Johannes von Heinsberg – Bildsprache – Wortsprache

Fotografie und Philosophie – Sehen und Erkennen

Anti-demokratisches Drittel der Bevölkerung in den neuen Bundesländern wählt rechtsextreme AfD-Politiker

Der ewige Faschismus und Rechtsextremismus + Merkmale des Ur-Faschismus – in Memoriam Umberto Eco

Die EU-Wahl ist nicht nur für Deutschland eine Katastrophe, sondern die hohe Zustimmung der EU-Bevölkerung in den einzelnen Nationen zu faschistischen und rechtsextremen Parteien mit anti-demokratischen Zielen verweist auf eine Entwicklung, die im Zeitalter der Unsicherheiten den Egomanen und Identitätsverwirrten zu einer Macht verhelfen, in dem emotionsgesteuerte Gesellschaftsschichten mit ihren fatalen Wahl-Entscheidungen bewirken, dass diese zu den nächsten Unrechtssystemen führen werden. 

Am 19. Mai auf diesem Blog befürchtet: 

Bolle reiste jüngst zu Pfingsten… – oder: Das Bauchgefühl bestimmt das Bewusstsein

Ein anti-demokratisches Drittel der ignoranten deutschen Bevölkerung in den neuen Bundesländern (ehemals DDR-Unrechtssystem) wählt korrupte, menschenfeindliche und deutschlandschädigende AfD- Politiker mit demokratiefeindlicher Gesinnung. Da hilft auch der Rauswurf des bisherigen Spitzenkandidaten Maximilian Krah aus der AfD-Delegation nicht! Alice Weidel und Timo Chrupalla (AfD), die beiden Co-Vorsitzenden der Partei versuchen damit, der AfD und sich einen „seriöseren“ Anstrich zu verpassen.

Um dieses Manöver glaubwürdiger machen zu können, müsste in der Gruppe der EU-AfD auch der an zweiter Stelle nach Krah postierte Petr Bystron (AfD) ebenso aus der Delegation entfernt werden. Sowie die Trennung vom Spitzenkandidaten und gerichtlich festgestellten und vom Verfassungsschutz überwachten Rechtsextremisten Björn Höcke sowie die ebenfalls verfassungsschutzüberwachte AJ (Alternative Jugend) aus der Partei ausgeschlossen werden. Das aber geschieht nicht, auch wohl deshalb nicht, weil die gesamte AfD einer anti-demokratischen Agenda folgt.

 

Grafikzitat – Quelle: European Parliament (Handelsblatt) Stand: 10.06.2024, 11:53

 
Blau (dunkel und mittel: = Fraktion der „ID“ – rechtsextreme und faschistische Partei)
 
Was für eine Katastrophe in Deutschland, Frankreich, Österreich, Niederlande, Italien, Belgien, Slowakei und weiteren EU-Ländern: Der Rechtsruck ist ein Zeichen für die wachsende Ignoranz, historische Unkenntnis, den moralischen Verfall und die Bevorzugung des Gesinnungsverhaltens anstatt Verantwortungsethik als Grundlage für Denken und Handlung zu entwickeln.

“Die gefährlichste Intoleranz ist genau diejenige, die ohne jede Doktrin oder Theorie allein aufgrund elementarer Triebe entsteht. Deswegen kann sie nicht mit Vernunftargumenten kritisiert und aufgehalten werden. Die theoretischen Grundlagen von Hitlers Mein Kampf lassen sich mit einer Reihe von ziemlich elementaren Argumentationen widerlegen, aber wenn die Ideen, die das Buch propagierte, überlebt haben und jeden Einwand überleben werden, dann deshalb, weil sie sich auf eine rohe Intoleranz stützen, die gegen jede Kritik immun ist. Ich finde die Intoleranz von Bossis Lega Nord gefährlicher als die des Front National von Le Pen. Le Pen hat hinter sich immer noch Intellektuelle, die Verrat begangen haben, während Bossi nichts anderes hat als rohe Triebe.” (Umberto Eco)

Manche Werte, die typisch für die europäische Sicht der Welt sind, repräsentieren ein Erbe, auf das wir nicht verzichten können. Zu entscheiden und anzuerkennen, was innerhalb einer toleranten Weltsicht für uns intolerabel wäre, ist die Art von Grenzlinie, die wir Europäer jeden Tag neu ziehen müssen, mit Sinn für Gerechtigkeit und ständiger Ausübung jener Tugend, welche die Philosophen seit Aristoteles Klugheit nennen. (Umberto Eco – Der ewige Faschismus)

Mit einem Zuwachs und der Wahlentscheidung von 16 Prozent der 16-24 Jährigen für die AfD hat diese Partei ihren Wahlerfolg von 15,9 % in Deutschland zu verdanken und damit zweitstärkste Partei zu sein. Was geht in den Köpfen dieser jungen Menschen vor? Was wissen sie noch von den Verbrechen der Faschisten und Nazis? Sie handeln als wäre das ein Spiel, das wie bei einem Computerspiel zu gewinnen ist, ohne die Folgen für die Gesellschaft zu beachten! Die Technologie der Kommunikationsmedien (TikTok) tut ein Übriges dazu. Auch wenn es sicherlich radikale Linkschaoten gibt, es sind die Rechtsradikalen, die unsere Gesellschaft und die Demokratie bedrohen.

„Der Ur-Faschismus entspringt individueller oder gesellschaftlicher Frustration. Darum war eines der typischen Merkmale der historischen Faschismen der Appell an die frustrierten Mittelklassen, die unter einer ökonomischen Krise und/oder einer politischen Demütigung litten( Weltwirtschaftskrise 1928/1932 / Versailler Vertrag) und sich vor dem Druck subalterner gesellschaftlicher Gruppen fürchteten.“ (Umberto Eco)

Ein Interview in der TAZ vom 09.06.2024 mit dem Wissenschaftler Nikolas Dietze, der sich in einer Studie mit der Landratswahl in  Bitterfeld-Wolfen und der Bürgermeisterwahl in Raguhn-Jeßnitz beschäftigt hat. Das sind beides in gewisser Hinsicht AfD-Hochburgen in Sachsen-Anhalt. In Raguhn-Jeßnitz konnte die Wahl eines AfD-Kandidaten für das Bürgermeisteramt abgewehrt werden, in Bitterfeld-Wolfen gelang dies nicht. In der Studie seien >Interviews mit 22 Vertretern aus Lokalpolitik, Verwaltung und Zivilgesellschaft sowie Gruppendiskussionen mit Bewohnern der Kommunen geführt worden, sowie die lokale Berichterstattung sowie sozioökonomische Faktoren betrachtet worden!<,  beschreibt  der Autor Dietze die Schwerpunkte der Studien 

Zitate in der TAZ zum Wissenschaftler: 

NIKOLAS DIETZE lehrt und promoviert aktuell am Institut für Politikwissenschaft der Universität Leipzig mit dem Schwerpunkt <Demokratie- und Rechtsextremismusforschung>. Dietze war in der Vergangenheit im Else-Frenkel-Brunswik-Institut an der Universität Leipzig sowie im Institut für demokratische Kultur an der Hochschule Magdeburg-Stendal tätig. Er ist außerdem Teil des Forschungsprojekts „Integrative Demokratieforschung im Land Sachsen-Anhalt“.“

Sachpolitik sei wichtig, aber sie (die Bürger) nehmen diese bei den bisherigen Regierungen ohne AfD-Beteiligung häufig als sehr dysfunktional wahr. Nach dem Motto: Die haben hier jetzt ewig regiert, aber was ist denn passiert?

Zitat: „Wenn man sich die Einstellungsforschung anschaut, zeigt sich eigentlich eine hohe Zustimmung zur Idee der Demokratie, sowohl im Westen als auch im Osten. Aber im Osten kommt große politische und soziale Deprivation dazu, also Gefühle von Einflusslosigkeit und fehlenden Mitgestaltungsmöglichkeiten. Das mündet in politischer Unzufriedenheit, was eine Wahl der AfD fördern kann. Die Qualität der Demokratie wird in diesen Kommunen an der Handlungsfähigkeit des Staates gemessen.“ 

Eine weitere Erkenntnis dieser Studie belege, dass vor allem „… die sachpolitische Auseinandersetzung mit der AfD helfe, indem man ihren Rechtsextremismus thematisiert. Die AfD ist nicht einfach nur ein politischer Partner im Stadtrat, sondern sei als bundespolitische, antidemokratische Partei ein Risiko…„, betonte Dietze.

Im sachbezogenen und in der faktischen Gegenargumentation müssten die bisherigen Koalitionspartner der demokratischen Parteien (von den Ampel-Parteien SPD-Grünen-FDP bis zu der CDU/CSU und der Links-Partei) vor allem die eigenen partei-politischen Standpunkte hinterfragen und mehr auf den Einbezug der Menschen achten und in die politische Alltagsarbeit einbeziehen! 

Zitat: „Es braucht eine kontinuierliche Stärkung demokratischer Alltagskultur, also die sichere Förderung von Vereinen und Ortsinitiativen, die im Alltäglichen die Hegemonieansprüche der AfD in Frage stellen. Ebenso sollte infrastrukturelle Rückzüge stoppen. Da brauchen Kommunen auch finanzielle Spielräume. Das können die Kommunen nicht selber schaffen aus eigenen Mitteln.“ 

Zudem sei die direkte Kommunikation mit den Menschen vor Ort und auf der Straße ein Weg, die Menschen von den notwendigen Entscheidungen überzeugender zu informieren und mitzunehmen! Wie dies auch mittels Video-Kommunikation durch die Mitglieder der Bundesregierung (vor allem den Ministerien und durch den Kanzler Scholz) und regelmäßig (einmal wöchentlich!) über die geplanten Ziele kommuniziert werden kann, das hat der Heinsberger-Landrat Stephan Pusch mit seinen Video-Informationen für die Bevölkerung in der Corona-Pandemie exemplarisch vorgemacht!

Die von der AfD-Partei offen und heimlich geförderte Gewaltbereitschaft gegen andersdenkende Bevölkerungsgruppen widersprechen den Parteiaussagen, eine „demokratische“ Partei zu sein ebenso, wie der Realität, dass mit dem „rechten Flügel“ zwar in einem demokratischen Wahlvorgang AfDler gewählt wurden, aber diese Personen mit anti-demokratischen Handlungen und Gesinnungen die Demokratie ablehnen und durch eine rigidere und autokratische Form ersetzen wollen.

Zudem scheint es die AfD-Wähler nicht zu stören, dass sie korruptaffine und Deutschland schadende AfD-Politiker á la Krah, Bystron und andere, die auch als Verurteilte jene AfD-Politiker wie (Höcke) wählen und ihnen Macht verschaffen. Genau diese so sichtbare Verantwortungslosigkeit muss diesen Wählern auch entgegen gehalten werden. Ansonsten dürfen sie sich nicht wundern, dass sie als Antidemokraten und Nazis benannt werden. Denn schämen und sich selber hinterfragen, dass dürfte damit unausweislich werden!

Ergänzung

Andere Sichtweisen zum Wahldesaster in Deutschland werden nachfolgend bereitgestellt. (Die Verweisung auf andere Sichtweisen bedeutet nicht, dass mit diesen Sichtweisen eine Übereinstimmung besteht!) Doch zum Diskurs und zur Lösung des Problems mit einer anti-demokratischen Partei gehören die verschiedenen Meinungen wahrzunehmen und mitzudenken.

Boris Palmer (Zitat seines Beitrags auf Facebook)

@inflation + wokeness + migrantengewalt = AfD
Eine Jugendstudie hat das schon als Trend erkannt. Sie wurde wegen ihrer Methodik kritisiert. Die Ergebnisse passten halt nicht ins Bild. Jetzt haben wir es amtlich: Absturz der Grünen von 34% auf 11%, Aufstieg der AfD von 5% auf 16%.
Manche meinen, dann sollte man morgen wieder eine Demo gegen Rechts machen. Kann man, hilft aber wenig. Ich glaube, man sollte sich endlich die Ursachen des Rechtsrucks eingestehen.
Wer mit den jungen Leuten im Kontakt ist, der weiß worum es geht. Sie sind von der allgemeinen Teuerung stärker betroffen. Grüner Klimaschutz scheint ihnen nicht bezahlbar.
Und sie erleben täglich an der Front, was die irreguläre Migration bedeutet. Die allein eingereisten jungen Männer verändern vor allem das Lebensumfeld junger Menschen. Im Park, im Club, auf der Straße, im Bus, am Bahnhof, auf dem Schulhof. Sie erleben, dass ihre Angst vor der Gewaltbereitschaft der jungen Männer aus dem Maghreb und dem Nahen Osten nicht Ernst genommen oder als Rassismus diskreditiert wird. Sie trauen sich nicht mehr, zur Polizei zu gehen, weil sie die Rache der Täter fürchten, die wiederum genau wissen, dass sie wenig zu befürchten haben.
Auf diese Lebenswirklichkeit stoßen die Dogmen der Wokeness und der offenen Grenzen. Also orientieren sie sich neu und wählen die Partei, die zumindest ihre Sorgen nicht von vornherein als schlecht und falsch abtut. Die wenigsten werden so dumm sein, der AfD zu glauben, dass sie das Probem löst. Aber eine Partei wählen, die einem einreden will, man sei selbst das Problem, das fällt den jungen Leuten nicht in.
Wer Klimaschutz ernsthaft betreiben will, darf diesen nicht länger in den „Kampf gegen Rechts“ verstricken, wie es zum Beispiel Luisa Neubauer gerne tut. Damit verspielt man die gesellschaftlichen Mehrheiten für den Klimaschutz sogar bei der Jugend. Auch unsere Demokratie schützt man nicht, indem man die Leute ständig belehrt, sondern nur, wenn man ihre Anliegen ernst nimmt und die Probeme löst. Die spürbare negativen Folgen der irregulären Migration für das Leben gerade der jungen Leute im Land müssen verringert werden. Sonst fliegen der AfD die Stimmen zu.
 
Kommentar dazu: 
Merkels „Wir schaffen das“, lässt sich als gesichert gescheitert bezeichnen. Nicht der Wille zur Hilfe derjenigen, die real vom Regime im eigenen Land bedroht wurden, fehlte. Doch die fehlende Infrastruktur, diese Menschen zu integrieren und die daraus resultierenden Konflikte und Überforderungen im Lebensumfeld der Betroffenen, in den Schulen und durch die bürokratischen Hürden sind die Ursache für eine schleichende Umkehr des Denkens und Handelns. Ob der Wille zur Solidarität auf beiden Seiten nicht auch durch den auf allen Ebenen praktizierten Egoismus gelitten hat, sollte durchaus Gegenstand in dieser Diskussion sein. Ein Boris Palmer agiert mit Begriffen wie „wokeness“, die auf der wenig hilfreichen Ebene wie „Gutmensch“ zu verorten sind. Politische Entscheidungen führen immer dann zu problembeladenen Konflikten, wenn die Umsetzung auf den Schultern der Bevölkerung stattfinden soll, von deren Leben die durch ihre Volksferne abgehobenen Politikern keine Ahnung haben. Auch darin stecken Ignoranz und Arroganz. 
In der nachfolgenden Beschreibung einer Realität ist sicherlich auch hier auf dem Blog weniger Widerspruch zu finden:
Und sie erleben täglich an der Front, was die irreguläre Migration bedeutet. Die allein eingereisten jungen Männer verändern vor allem das Lebensumfeld junger Menschen. Im Park, im Club, auf der Straße, im Bus, am Bahnhof, auf dem Schulhof. Sie erleben, dass ihre Angst vor der Gewaltbereitschaft der jungen Männer aus dem Maghreb und dem Nahen Osten nicht Ernst genommen oder als Rassismus diskreditiert wird. Sie trauen sich nicht mehr, zur Polizei zu gehen, weil sie die Rache der Täter fürchten, die wiederum genau wissen, dass sie wenig zu befürchten haben.“ 
Das mag ein Teil der Realitätsbeschreibung sein. Sich nicht zu trauen, zur Polizei zu gehen, sich Eltern oder Trainern, oder Streetworkern anzuvertrauen und um Hilfe zu fragen, darf durchaus von der Jugend gefordert werden. 
Daraus aber abzuleiten, dass das Wahlverhalten der 16-24 Jährigen überwiegend für die AfD zu begründen ist, entlässt diese Generation aus einer Verantwortung, die sie durchaus zu tragen hat, sie aber allem Anschein nach nicht tragen will, weil sie die Folgen nicht bedacht hat oder selber zu selbstbezogen ist! Das aber ist ein Teil der Verantwortung für denjenigen, der wählen will! TikTok nicht zu hinterfragen, Influencer als Ersatz für historische Fakten zu „befragen“, dass kann allen Altersgruppen zwischen 16 – 25  nicht abgenommen werden! 
 
Ergänzung II
In einem weiteren Beitrag zum Wahldesaster für Deutschland wird ein weiteres Feld benannt, das bisher in den Analysen der Medien zu kurz gekommen ist. Es ist einerseits den Blick auf die ökonomischen Verhältnisse zu richten. Andererseits ist an die Grundfesten der Demokratie zu erinnern: Gleichheit und Solidarität in der Verteilung der Belastungen zu gewährleisten, sowie andererseits die Einseitigkeit der Entlastungen durch Parteien wie die FDP und Finanzminister Christian Lindner für die eigene Klientel und seine Blockadepolitik zu hinterfragen, weil die notwendigen Finanzierungen für die Daseinsfürsorge und die damit verbundene Lockerung der Schuldengrenzen unabdingbar sind! Auch und gerade dieses Feld und die belastenden Fakten für die Bevölkerung sind Öl ins Feuer der AfD, wenn die Ampel in Zusammenarbeit mit den demokratischen Oppositionsparteien es nicht endgültig hinbekommen, das AfD-Problem zu lösen. Ob die CDU/CSU mit dem egomanischen Blackrock-Merz an der Spitze das richtige Führungspersonal hat, darf bezweifelt werden! 

Marc Saxer mit Esther Be und 26 weiteren Personen 

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Zitat der Veröffentlichung auf Facebook:

„Der Einbruch des Realen in die Postpolitik

In den Jahrzehnten der neoliberalen Hegemonie wurde die Möglichkeit der Veränderbarkeit der Welt durch politisches Handeln bewusst aus den Blickfeld genommen. Der Status Quo wurde naturalisiert (End of History), der Staat neutralisiert, der Bürger zum Konsumenten degradiert.

Statt gemeinsam für eine bessere Gesellschaft zu kämpfen befriedigen die neoliberalen Individuen ihr Bedürfnis nach Sinn durch Selbstoptimierung. Optimiert wurde was dem Körper zugeführt wird (Bio) und was nicht (Veganismus), was konsumiert wird (Authentizität, Erlebnis, Nachhaltigkeit) und was nicht (Verzicht). Die Körper werden gestählt (Fitness) und geformt (Schönheitsoperationen), das Geschlecht neu definiert (non-binär) oder geändert (Trans). Konzepte und Sprache der Psychotherapie dominieren die Selbstwahrnehmung der Individuen (anxiety, Trauma) und die öffentlichen Debatten (safe spaces). Auf den Kampffeldern der postpolitischen Gesellschaft wird darum gestritten, ob diese Selbstoptimierungen zulässig sind, oder gar allgemeine Pflicht werden sollen.

Am progressiven Rand des politischen Spektrums wurde die traditionell linke Kritik am System und seinen imperialistischen Gewaltpraktiken nun anti-national und anti-rational radikalisiert. Der Westen und seine „weiße“ Bevölkerungsstruktur wird dämonisiert, die Hoffnung auf eine bessere Welt wird dagegen unkritisch auf das „Andere“ projeziert, selbst wenn die Adressaten dieser Sehnsucht den eigenen Werten diametral widersprechen (Islamisten). Die Betonung der Vernunft in der Aufklärung wurde ersetzt durch das Primat der Emotionen, die Möglichkeit zur Reform ersetzt durch mystische Symbolik. Durch magische Sprechakte sollen Geschlechteridentitäten geändert, soziale Hierarchien zwischen identitären Gruppen neu sortiert und der Kampf gegen Rechts gewonnen werden. Die Idee des Fortschritts zu einem besseren Leben wird umgedeutet zu einer Dystopie, die in den Klimaweltuntergang führen muss.

Auch das Denken des politischen Apparats und des machtnahen Kommentariats geht selten über moralisch aufgeladene Symbolik und magische Sprechakte hinaus. „Klare Haltung gegen Rechts, Klare Haltung gegen Putin, Klare Haltung gegen Antisemitismus“ ersetzen die Reform von Strukturen im Inneren, und die Neupositionierung in einem veränderten geopolitischen Umfeld im Äußeren.

Mit dem Krieg bricht nun das Reale in diese postpolitische Ordnung ein und zerstört die Illusionen des Gruppendenkens:

– Die Inflation zwang die Zentralbanken zur Abkehr von der Niedrigzinspolitik. Damit verschärft sich das Risiko einer neuen Eurokrise. In einer zunehmend protektionistischen Welt wird jedoch die Sicherung des europäischen Heimatmarktes unabdingbar. Mittelfristig wird daher das Tabu von Transferzahlungen zur Stabilisierung der südeuropääischen Schuldnerstaaten wackeln.

– Um die Abhängigkeit von billiger russischer Energie zu vermindern, wurden aller Werte- und Klimapolitik zum Trotz teure fossile Brennstoffe aus autoritären Regimen importiert. Damit die teure Energie die globale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie nicht untegräbt, werden die Energiepreise subventioniert. Und auf einmal stehen die beiden heiligen Kühe der grünen Politik – die Weisheit des Atomausstiegs und die technische Durchführbarkeit der Energiewende – zur Debatte.

– Um wettbewerbsfähig zu bleiben müssen die Europäer den Subventionen der Amerikaner (IRA) und Chinesen (Overcapacity) eigene Markteingriffe entgegensetzen. Die Rückkehr des Primats der nationalen Sicherheit hat die Industriepolitik rehabilitiert. Das neoliberale Vertrauen in die Effizienz der Marktkräfte wird ersetzt durch staatlich gesteuertes De-risking zur Stärkung der Resilienz. Die alles überragenden Zwänge des geopolitischen Wettbewerbs machen aus Freihändlern Protektionisten. Nach dem Zerplatzen der Hoffnung auf „Frieden durch Interdependenz“ mit China und Russland werden Lieferketten verkürzt (nearshoring) und in befreundete Staaten verlegt (friendshoring). Die neoliberale Phase der Globalisierung ist damit am Ende.

– Um die Zeitenwende finanzieren zu können wird die heilige Kuh des Ordoliberalismus, die Schuldenbremse, geschlachtet werden müssen. Aber auch Einschnitte in die sozialen Transferzahlungen werden auf die Agenda zurückkehren.

– Und für die Wiederherstellung von Wehrhaftigkeit wird der Wiederaufbau der Rüstungsindustrie und die Wiederbewaffnung der Bundeswehr nicht ausreichen. Auch die postheroischen Einstellungen der Mehrheitsbevölkerung und die Obsession des progressiven Randes mit toxischer Männlichkeit wird verschwinden. Das Sein bestimmt eben noch immer das Bewusstsein.

– Die vom progressiven Lager lange negierten Probleme bei Flucht und Integration (Gewalt- und Clankriminalität, Islamistische Indoktrinierung) haben eine Kehrwende in der Migrationspolitik erzwungen. Deutschland schwenkt damit ein den den Kurse, den Dänemark, Schweden, Italien und Frankreich längst beschritten haben.

Das Beben unter den Füßen führt zur Panik der liberalen Eliten, und verführt zu illiberalen Überreaktionen nach innen und nach außen.

Im Äußeren wird die wertebasierte Außenpolitik von den Staaten des Globalen Südens als Einmischung in innere Angelegenheiten abgelehnt. Die Erzählung vom epischen Kampf zwischen Demokratien und Autokratien verfängt nicht. Dem Westen wird, nicht zuletzt wegen seiner widersprüchlichen Politik zwischen der Ukraine und Gaza, Doppelmoral vorgeworfen. Das Eintreten für eine regelbasierte Weltordnung trifft daher zunehmend auf taube Ohren.

Im Inneren wird die Meinungsfreiheit, konstitutiv für die liberale Demokratie, als „Bullshit“ (Carolyn Ehmcke) verunglimpft. Rufe nach Gesetzesverschärfungen für als illegitim empfundene Rede reißen nicht ab. Umgekehrt wird jedoch vehement bestritten, dass es so etwas wie eine „Cancel Culture“ gäbe.

Umfrage nach Umfrage zeigen jedoch, dass breite Mehrheiten die liberalen Postpolitiken ablehnen. Die Mehrheit der Bevölkerung betrachtet die neuen Herausforderungen nüchtern und pragmatisch, ist aber empört darüber, dass ihr von den liberalen Eliten kein reiner Wein darüber eingeschenkt wird, wer für die Kosten der Pfadwechsel aufkommen soll. Daran wird aber über kurz oder lang kein Weg vorbei führen, denn für die Gestaltung der Mammutaufgaben braucht es starke demokratische Mandate.

Der Einbruch des Realen könnte also durchaus zu einer Wiederannäherung zwischen Volk und Eliten führen. Der liberalen Demokratie täte das gut.“ 

Ergänzung III 

Eine Einschätzung der EU-Wahlergebnisse aus der etablierten Medienlandschaft

Ergänzung IV

Die Wahlergebnisse in ehemaligen Ostberliner Stadtbezirken zeigen, dass gerade dort auch die AFD-Hochburgen in Berlin verortet sind! 

„Ihre Hochburgen hat die AfD in den Bezirken Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf. Das beste Ergebnis erzielte sie in den Wahlkreisen Marzahn-Hellersdorf 1 und 3 mit 34,2 sowie 33,1 Prozent. Im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg 2 kamen nur 2,3 Prozent zusammen.“ (Quelle: rbb) 

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