Am 09. November 2019 veröffentlichte ich einen Text unter dem Titel: „November III – Das Elend und die Kontemplation“. Darin einleitend ein lyrischer Text, der sich auf Thomas Braschs „Der schöne 27. September“ bezog. (Ich bediente mich seines Werkes – es wurde zum “Der kalte 09. November”. Es gehört zur interpretatorischen Bandbreite, dass andere Menschen dies als Missbrauch empfinden mögen. Vielleicht ist es aber auch zudem der Blick auf die andere Seite der Medaille des Zusammenlebens der Menschen.)
Der kalte 09. November!
Ich habe keine Zeitung gelesen – mich nur mit ihr zugedeckt.
Ich habe keiner Frau nachgesehen – denn sie gingen abgewandt an mir vorbei.
Ich habe den Briefkasten nicht geöffnet – ich besitze keinen solchen.
Ich habe keinem einen Guten Tag gewünscht – ich hatte selber schon lange keinen mehr.
Ich habe nicht in Spiegel gesehen – ich schämte mich zu sehr.
Ich habe mit keinem über alte Zeiten gesprochen – es wäre zu schmerzlich gewesen.
und mit keinem über neue Zeiten – mir fehlte die Hoffnung.
Ich habe nicht über mich nachgedacht – ich suchte das Vergessen.
Ich habe keine Zeile geschrieben – meine arthritischen Finger verweigerten dies.
Ich habe keinen Stein ins Rollen gebracht – denn ich lag auf denselben.
Die Begeisterung für bestimmte gesinnungsträchtige Sichtweisen führt nicht selten zum Tunnelblick. An seinem Ende ist das Erblickte so eng und ausschnittsweise, dass außerhalb dieses Blickwinkels kein Erkennen mehr Raum hat. Was dem einen Menschen wie eine Kontemplation erscheint, lässt den anderen Menschen an existenzielle Not denken. Für einige Menschen wird das Gedicht “Der schöne 27. September” des Lyrikers Thomas Brasch als kontemplativ empfunden, im umgedeuteten und ergänzten Text „Der kalte 9. November“ kämpft ein Mensch bei gleicher Zeile, auf der Straße sitzend, um sein Überleben. Die Blickkontakte fehlen, sowohl bei den Vorbeieilenden, die ihn allem Anschein nach nicht wahrnehmen, wie auch beim Sitzenden, der seinen Blick gesenkt hält.
Der 09. November geht geschichtlich aber darüber hinaus, auch über die historische Bedeutung für die Entwicklung der politischen Gesellschaft in Deutschland.
Der 09. November: … 1848 (Wien)/… 1918 (Berlin/Hindenburg; Ludendorff; Hohenzollernkaiser) /… 1923 (München Hitler; Ludendorff – Putsch) / …1938 (“Reichs-Kristallnacht” – Pogrom in D, Synagogenbrände) /… 1989 (Öffnung/”Fall” der Mauer) / … 2019 (Geschichtsblindheit, Unkenntnis u. Nichtwissen, AfD-Rechte und Fremdenhass, Menschenfeindlichkeit und Gewalt: Die Chronik von Wendezeiten, die nicht erst vor 30 Jahren begannen!) / … 2024 (nun jagen neben den rechtsextremistischen Faschisten in Deutschland nun auch die „migrantisch-muslimischen Islamisten“ * im verbundenen Ungeist jüdische Menschen aus Israel und anderen Staaten, organisiert und vorbereitet, um „der freien Gesellschaft ein Stück ihrer klerikaltotalitären, islamofaschistischen Lebensweise aufzuzwingen“ *) – wie es im Blog „AISTHESIS“ (*) formuliert wird.
Bei den Gedenktagen und solchen, die sich einreihen sollen in diesen Reigen, ist die Neigung der Menschen groß, mit den symbolischen Gesten die damit verbundenen existenziellen Inhalte für den Rest des Jahres beiseitelegen zu können.
Gedenken – eine falsche Form der Erinnerungsmethoden im richtigen Leben?
Gedenken – eine falsche Form der Erinnerungsmethoden im richtigen Leben?
Und vor allem das „Heldengedenken“ ist ständig in der Gefahr, missbraucht zu werden, in dem Beifall denjenigen zugedacht wird, die den Ansatz zur gewalttätigen gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit realisieren halfen. Pogrom-Täter oder Terror-Taten auf den Sockel zu stellen, in dem „Zuckergeschenke“ verteilt werden, weil feiernde Menschen durch Terroristen abgeschlachtet wurden (Hamas und der 7. Oktober) oder rechtsextremistische Morde durch Brandanschläge auf Unterkünfte geduldet und bejubelt werden, sind exemplarische Bespiele für fehlende Reaktionen im Sinne einer wehrhaften Demokratie.