Johannes von Heinsberg – Bildsprache – Wortsprache

Fotografie und Philosophie – Sehen und Erkennen

Documenta 15 und das Banner des Anstoßes – Wann sind politische Bildinhalte auch Kunst?

Ist das Kunst – oder kann das weg? (Taring Padi – „Wimmelbild“ genannt im Artikel auf „t-online„)

„Die Einzigartigkeit des Kunstwerks ist identisch mit seinem Eingebettetsein in den Zusammenhang der Tradition.“ – Walter Benjamin

„Das Leben ahmt die Kunst weit mehr nach als die Kunst das Leben.“ – Oscar Wilde

„Als Kind ist jeder ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin, als Erwachsener einer zu bleiben.“ – Pablo Picasso

Wer die Plane – wohlwollend auch unter Bezug auf eine Technik aus dem Bereich der Internetseiten sich beziehend – als Banner, oder noch differenzierter, als graffitiartiges Plakat bezeichnet, kommt nicht daran vorbei, Inhalte, Form, Licht und Schatten sowie die Farbgestaltung zu hinterfragen.

Kunstsoziologisch und kunstgeschichtlich betrachtet, liegt es nahe, Vergleiche mit Künstlern aus anderen Kunstepochen vorzunehmen. Käthe Kollwitz und ihr Plakat zum Thema „Nie wieder Krieg“, Klaus Staeck mit seinen Plakaten aus den 1970er Jahren und die Graffiti-Malerei eines Klaus Paier sowie die Wandmalereien in den sozialistischen Ländern des Ostblocks sind unweigerlich Maßstäbe, mit dem das documenta15-Machwerk der Gruppe „Taring Padi“ vermessen und gewertet wird.

Walter Benjamin hatte den Terminus »Politisierung der Kunst« für die Bemühungen der Avantgardisten geprägt, die sich einer verqueren »Ästhetisierung der Politik« entgegenstemmten.

Eine ästhetische Bewertung wird nicht ausbleiben dürfen, wie der Diskurs zur Darstellung und der Gestaltung der Plane im Netz jetzt schon nachvollziehbar macht.

Und nach den ersten Wahrnehmungen ist die negative Bewertung die deutlich überwiegende. Lars Hartmann (Pseudonym: bersarin) lässt auf seinem Blog denn auch keine Zweifel aufkommen, dass hier die Grenze überschritten wurde.

Zitat: „Ich bin im Blick auf die documenta dafür, daß alle Kunst Kunst bleiben muß. Aber solcher Agitprop, der Judenhaß zum Thema hat, indem jüdische Stereotype gezeichnet werden, und solches Hetzprogramm als Kunst zu maskieren: das geht nicht, das ist nur noch bedingt von der Kunstfreiheit gedeckt.“ Und weiter… „Dies ist ganz einfach und deutlich gesagt „Stürmer“-Ästhetik, die in bestimmten Kreisen anscheinend hoffähig geworden ist.“ Zitatende  

Und ihm ist zuzustimmen, wenn er schreibt, dass „mit Blick aufs ästhetisch Gemachtsein“ er zu Recht von einem Machwerk spricht, welches in solch plumper Art und Weise daherkomme, dass auch durch Kunst kaschierter Antisemitismus nur Antisemitismus bleibe. Und ein Kunstwerk sei nicht deshalb ein Kunstwerk, weil es in einer Galerie oder einer der wichtigsten Kunstschauen Europas hänge.

Käthe Kollwitz – Nie wieder Krieg Bild: gemeinfrei

Nicht zuletzt sollte ein Verweis auf George Grosz erlaubt sein. Auch Grosz nutzte provokative Darstellungen in seiner Kunst zu politische Aussagen. Und Käthe Kollwitz hat mit ihrem Plakat „Nie wieder Krieg“ eindeutig politisch und moralisch Stellung bezog. Doch die künstlerische Qualität kam nicht zu kurz.  Ästhetisch sind die Werke Kollwitz und Grosz von deutlich anderer Qualität.

Nie wieder Krieg – Klaus Paier – Aachen, Bunker Saarstraße (Copyright CC BY-SA 3.0 oder neuer)

Selbst die Wandmalereien (und im weitesten Sinne Graffiti) eines Klaus Paier, die erst spät in ihrem Erhaltungswert von den Ratsmitgliedern in Aachen als schützenswert eingestuft wurden, spielen künstlerisch und ästhetisch in einer anderen Liga im Vergleich mit dem documenta15-Machwerk, das von den verantwortlichen Machern – in persona der Gruppe „Ruangrupa“ – protegiert wurde.

Nun bleibt noch, dass der Diskurs über künstlerisch-ästhetische Qualität das schon schiefhängende Bild mit dem „antisemitischen Fingerzeig“ im Stile einer agitatorischen Propaganda soweit wie notwendig gerade gerückt werden kann. Jede gruppenbezogene  Menschenfeindlichkeit – ob sprachlich oder bildnerisch geäußert –  muss als solche bezeichnet und kritisiert werden.

Ergänzung I

Die Ungleichzeitigkeit wie die Unbarmherzigkeit der Befindlichkeiten haben wieder zugeschlagen! Nach dem Muster von „Entweder-Oder“ ist der aktuelle Zustand so: Das Werk wurde komplett verhüllt. Die Kürze des Diskurses als kurzer Prozess? Was die Macher vorher wissen konnten und zu bedenken hatten, ist die eine Seite des alltäglichen Dramas. Wieso erst das Kind – hier der vermeintlichen Kunst – in den Brunnen fallen muss, bevor das Denken beginnt, ist die ewige Frage, auch die zur Souveränität einerseits, sowie einer Großzügigkeit beim Umgang mit dem Werk andererseits. Das Prinzip der Bestrafung ist nicht zu übersehen.  

Ergänzung II 

Informationen zum Diskurs mit den Links zu den Feuilletons der FAZ, NZZ, Süddeutsche Zeitung, Die Zeit und dem ZDF:

FAZ

NZZ

SdZ

Die Zeit

ZDF

Spiegel -Kolumne S. Lobo

Medienberichte als erweitertes Stimmungs- und Meinungsbild – Beiträge zum Diskurs

TAZ 1

TAZ 2

Der Freitag 

Ergänzung III

documenta 6 – ein exemplarischer Rückblick auf den thematischen Schwerpunkt „Medialisierung“

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