Verfremdungen durch grafische Filter lassen einerseits die Betrachtung leichter ertragen, andererseits birgt die Gefahr dieser ästhetisierenden Eingriffe, dass das Blut nicht mehr in den Adern gefriert und der Zorn zu gemäßigt erscheint.
Zynisch ist nicht die Fotografie, sondern zynisch sind die Umstände und die Zustände als Folge der Ereignisse, die bildmäßig erfassten werden.
Nicht die Abbildungen sind das Grauen, sondern Taten und Handlungen von Menschen, denen der Blick für das Miteinander fehlt. Das Leiden anderer zu betrachten, lähmt das Denken und webt den dunklen Schleier des Verzerrens über die Ursachen und wahren Verursacher.
Es sind die Waffenlieferanten und die Staatslenker, die Kriege führen und mit den Waffen Zerstörung und Leid herbeiführen, auch im Auftrag und im Namen des Kapitals und des Wachstums der Profite und sie sind verantwortlich dafür:
dass der kleine Flüchtlings-Junge, in den Wellen liegend, ohne Leben ist.
dass die ertrunkenen Kinder vom Meer an die Strände gespült werden und Zeugnis ablegen für die falsche Wirtschafts- und Finanzpolitik. Da hilft kein TTIP , CETA oder TiSA! Diese Vertragsgestaltungen potenzieren das Elend nur noch.
Bilder und Fotos, die zu Symbolen und teils zu Ikonografien gemacht werden und doch nur Dokumente des verlorenen Lebens sind, alle jene Ausschnitte des Lebens verdichten sich zu inneren Bildern, besetzen Sprache und Denken und sind letztlich Codierungen des Leids, welche Menschen ertragen müssen.
Die einzige Forderung, die schon immer von Menschen geäußert wurde, lautet:
5. März 2024
von JvHS Kommentare deaktiviert für Wald – Mythos, Narrativträger, Instrument und Gebrauchsartikel
Von Caspar David Friedrich bis in die Moderne widmeten sich bildende Künstler und Schriftsteller dem Thema Wald. Von der Mythologisierung bis zur Instrumentalisierung und Ideologisierung diente Wald den Verbrauchern als Träger ihrer Narrative.
Dass die Nazis den Begriff Wald ideologisch strapazierten und instrumentalisierten, war nicht verwunderlich, nicht mal in der pervertierten Form, Bäume so zu pflanzen, dass sie im Herbst aus der Luft das Hakenkreuz abbildeten. So mancher verbildlichte röhrende Hirsch versuchte überhöhend und dennoch nichtssagend die Aufgeblasenheit und inhaltlichen Leere der „Blut-und Bodenthematik“ zu ersetzen.
Dass heute eher reine Sachlichkeit und Distanziertheit den Gebrauchs-Charakter des Waldes in der bildlichen Darstellung widerspiegeln, das ist dem Zeitgeist geschuldet. Und auch letzterer Begriff steht in der Kritik und selbstverständlichen Hinterfragung der Bedeutungen.
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.
… lässt Goethe seinen Faust formulieren. Und den Geist der Zeiten versuchen die Machtinhaber seit jeher selber zu bestimmen.
Johann Gottfried Herder benutzte den Begriff „Zeitgeist“ in seiner Schrift „Kritische Wälder oder Betrachtungen, die Wissenschaft und Kunst des Schönen betreffend“.
Und der Blickwinkel auf die zeitgeistigen Sonderlichkeiten richtend, wird von kritischen Geistern sprachlich zum Ausdruck gebracht. So formulierte Hans Magnus Enzensberger als gegenwartsbezogene Kulturkritik:
„Etwas Bornierteres als den Zeitgeist gibt es nicht. Wer nur die Gegenwart kennt, muß verblöden.“
Inspiriert von Peter Wohllebens „Die geheime Sprache der Bäume“ und bildnerisch abstrahierend, beschäftigten sich Elke und Günter Winterscheid aus Stolberg/Rhld. mit dem Thema Wald.
Günter Winterscheid – Stolberg Rhld. Waldfrevel
Ein hübsches Pärchen ging einmal
Tief in des Waldes Gründe.
Sie pflückte Beeren ohne Zahl,
Er schnitt was in die Rinde.
Der pflichtgetreue Förster sieht’s.
Was sind das für Geschichten?
Er zieht sein Buch, er nimmt Notiz
Und wird den Fall berichten.
(WILHELM BUSCH)
Doch jetzt braust’s aus dem nahen Gebüsch,
tief neigen die Erlenkronen sich,
Und im Wind wogt das versilberte Gras.
Mich umfängt ambrosische Nacht: in duftende Kühlung
Nimmt ein prächtiges Dach schattender Buchen mich ein,
In des Waldes Geheimnis entflieht mir auf einmal die Landschaft,
Und ein schlängelnder Pfad leitet mich steigend empor.
Nur verstohlen durchdringt der Zweige laubigtes Gitter
Sparsames Licht, und es blickt lachend das Blaue herein.
Aber plötzlich zerreißt der Flor. Der geöffnete Wald gibt
Überraschend des Tags blendendem Glanz mich zurück.
FRIEDRICH SCHILLER
Elke Winterscheid – Stolberg Rhld.
Seht meine lieben Bäume an,
Wie sie so herrlich stehn,
Auf allen Zweigen angetan
Mit Reifen wunderschön!
Von unten an bis oben ’naus
Auf allen Zweigelein
Hängt’s weiß und zierlich, zart und kraus,
Und kann nicht schöner sein;
Und alle Bäume rund umher,
All alle weit und breit,
Stehn da, geschmückt mit gleicher Ehr,
In gleicher Herrlichkeit.
MATTHIAS CLAUDIUS
Günter Winterscheid – Stolberg Rhld.
Der scheidende Sommer
Das gelbe Laub erzittert,
Es fallen die Blätter herab;
Ach, alles, was hold und lieblich,
Verwelkt und sinkt ins Grab.
Die Gipfel des Waldes umflimmert
Ein schmerzlicher Sonnenschein;
Das mögen die letzten Küsse
Des scheidenden Sommers sein.
Mir ist, als müsst ich weinen
Aus tiefstem Herzensgrund;
Dies Bild erinnert mich wieder
An unsre Abschiedsstund‘.
Ich musste von dir scheiden,
Und wusste, du stürbest bald;
Ich war der scheidende Sommer,
Du warst der kranke Wald.
HEINRICH HEINE
„Und die Menschen gehen und bewundern die Höhen der Gebirge, die gewaltigen Wogen des Meeres, den breiten Fluß der Ströme, den Umfang der Ozeane und den Umlauf der Gestirne, auf sich selbst aber achten sie nicht.“ Aurelius Augustinus
Die Ideen stehen wie Urbilder in voller Wirklichkeit da. Die anderen Dingen gleichen ihnen und sind Abbilder, und die Teilhabe der anderen Dinge an den Ideen besteht in nichts anderem als darin, dass sie ihnen nachgebildet sind. (Platon_ Parmenides 132D)
„Die Zertrümmerung der Aura ist die Signatur einer Wahrnehmung, deren Sinn für alles Gleichartige auf der Welt so gewachsen ist, daß sie es mittels der Reproduktion auch dem Einmaligen abgewinnt.“ (Walter Benjamin)
Die Seelenlosigkeit der Reproduktion ohne technische Fertigkeiten des Malens und Zeichnens, nur auf die Technologie der Bildbearbeitung zurückgreifend, spiegelt sich in der Nutzung der Apps als neue Form der „Aneignung“ von Natur und Kultur.
Wahrnehmung erfolgt auf geliehener Basis, wird zur Pseudowahrnehmung und zur Selbsttäuschung.
Ästhetik wird degradiert und entwertet als Pausenfüller innerhalb menschlicher Tätigkeiten, oder als Moment flüchtigen Zeigens im Meer der Bildübersättigung.
5. März 2024
von JvHS Kommentare deaktiviert für Allgäuer Landschaften – Elbsee