Johannes von Heinsberg – Bildsprache – Wortsprache

Fotografie und Philosophie – Sehen und Erkennen

Andere Generationen – andere Sitten? Oder der politisch agierende Mensch lernt nichts dazu!

Es folgte die Wiederveröffentlichung eines Texte, den der Autor am 3. März 2011  JvHS publizierte. Der Text nahm Bezug auf die Affäre und den Skandal um Karl Theodor zu Guttenberg (CSU), der von seinem Amt als Verteidigungsminister zurücktreten musste, weil seine Doktor-Arbeit in großen Teilen aus Plagiaten bestand.

Nach mehr als 14 Jahren Realsatire in der Politik erscheint sowohl der Anlass für den Rücktritt Guttenbergs eventuell harmloser in seiner Bedeutung als die Skandale und das Gefährdungspotenzial der AfD für die  Demokratie durch rechtsextremistische und rechtskräftig verurteilte anti-demokratischen Figuren wie Björn Höcke (AfD), die sich ähnlich dem verurteilten Donald Trump noch zur Wahl (Präsident der USA) stellen, wie auch Höcke auf das Ministerpräsidenten-Amt in Thüringen am 01.09.2024 spekuliert.

Und andererseits war KTGs Rücktritt von seinem Amt ein Selbstverständnis, dass zwischenzeitlich für viele Minister:innen der heutigen Regierungspolitik-Welt längst verloren gegangen ist, Selbst jene, die dem Land finanziellen Schaden in Millionen (Andreas Scheuer-CSU)zugefügt haben, sitzen ihre Skandale aus, bis sie sich in lukrative Funktionen in die Wirtschaft flüchten können.  

Die negative Wirksamkeit der sozialen Medien zeigte sich 2011 schon in aller Deutlichkeit – wenn auch nicht so strategisch genutzt wie von den Anti-Demokraten á AfD. Die Perfidie der Twitter/X und TikTok- Beispiele gab es allerdings 2011 weniger ausgeprägt.  Parallelen zum heutigen Verhalten der AfD-Wähler und zur Unvernunft sind allerdings deutlich erkennbar!

Andere Generationen – andere Sitten? –  Titel und Text vom 3. März 2011 nachfolgend  

Im Rahmen der Guttenberg-Affäre und der schizophrenwirkenden, massenhaften Unterstützer-Szene, auch noch im Nachgang nach dem Abgang des idolhaft Erhöhten, sind die Aktivitäten von Facebook-Unterstützer- und „Komm zurück, Gutti“ – Gruppen höchst beachtenswert im Sinne einer notwendigen Analyse. 

Welches Selbstverständnis zeigt sich darin? Welche Auswirkungen hat dieses Verhalten auf unser demokratisches Zusammenleben? Welche Gefahren bestehen für unsere demokratische Gesellschaft?

Und gibt es Parallelen zu dem von Alexander Mitscherlich beschriebenen soziologisch-psychischen Zustand einer Gesellschaft in „Die Unfähigkeit zu trauern“? 

Wer die These bejaht, dass nicht aufgearbeitete Traumata sich über Generationen hinweg erhalten, weil diese weitergegeben werden und Wirkung zeigen, dem bleibt auch nicht verborgen, dass in der Figur des Freiherr von und zu Guttenberg und seiner Idolfunktion
genau die Unfähigkeit zu trauern und der Wunsch nach Erhalt in seiner politischen Funktion für seine Jünger und Unterstützer sich widerspiegeln. Das kollektive Trauma der Erwachsenen aus den Erlebnissen der 1930 und 1940er Jahren und die Nichtaufarbeitung der Nazi-Zeit und die Verbrechen im 2. Weltkrieg findet seine Fortsetzung in und um die Person Guttenbergs. 

Wider aller Vernunft wird die Straffälligkeit des Freiherrn-Tuns verdrängt, wichtiger ist „die zugeordnete Führungsrolle“  der Koalition Merkel II (mit der FDP), die wie heilserfüllend ausgerufen wird, sowie eine „Qualität“ die unterstellt und nicht nachgeprüft anhand der wirklich geleisteten Arbeit, den Anspruch erhebt, einen “leistungsstarken, sogar den leistungsstärksten Politiker der letzten Jahrzehnte“ wg. moralischer und ethischer Werte „nicht kaputt zu machen“. Manche versteigen sich sogar in ihrer Einschätzung bis zur neuen Dolchstoßlegende. 

KTG als Kumulierung aus „Führertum“ und „Glanzfigur adliger Provenienz“. Anstelle der Aufarbeitung der die eigene Soziologie beeinflussenden Traumata praktizieren Teile der Bevölkerung lieber wieder das Aufschauen auf den „Verklärten“. Dass man damit weiterhin in seiner Opferrolle verharrt, die oft genug als Grundlage für die Idolbewunderung und als Ersatz dient, wird nicht erkannt. Bestimmte Medien befeuern ja auch die in der Opferrolle Verharrenden und manipulieren erfolgreich im Sinne der „Beute politischer Rattenfänger“.

Mittels der neuen Kommunikationstechniken der Facebook-, Twitter – und Internetzeiten verbreitet sich diese Sicht- und Verhaltensweise in Lichtgeschwindigkeit und bekommt dadurch ihre eigene Dynamik. Das Jammern ob des Verlustes ihres Idols nimmt dabei ebenso groteske, wie sogar gewalttätige Züge an, wenn an die Drohmails dieser Gruppe gedacht wird, die der
aufklärungswilligen Journaille zugesandt werden. 

Kann es sein, dass sich in diesem Verhalten jenes zeigt, was A. und M. Mitscherlich so formulierten:

„ Je stärker die Aggressionen…, um so rigider und intoleranter pflegt seine Gewissensbildung zu sein.“ Und in der Unterwerfungslust dem Idol gegenüber formulierten die Mitscherlichs: „In jedem (wie) zwanghaft ausgeübten Gehorsamsakt (und Führertumfolgen), wird das Problem der Ambivalenz all der Gefühle nicht ausgetragen und gelöst.“ „ Es wird höchstens verleugnet (bestenfalls nicht erkannt!), dass es eine solche Ambivalenz der Gefühle dem überhöhten, vergotteten Objekt gegenüber gibt.“

Anstatt aber die Fakten zur Kenntnis zu nehmen, werden diese beiseitegeschoben und führen damit nach den Mitscherlichs „zu einer Verstärkung der Idealisierung und einer umso heftigeren Identifizierung mit dem Idol. Identifiziere ich mich mit ihm und erhöhe es nach Kräften, so ist die damit verbundene Last eher dann eine Lust. … Dem Idol fällt dann die Qualität des Einzigartigen zu!… Die Angst des schwachen Ichs, das sich dieser kollektiven Wahnverkennung nicht zu widersetzen vermag, geht dabei im subjektiven Bewusstsein verloren.“ 


Mitscherlich schloss in seiner Erklärung dann, dass nach dem Sturz des Idols der Einzelne bekennt und verdrängend argumentiert, er sei einem Übermächtigen erlegen und wie ein Kind schuldlos an den Erziehungsfehlern und dadurch auch schuldlos dem eigenen
Verhalten gegenüber.

In diesem psychoanalytisch orientierten Erklärungsmodell Mitscherlichs sind sicherlich andere Zeiten und Personen gemeint und nicht mit der Affäre des KTzuG vergleichbar.

Dennoch scheinen mir Strukturstränge ähnlich wie bei dem Fall Guttenbergs erkennbar. Auch wenn diese deutlich und qualitativ anders wirksam sind. Im Beziehungsdramadreieck übernehmen die sich als Opfer-Fühlende die Rolle der Täter und machen mobil gegen die diskursfähigen und vernunftorientierten Teile der Gesellschaft. Das ist durchaus ein Gefährdungspotential für die Demokratie und die sie erhaltenden und notwendigen Werte wie Anstand, Ehrlichkeit, wertschätzendes Miteinanderumgehen, Diskursfähigkeit und Toleranz, aber auch Verantwortung übernehmen.

Es scheint, dass die Generation von Facebook-, Twitter- und Internet Geprägten eher keinen Wert mehr auf Solidarität mit und Erhaltung der Demokratie legt, sondern in dem immer mehr von Narzissmus geprägten Lebensgefühl nur auf die Durchsetzung der
eigenen Interessen Wert legt.  Das ist die eigentliche Dimension der Gefährdung unserer Gesellschaft durch die Affäre des KT von und zu Guttenbergs. (*)

Dieser mag sich hoffentlich läutern und nach einer angemessenen Bestrafung für seine Vergehen auch verziehen werden. Eine Wiedereingliederung ohne idolhafte Erhöhung sollte dann von allen in dieser Gesellschaft ermöglicht werden.

Dem Narzissmus dieser Gesellschaft allerdings sollten klare Grenzen aufgezeigt werden. Das trifft für den Fall zu Guttenbergs ebenso zu wie für diejenigen, welche die Finanzkrisen verursachten. Die ordnungspolitischen Maßnahmen durch die politisch Verantwortlichen und Regierenden sind dafür noch nicht ausreichend und hinreichend erfolgt.

( *Anmerkung aus der Sicht von 2024: Da tun sich allem Anschein nach Parallelen im Verhalten der AfD-Wähler und der idolhaften Identifikation der Höcke-Fan auf!

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