„Die ästhetische Wirkung des Erhabenen ist das, was Welt wird durch die Gestaltung des Autors, nicht was nur Abbild der Welt ist.“ – JWB in Memoriam Karl Kraus
5. März 2024
von JvHS Kommentare deaktiviert für Abbild und Bild II – Entwicklung und Veränderung der Bedeutung von Fotografie
Die Betrachtung der Fotografien von bekannten Fotografen der Fotogeschichte führt zu nachvollziehbaren Kategorien (Dokumentation der Zeitgeschichte, Portraits aus Politik, Wirtschaft und Kunst, Mode, Architektur, ästhetische Natur- und Landschaftsfotografie, aber auch Fotomanipulationen als Propagandamittel usw.), die teilweise auch heute noch als Organisationsmittel von Fotoforen dienen.
Der Wandel der Bedeutung des Mediums Foto lässt sich historisch nachvollziehen. Die Geschichte der Fotografie im 20. Jahrhundert ist zugleich auch eine Geschichte der technischen und technologischen Entwicklungsschritte der Aufnahmegeräte (von der Großformatkamera hin zum Kleinbildformat der Leica bis zur heutigen Digitalkamera mit den verschiedensten Formaten), der Chemieprodukte und Fotopapiere von der Schwarz-Weiß-Fotografie zur Farbfotografie und von der Studiofotografie mit dem Schwerpunkt der Portraits hin zum Bildjournalismus und der Kriegsberichterstattung und der Smartphonefotografie. Letztere in täglich milliardenfacher Anzahl in den – nur scheinbar – sozialen Medien veröffentlicht, verursacht eine grenzlose Bilderflut und ist dabei distanzlos und grenzüberschreitend bis zum illegalen Vorgehen, in dem alles und jeder fotografiert und gefilmt wird. Henry Cartier-Bressons Fotografie steht zwar auch für das „Festhalten des Augenblicks“, bei Bresson sind die Fotos vom „le moment decisif“ geprägt, der den entscheidenden Augenblick festhält und damit „die Essenz des Augenblicks“ wiedergibt, wie Reinhold Mißelbeck in „ICONS“ Bd. 1 im Taschen Verlag zu Bresson schreibt.
Nachvollziehbar wird diese Fähigkeit in Fotos von Bresson, wie der Sprung über eine Regenpfütze oder vor allem das Foto von 1945: im Lager für Vertriebene (displaced persons) wird eine Nazi-Informantin und Denunziantin von einem ihrer Opfer wiedererkannt. Die Wut auf die Täterin entlädt sich, indem sie mit Stöcken von den befreiten Opfern geschlagen wird. Bresson hält diesen Augenblick fest. Ein Foto, dass zum „Icon“ der Befreiung und Sinnbild für zwar verständliche, aber fehlgeleitete Aufarbeitung des Nazi-Terrors steht. Zu schnell wurden die „Persilscheine“ für die Mittäterschaft eines Großteils der deutschen Bevölkerung ausgestellt. Das Problem, fast ein ganzes Volk von rund 60 Millionen Deutschen der juristischen Aufarbeitung zu unterwerfen, war schier unmöglich. Dass dieses ungelöste Problem bis heute Auswirkungen hat, lässt sich nachvollziehen.
Nicht zuletzt wird Fotografie und die Bildgestaltung auch von den kunstgeschichtlichen Entwicklungen (Neue Sachlichkeit, Surrealismus, Pop Art, Op-Art, Realismus und Konzepte á la Bauhaus) beeinflusst. Und dennoch bleibt die Fotografie oft genug an der Tatsache hängen, dass der Ausschnitt der Realität im Augenblick des Auslösens von den technischen Rahmenbedingungen gefesselt bleibt. Der Zeichner, Maler und Grafiker ist weniger gebunden und frei in der Gestaltung seines Bildes.
Beispiele zum Thema: Wald
Es bleibt das alte Dilemma: Bild oder Abbild?
(c) Foto: JWB
(c) Foto: JWB
Künstler: Günter Winterscheid – 2017
Künstlerin: Elke Winterscheid – 2017
Neue Sehweisen und Bildgestaltungen in der Fotografie (Robert Capas Foto des von einer Gewehrkugel getroffenen Soldaten im Spanischen Bürgerkrieg bis hin zur Kriegsberichterstattung durch Bildjournalisten im Vietnamkrieg in den 1960er und 1970er Jahre) verdeutlichen die Entwicklung der Fotografie von August Sanders Portraits der realistischen Dokumentation der Personen mit ihrer berufsbezogenen Kleidung (Maler, Bäcker, Jäger etc.) und ihren Gesichtern als persönlichkeitsgeprägten Merkmale bis hin zum Transport der Leiden und Schrecken der Kriegseinwirkungen auf Zivilpersonen (wie das nackte Mädchen in Vietnam, dessen Haut von Napalm-Verbrennungen gekennzeichnet ist) werden die Fotos und Bildinhalte in die Wohnzimmer der Industrienationen der westlichen Welt getragen.
Sozialkritische Reportagen gehörten zu den Aufklärungsversuchen über Armut und Reichtum sowie zum Aufzeigen der politisch-gesellschaftlich-wirtschaftlichen Fehlentwicklungen durch Fotos in der Presse. Sie waren über Jahrzehnte nach dem Weltkrieg II gefragte Inhalte, die das Interesse der Nachkriegsgenerationen an Lebensart, Kultur und Wissen der Menschen auf der Welt bedienten. Foto-Berichterstattung über Protestaktionen der Anti-Atombewegung in den 1970er und 1980er Jahre stehen ebenso für eine über die Dokumentation hinausreichende Bedeutung der Fotografie und ihren Einfluss auf die Neugestaltung der politischen Parteien- Landschaft (Gründung der Grünen-Partei).
Zur Weiterentwicklung der Fotografie über die reine Dokumentation hinaus auf der Basis einer kunsthistorischen Tradition, dazu zählt exemplarisch die fotografische Arbeit von Bernd und Hilla Becher, die eine der Sachlichkeit verwandten Fotografie der Industrie-Architektur schufen.
In nachfolgenden Beiträgen werden weitere Aspekte der Entwicklung und Bedeutungsveränderung der Fotografie vorgestellt.
5. März 2024
von JvHS Kommentare deaktiviert für Abbild und Bild – Susan Sontag „Über Fotografie“ und ihre Verortung
Susan Sontags Essay „Über Fotografie“ erscheint zu einer Zeit, in der auch die documenta 6 (1977) nicht nur im Diskurs über die Konzeption zu scheitern schien (die Eröffnung der documenta6 wurde um ein Jahr verschoben), sondern Kunst und ihr Selbstverständnis sich in einer tiefen Krise befanden. Die Krisenbewältigung um die kunsttheoretischen Grundlagen versus die Gegenwehr – Kunst zwar nicht als „L´art pour L´art“ zu vereinfachen, jedoch künstlerische Freiheiten nicht in Theoriefesseln zu legen – ließen die Verantwortlichen mal wieder zu einer Kategorisierung dieser Kunstschau greifen. Drei Kataloge geben davon Zeugnis: Bd. 1 „Malerei, Plastik/Environment, Performance“; Bd. 2 „Fotografie, Film, Video“; Bd. 3 „Handzeichnungen, Utopisches Designe“.
Schon in der vorhergehenden documenta5 versuchten politische Ideologen mit ihren Sichtweisen -die rechtsradikale Ursprünge und Wertungen von „entarteter Kunst“ erkennen ließen – Einfluss zu nehmen, in dem auf den Stufen des Fridericianums eine Ladung Mist ausgekippt wurde und sie damit zum Ausdruck brachten, dass Kunst wieder einem engen Ausgrenzungs-Verständnis zu unterwerfen sei. Die faschistische Nazi-Ideologie, in der Exponate einer Heldenverehrung und Rassevorbild zu dienen habe, geisterte auch 30 Jahre nach dem Ende des Terror-Regimes noch immer in den Köpfen der ewig Gestrigen rum. Weder die gezeigten Exponate, noch die documenta6 in 1977 würden diesem Anspruch gerecht. Walter Benjamin („Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“) sah die Gefahr der politischen Vereinnahmung ästhetischer Werke – vor allem durch die Fotografie und den Film – voraus und ihre Vereinnahmung zu Propagandazwecken wird in Diktaturen bis heute hin praktiziert.
Die Essaysammlung „Über Fotografie“, die Susan Sontag als Gesellschaftsanalyse der Moderne verstand, erreichte ein breites fotoaffines Publikum, auch weil Fotografie und fotografische Profi-Ausrüstungen zum Mittel eigener ästhetischer Kreativität zu verhelfen versprachen. Nicht zuletzt dank der Photokina-Messen in Köln in den siebziger und achtziger Jahren, zeigte sich damals schon der bis heute verbreitete Irrtum, dass mit der jeweils neusten Technik auch die Fotoergebnisse eine Qualitätssteigerung erreichen würden.
Sontag formulierte ihren bildskeptischen Ansatz und schlussfolgerte, dass die Bilderflut die Rezipienten erschlagen, überreizen sowie das „Sehen“ abstumpfen würde. Zudem sei Fotografie nur Medium, das in der Hand nur von wenigen Fotografen sich zur eigenständigen Bildsprache sich entwickle. In diesem Sinne ist Sontag zu verstehen, wenn sie von der Fotografie als einzigartige Möglichkeit schreibt, die mit einem Knopfdruck Kunst zu produzieren ermöglicht. In einer Zeit, in der das Interesse an Fotografie in der Kunstgeschichte und beim Publikum immer größer wurde (siehe Documenta 6), war Sontags Essay ein ergänzender Ansatz mit Nähe zu einer wissenschaftlichen Abhandlung und Fototheorie. Neben Walter Benjamin („Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“) und Roland Barthes („Die helle Kammer“) sowie zuvor schon Sontags „Über Fotografie“ sind die Essays dieser Autoren als Bausteine und Klassiker der Fototheorie zu bewerten.
(c) JWB
Was mit der „Übersättigung und Abstumpfung des Sehens“ schon in Zeiten der analogen Fotografie durch Susan Sontags Beschreibung bewusst gemacht wurde, ist in Zeiten der „digitalen“ Mobilphone-Fotografie zu einer potenzierten Flut der Bildmengen gewachsen, die sich vor allem im Selbstbezug durch die Milliarden täglicher Selfies als inhaltliche Verarmung darstellt.
Entwickelten sich mit den Beiträgen im Life-Magazin in der Nachkriegszeit ab 1945 Dokumentationen (Chargesheimer – Karl Heinz Hargesheimer „Unter Krahnenbäumen“) und sozialkritische Reportagen ganz in der Tradition der Fotogenres in der Weimarer Republik (Robert Lebeck „Leopoldville oder Sebastião Salgado „Workers – Kuweit“), ergänzt durch ästhetisch orientierte Lifestyle Bildberichte (Helmut Newton „Sie kommen“; Robert Mapplethorpe „Lisa Lyon“), die mit der klaren Formsprache und der reduzierten Schwarz-Weiß-Palette kontrastreich den Fokus auf objektivierte Subjekte richtete, so wurde in den ersten zwanzig Jahren des neuen Jahrtausend auch die zuvor genannte Bildsprache atomisiert und eventueller gesellschaftlicher Wirkungen entzogen.
Jeder Versuch, mittels Fotografie das Abscheuliche, das Unmenschliche, den Fremdenhass, die Menschenfeindlichkeit, die Grausamkeiten der Kriege als Aufwachsignal und Kritik politischen und ökonomischen Versagens zu nutzen, erwies sich in jeder Hinsicht als falsche Hoffnung. Auswirkungen aufrüttelnder Fotografie auf politischen Protest ist kaum mehr zu verzeichnen.
Die von Susan Sontag schon angesprochene Abnutzung und Abstumpfung als Folge der täglichen Bilder-Tsunamis in den sozialen Medien ließ jedes Foto innerhalb von wenigen Augenblicken in seinen Wirkungen verblassen. (Beispiel Junge – ertrunken auf der Flucht)
Totes Kind am Strand – ertrunken bei der Flucht
Die „Weisheit“ – „ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“, hat längst ihre Gültigkeit verloren. Das Abbild eines beliebigen eingefrorenen Augenblicks im Foto verliert seinen Zauber und seine Wirkung. Das so oder millionenfach schon gesehene Abbild ist gesellschaftlich und subjektiv wertlos. Da mag das gemalte Bild und der van Goghsche Pinselstrich, die gestichelte Grafik Dürers oder der Kohlestrich Käthe Kollwitz eine doch andere innere Kraft besitzen.
5. März 2024
von JvHS Kommentare deaktiviert für Abbild vom Abbild im Stadtbild
Der Ottilienberg ist ein typischer Allgäuer Hügel auf dem Menschen seit jeher siedelten. Der Blick ins Land geht weit, bis zu den Allgäuer Alpen. Höher hinauf ist gleichsam synonym mit: sich einen Überblick verschaffen.
Deshalb ist in alten Quellen bereits 1440 die Rede von einer „uralten Wallfahrt auf dem Ottilienberg“. Im Urkundentext steht: „anno 1455 ist die Capell ze Sant Ottill uff dem Berg by altdorff gelegen, neu baut und mit merklicher gezierde versehen.“
1658 wird Philipp von Remchingen Schlossherr auf dem Ottilienberg. Die 1632 von den Schweden im 30jährigen Krieg zerstörte Kapelle lässt er wieder instand setzen. Der Freiherr Franz Josef von Remchingen lässt 1691/92 aus den Resten der Kapelle eine neue Kirche bauen.
1699 werden neue Altäre aufgestellt.
1897/98 erfolgt die Ausmalung der Kirche durch Luitpold Heim aus Augsburg.
Neben der Kirche besteht heute noch ein Bergbauernhof, der schon im 16. Jhdt. zum damalig bestehenden Schloss gehörte.
In der Kirche befindet sich eine „Pietà“ aus der Mitte des 14. Jhdts.