„Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der deutschen Realitätsflucht liegt in der Haltung, mit Tatsachen so umzugehen, als handele es sich um bloße Meinungen.“ – Hannah Arendt (Nach Auschwitz. Essays)
Vor rund 60 Jahren führten am 28.10.1964 zwei Personen ebenfalls ein Interview. Gesprächspartner waren Günter Gaus und Hannah Arendt. Günter Gaus war Journalist, politischer Redakteur, Diplomat als ständiger Vertreter der BRD in der DDR und Moderator einer Senderreihe „Zur Person“ im ZDF. In dieser Funktion interviewte Gaus die Wissenschaftlerin und Professorin für politische Theorie, Hannah Arendt. Sie lehrte an US-Universitäten u.a. an der „Princeton University“, der „Universität Chicago“ und der “ New School for Social Research der Universität von New York City. Arndt promovierte und habilitierte in Deutschland zu philosophischen Themen. Als Jüdin wurde ihr 1937 die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Mit der Flucht in die USA konnte sie ihre Überleben sichern. 1951 erhielt sie die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.
Aus den Schwerpunkten ihrer Forschung und den dazu publizierten Erkenntnissen sind besonders folgende Werke grundlegend für die politische Bildung:
- Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft
- Vita activa oder Vom tätigen Leben (Arendts philosophisches Hauptwerk)
- Macht und Gewalt
- Wahrheit und Politik
- Die Lüge in der Politik
- Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen
- Essay We Refugees (dt. Wir Flüchtlinge), in dem sie sich mit der Rechtlosigkeit von Flüchtlingen und Staatenlosen kritisch beschäftigte.
Das Interview liegt in schriftliche Form ebenso vor, wie als TV-Beitrag. Hannah Arendt war Analystin zum Thema Totalitarismus und totale Herrschaft und gegen jede Form totalitärer, autokratischer und despotischer Herrschaft und Politik. Politisch negatives Handeln in der Ausformung von Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung trat sie mit aller Kritik entgegen. Das Interview zwischen Gaus und Arendt ist durchaus als vorbildlich zu nennen, welches für einen Meinungsaustausch steht. Denn Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und gehört zur Demokratie wie die Luft zum Atmen. Davon wird hier auf diesem Blog auch respektvoll und gleichzeitig in kritischer Form Gebrauch gemacht.
So wenig wie Behauptungen, die sich nur als Tatsachen verkleiden, einen Wert für den Diskurs darstellen, sind auch Meinungen ohne geprüfte und verifizierte Fakten oder die als Lügen daherkommen, keine Tatsachen.
Hannah Arndt hat dazu klargestellt, was oben als Aphorismus schon geschrieben wurde:
„Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der deutschen Realitätsflucht liegt in der Haltung, mit Tatsachen so umzugehen, als handele es sich um bloße Meinungen.“ – Hannah Arendt
Nur sind vorgespielte Meinungsfreiheit á la AfD-Sprüche oder Redebeiträge der Parteimitglieder weder nur reine Meinungsfreiheit, noch wird die Verortung und Einordnung der „Meinungsverbreiter“ von der „Qualität“ eines Musk oder der Kotau artigen Anbiederung einer Politikerin Weidel ohne die faktische Macht und Wirkung berücksichtig. Eine Plattform wie die von X/Twitter im Eigentum des Elon Musk als Bühne für ein Interview zu präsentieren, darf mit aller Skepsis nur bedingt einem wirklichen Gewinn für die Öffentlichkeit zugeordnet werden. Es dient eher der „Düngung“ der Realitätsflucht der AfD-Anhänger und Wähler! Die durchaus wegen der großen Reichweite Musks auf seiner eigenen Plattform als „antidemokratische Überdüngung“ zum Schaden der Demokratie wirksam werden könnte!
Demokratie ist ein Raum, der vom Diskurs lebt und der Berücksichtigung praktiziert, die verantwortungsvoll die geäußerte Meinung selbstständig auf Wahrhaftigkeit und Faktizität prüft. Beleidigungen á la Musk gegen führende Repräsentanten in staatlichen Funktionen sind weder Meinung, noch Fakten. Und die propagandistischen Phrasen der AfD sind dies genauso wenig.
Heute Abend agieren mit Alice Weidel (AfD-Kanzlerkandidatin) und Elon Musk (Visionsfanatiker und Unternehmer) zwei Figuren als Protagonisten der Durchsetzung ihrer eigenen Agenden, in denen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Ausgrenzung ebenso Elemente und Bausteine einer Gesinnung mit skrupelloser Machtgier sind, wie Antisemitismus, Rassismus sowie totalitäre Herrschaftspraxis als Mittel zum Zweck genutzt werden. Diese Gesinnungsinhalte werden von beiden in ihrem Denken, Sprechen und Handeln permanent sichtbar. Zwei Interviewpartner, die ihr propagandistisches Spielchen als Wahlkampagne zur Bundestagswahl vorführen und im diametralen Gegensatz zu den Inhalten und Haltungen der Interviewteilnehmer Gaus und Arendt stehen.
Ergänzung vom 10.01.2025
Kommentare zum Straßentheater á la Musk und Weidel (AfD) auf dem Schwafelkanal X/Twitter am 09.01.2025: