Johannes von Heinsberg – Bildsprache – Wortsprache

Fotografie und Philosophie – Sehen und Erkennen

Wie Antidemokraten vorgehen und die Demokratie schwächen – von Trump, über Putin und Erdogan bis zur AfD!

Um die Verortung der Teilnehmer im öffentlichen Diskurs und ihre Strategie erkennen zu können, bedarf es einer Kategorisierung. Ansonsten bleibt der Leser oder Teilnehmer im Chaos der Titter/X, Facebook und Messenger-Fluten ratlos stecken! Die Gefahr, als „Rettungsanker“ den manipulativen Narrativen der fundamentalistischen Antidemokraten und Egomanen á la Trump zu verfallen oder wie die Lemminge sich der Frust- und Hasswelle anzuschließen und in einer solchen „Blase“ stecken zu bleiben, wird real immer größer! Ansonsten ist die wachsende Zustimmung zur rechtsextremistisch-antidemokratischen AfD nicht vernunftorientiert zu erklären!

In der aktuellen Ausgabe des „Philosophie Magazin“ widmen sich Autoren in einem Dossier dem Thema: Wahrheit und Lüge. Ein Schwerpunkt in diesem Dossier kategorisiert Diskursstrategien und beschreibt Mittel, die in den sozialen Medien wie in öffentlichen Diskussionen genutzt werden, indem Politik und Meinungsmacher ihre Sicht auf die Geschehnisse in der Welt  durchzusetzen versuchen, und um sie bei den Menschen zu platzieren.

De-Legitimieren 

Der politische Wettbewerber im Wahlkampf, die Regierungschefs der Nationen, die als Kriegsgegner sich gegenüber stehen oder Wissenschaftler, die in einer Krise wie der Corona-Pandemie um die Handlungs- und Definitionshoheit ringen, greifen zu einer radikalen Strategie wie der De-Legitimierung des Gegenübers.

Als Mittel dienen Shitstorms, Ausladungen, Zensur, Gerichtsverfahren und Verhaftungen, damit die Teilnahme des Gegenübers ausgeschlossen werden kann.

Der Shitstorm wird als Mittel auf jeder Stufe – von Schul- und Sportfreunden bis zu Wahlgegnern oder Arbeitskollegen und zwischen Kriegsparteien –  genutzt. Politiker greifen zu Anklagen und Gerichtsverfahren, um den Kritiker oder Verleugner bestimmte Vorgehensweisen zu untersagen. In Autokratien und Diktaturen werden zu härteren Mitteln gegriffen: die reichen von Zensur der Meinungsfreiheit bis zu Verhaftungen (Erdogan hat Imamoglu als Wahlkonkurrent ins Gefängnis werfen lassen; Putin arbeitet mit Verhaftungen und Lageraufenthalt, um die politischen Gegner auszuschalten; Trump mit Dekreten, die den Behörden-Mitarbeitern Begriffe wie „Golf von Mexiko“ oder „Klimakrise“ zu nutzen untersagt)! Literatur der Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe vertieft das Wissen, was unter De-Legitimieren zu verstehen ist.

Re-Signifizieren

Mit der „Technik der Um-Definition“ werden Geschichte verzerrt und Bedeutungen umgeschrieben. Alice Weidel (AfD) behauptet, dass Hitler ein „Kommunist“ gewesen sei. Putin benutzt in Umkehrung des Begriffs „Nazis“, dass die Ukrainer „Nazis“ seien, gegen den sich Russland verteidigen müsse. Beide Beispiele nutzen die Umdeutung der Begriffe, um die eigenen Wurzeln zum Rechts-extremismus (AfD) zu verschleiern. Re-Signifizieren ist zur strategischen Spezialität der Rechtsextremisten und diktatorischer Systeme wie in Russland geworden. Volker Weiß beschreibt in seinem Buch „Das deutsche demokratische Reich“ die Wirkweise der Bedeutungsumschreibung.

 Bullshitten

Der Philosoph Harry Frankfurt hat das Bullshit-Verhalten in seinem gleichnamigen Buch definiert als das Verbreiten von Aussagen, die wie Tatsachenbehauptungen auftreten. Dabei ist dem Anwender dieser Strategie völlig egal, wie die Dinge sich tatsächlich darstellen. Im Unterschied zum Lügen verbreiten, die dem Lügner Arbeit macht, weil er gezielt falsche Darstellungen nur darstellen kann, wenn er die Tatsachen kennt. Wer behauptet, dass ein teures Equipment –  welches er verkaufen will – vom Vater stammen würde, obwohl es tatsächlich aus dem Bestand eines Unternehmens stammt, welches die Presse-Abteilung geschlossen hatte, kann schnell entlarvt werden, wenn er ein schlechtes Gedächtnis hat. (*) Dann kann viele Jahre später bei einer zufälligen Begegnung vom Lügner mit dem Käufer passieren, dass der Lügner sich an die Lüge nicht mehr erinnert, weil er beim Gespräch über seinen illegalen Verkauf sich dann nur noch an die eigentliche Herkunft erinnert und diese dann preisgibt!

Bullshit zu verbreiten wird als Kavaliersdelikt gesehen und ist auch deshalb salonfähig, weil der Fantasie beim „Bullshitten“ freien Lauf gelassen wird und als „intellektuelle Leistung“ honoriert und verziehen wird. Deswegen ist das „Bullshitten“ auch in Werbung, Politik und den (a-sozialen) Medien weit verbreitet. KI-Chatprodukte kreieren zudem immer perfideren „Bullshit“, unabhängig vom Wahrheitsgehalt, jedoch in Form von logischen und wahrheitsähnlichen Texte, die schwierig zu hinterfragen sind, um die darin steckenden Irrtümer und Lügen erkennen zu können. Der Meinungsmache gelingt so die Manipulation der Öffentlichkeit, auch weil das Selberdenken als Fähigkeit immer mehr verloren geht.

Framen

Hinter diesem Begriff (englisch für Rahmensetzung) steckt der Ansatz, dass Wortwahl, Ausdruck-Stil und die thematische Verbindung die enthaltene Botschaft als positive oder negative Auswirkung beeinflussen kann! Das bekannteste Beispiel ist die Frage zur Einschätzung, ob ein Glas „halb voll oder halb leer“ ist.

Die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling argumentiert, dass die Einschätzung der Sprachbotschaft durch den Sprachgebrauch des Elternhauses beeinflusst wird, insbesondere wie die die Bedeutung durch die Lebensumstände gesetzt werden. (Die Bedeutungszuordnung der Metapher „Die Polizei, dein Freund und Helfer“ trifft kaum auf Zustimmung, wenn Kinder miterleben, dass Familienmitglieder aufgrund bestimmter Verhaltensweisen – wie Gewaltanwendung in der Familie  – von der Polizei abgeführt werden!)

Wehling sehe zentral für die Bedeutung des politisch-gesellschaftlichen Geschehens, dass die Sprachbilder und inhaltliche Zuordnung der Begriffe aus dem Sprachfeld der Familie stammen. Fazit daraus: Das „Sein der Familiensprache“ bestimmt „das politisch-gesellschaftliche Bewusstsein“!

Während die konservative Herrenzimmer-Weltsicht über die Sprache das patriarchalische und autoritäre Wertebild verbreitet, sind sozialliberale Wertebilder eher offen für die Schwerpunktlegung in der Familienfürsorge und an der Gemeinwohl- und Fürsorgeverpflichtung des Staates orientiert.

Das Ansehen und die Überzeugungskraft von Politiker und Führungskräfte wird zudem dadurch beeinflusst, wie rhetorisch geschickt sie die Metaphern ihres Weltbildes einzusetzen vermögen. Vertrauen aber gewinnen sie erst bei den Menschen, wenn sie nachprüfbare Fakten zur Darstellung ihrer Ziele einbeziehen. Denn der Unterschied, einen Sachverhalt plausibel und nachvollziehbar zu erzählen, grenzt sich von übertriebenem „Überschminken“ als inhaltlich einzige Substanz ab, wie den Unterschied zu erkennen zwischen Beweis und Propaganda!

Das exemplarische Beispiel für das „Überschminken“ seiner Ziele (seltene Erde vereinnahmen in der Ukraine und den Friedensnobelpreis zu fordern) und tatsächlicher substanzloser Propaganda sind Trumps Aussagen zur Friedensstiftung, „den Krieg zwischen Russland (als völkerrechtsbrechender Angriff) und der Ukraine in 24 Stunden zu beenden“!

Version vom 29.04.2025 – (*) Satzstellung korrigiert.

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