aachen betrug insgesamt rund 110 Km, um über die aktuelle Kunstszene Aachens einen Überblick zu erhalten.

Angekommen in der Stadt Aachen vermittelte der Fußweg vom Parkhaus bis zum Zentrum ambivalente Gefühle, bestimmt durch hunderter Meter des Weges vom Kaiserplatz zum Elisenbrunnen an verrammelten Gebäuden in der Adalbertstraße vorbei mit der armseligen Leere  in einer einst pulsierenden Straße. Hier hat die „freie Marktwirtschaft“ wohl zugeschlagen und durch das Aquis Plaza-Konzept die Vielfalt der Angebote in den ehemals vorhandenen speziellen Geschäften zunichte gemacht. Gedanken, die assoziativ sich auch auf den Kultur- und Kunstlebensbereich ausdehnten und die Frage aufwarf, wie es dort wohl aussehen würde.

Mit der Kunsttour bot sich eine Gelegenheit zum Aufsuchen der Orte, an denen Kunst entsteht, gezeigt und vertrieben wird. Orte, die zum Verweilen einladen und um ins Gespräch zu kommen mit den Künstlern und den Galeristen. Der Rest war „Apologie des Zufälligen“, geleitet von der Aufnahmefähigkeit und Verarbeitung der Eindrücke rund um die Aachener Kunst. Ergänzt von Gesprächen beim gemeinsamen Essen in angenehmer Umgebung.

Als erstes Ziel war das „Centre Charlemagne“ am Katschhof festgelegt worden. Der Katschhof eingerahmt von Dom und Rathaus, ein öffentlicher Raum, der in der Grundkonzeption schon mit Kaiser Karls  Königspfalz  angelegt war und  ab etwa 780 n.Chr. zu einer großen Anlage mit Königshalle (Aula regia), Pfalzkapelle, Wohnturm, Garnison und Gerichtssälen ausgebaut wurde. 

Eine gelungene Präsentation der Geschichte Aachens erwartete den Besucher im „Centre Charlemagne“ – von der Römerzeit über Kaiser Karls Ägide, der Zeit Aachens  als Bäderstadt im Barock bis zu der Befreiung der ersten Stadt im Terrorstaat der NS-Hitlerzeit und der letzten Monate des 2ten Weltkrieges. Eine zeitgeschichtliche Kultur- und Kunstroute von der bildenden Kunst über Skulpturen bis zur Architektur kann in interessanter Bandbreite nachvollzogen werden.

Der kulturelle Zusammenhalt mit dem nächsten Anlaufpunkt, dem Couven Museum, ließ sich durchaus ohne große Anstrengung verbinden. Ein ergänzender Einblick in das großbürgerliche Leben des 18. Und 19. Jahrhundert erstreckt sich über drei Stockwerke, in denen die Räume mit ihren Möbeln, den Bildern und Accessoires und der ehemaligen Nutzung der Räumlichkeiten (Festsaal, Musikzimmer, Kaminzimmer, Salon und Biedermeier) aufgesucht werden können, die das Leben der privilegierten Schicht widerspiegeln.

Mit der Aula Carolina in der Pontstraße als zentraler Ausstellungsraum der Kunstroute stand den Besuchern eine komprimierte Übersicht aller 53 teilnehmenden Ausstellungsorte in Form von Plakatfahnen als Kurzinfos zur Verfügung. In der Halle bot die Zentralausstellung „Spektrum*24“ zudem einen exemplarischen Überblick über die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten anhand dort ausgestellter Kunstobjekte. 

Galerien und Ateliers auf der gesamten Tour bereicherten durch ihre Auswahl der präsentierten Werke und Künstler die Wahrnehmung der Kunstinteressierten in besonderer Weise.  Vor allem ergaben sich Gesprächsmöglichkeiten nicht nur mit dem Galeristen, sondern vor allem auch mit Künstlern, die vor Ort waren und in Doppelfunktionen auch als Galerist fungierten. Die Künstler in der Galerie S, Hof 3, standen stellvertretend für diese Form von Synergie. Ihr gemeinsames Thema umfasste Werke aus der Graffiti-Kultur. 

 

Ganz anders die Galerie „Am Elisengarten“, in der der Galerist SW-Fotos des Fotografen Ludwig Glaeser (1930 – 2006) unter dem Titel „Mies & sein Archivar“ präsentiert hatte. Glaeser arbeitete ab 1965 im New Yorker MoMA als Kurator für Architektur. Seine Fotos der Architektur Mies van der Rohes tragen seine Handschrift, die sich von der reinen fotografischen Dokumentation abheben, und die Mies van der Rohe-Bauwerke mit ihrer Umgebung und besonderer Perspektive in ihrem eigentlichen Nutzung-Gebrauch als Wohngebäude zeigen. Ludwig Glaeser ist es zu verdanken, dass im MoMA das dortige Mies van der Rohe-Archiv entstanden ist. Eine überzeugende Idee des Galeristen Andreas Petzold, den in Aachen gebürtigen Architekten Mies van der Rohe und die Fotos seiner Bauwerke durch den Fotografen und studierten Architekten und Kunstgeschichtler  Ludwig Glaeser während der Kunsttour zu zeigen. (Dem Link folgend, werden Fotos der Galerie von Ludwig Glaeser gezeigt!)

Begegnungen auf dem Katschhof mit der Band „Zappelott“ rundeten die persönliche Kunsttour Aachen ab.

Zum Schluss noch eine kolportierte Geschichte aus der Zeit der Besetzung des Rheinlands durch Napoleon. Die Aachener Honoratioren schworen die Bevölkerung darauf ein, dass sie Napoleon und seinen Truppen beim Durchmarsch in Aachen zujubeln sollten. Das sollte Ärgernisse bei Napoleon vermeiden. Vorgesehen war, dass die Menschen Napoleon mit dem Ruf „Vive l’empereur“ begrüßen sollten. Nun verstanden und sprachen die Menschen kein französisch. Im Aachener Dialekt sollte dann aber ein lautmalerischer Ruf ähnlich dem Ruf „Vive l’empereur“ erschallen. Die Stadträte ließen nach vielen Versuchen nun verkünden, dass dem Kaiser nichts auffallen würde, wenn die Aachener Menge laut rufen würden: „Fies Lamperöhr“! Laut Überlieferung gelang das Manöver und Napoleon freute sich wohl über die Begeisterung der Aachener Bürger für ihn.

Mit dem Eintrag in das Besucher-Buch im Couven Museum ( siehe nachstehendes Foto) kam mir sofort die Napoleon-Kolportage in Erinnerung wie sie in den 1950er Jahre der Geschichtslehrer in der Schule zum Besten gegeben hatte.

 

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