Fritz J. Raddatz – Literaturkritiker, schrieb seine Essays und Kritiken unter anderem in der Wochenzeitung „Die Zeit“. Seit seinem Freitod am 26. Februar 2015 ist Stille und wie so mancher Feuilletonist meint – auch ein spürbarer Qualitätsverlust in der Literaturkritik.
Einer seiner letzten Essays befasste sich mit dem Thema der Sterbehilfe: „Mein Tod gehört mir“. Sterbehilfe, das sei immer auch eine Zweiklassenmedizin, die Raddatz scharf kritisierte: der reiche Industrielle, die Politikergattin, der Fußballer, der berühmte Schriftsteller, der sein Sterben antizipiert, doch „der Briefträger, der Kfz-Schlosser, der Maurer – die haben sich gefälligst von der Brücke zu stürzen?“ Oder sich vor den Zug zu werfen!
Nur Raddatz wusste auch von der Dialektik der Freitod-Entscheidung:
„Selbstbestimmung meint nicht Willkür, sondern Gewissensentscheidung! Das Recht auf Weiterleben ist keine Pflicht zum Weiterleben, das Lebensrecht kein Lebenszwang.“ (Raddatz 2012).
Sowie zum Verschweigen des Termins des Freitods (damals in der Schweiz möglich!) seinem Lebenspartner gegenüber:
„Ahnt er nichts? Der Verrat an ihm, der nun alleine zurückbleibt … es ist quälend, grauslich, kaum durchzuhalten.“ Der letzte Satz der zitierten Tagebuch-Einträge lautet:
„Es ist doch schwer, seinem Leben ein Ende zu setzen.“
Selbst in dem Augenblick, dem bisher noch keiner entfliehen konnte, zeigt sich die Spaltung der Gesellschaft zum Beispiel in der Exklusivität einer möglichst eleganten und schmerzfreien Methode zur Bestimmung des Augenblicks. Ein Freitod erster Klasse, in freigewählter Umgebung. Und oft genug in Begleitung der Lebenspartner als begleiteter Suizid. Für die Übrigen bleiben nur Methoden, die Traumata beim Zugfahrer, bei den Rettungskräften, bei den Polizisten und vor allem bei der eigenen Familie. Der Suizid zweiter oder dritter Klasse wird oft genug Leid auslösen. Immer geschieht er einsam und mit mehr oder weniger Gewalt verbunden – fast wie im Krieg, wo der Tod niemals ein Freitod in Begleitung der Lebenspartner sein wird – also einer Form von Gewalt, die auch Angehörige und Fremde in Mitleidenschaft zieht.
Nein, diese Zeilen formulieren keinen Neid für den Freitod „erster Klasse“. Vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass bis in Tod hinein Ungerechtigkeit begangen und bestimmend sein wird. Wenn schon Ungleichheit und Unfreiheit weiter wirken, dann darf Würde – auf die jeder Mensch Anspruch hat, dass sie unangetastet bleibt – keiner Exklusivität vorbehalten bleiben.
Und die Freiheit über mich, meinen Körper und mein Sterben zu bestimmen, das ist ein Grundrecht, über dessen Verfügbarkeit von keinem anderen Menschen noch einer Institution bestimmt werden kann. Und dennoch werden die Rahmenbedingungen wiederum von der Politik aus Verfügungs-Erwägungen – egal ob die Motive religiöser, ideologischer oder ökonomischer Natur sind – gesetzlich definiert, sozusagen als Verfügungsmasse wie im Bereich der Lohnarbeit, der Steuergerechtigkeit oder bei der Daseinsvorsorge und Gemeingutfinanzierung.
Was ist gesetzlich aktuell nun gültig, nachdem das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung im Februar 2020 für nichtig erklärt?
Das Bundesverfassungsgericht hat sich klar positioniert: Jeder Mensch hat ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen. Dies ist Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus dem Grundgesetz.
- Die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ ist straflos.
- Straflos ist auch die passive Sterbehilfe. Passive Sterbehilfe bedeutet, dass bestimmte lebensverlängernde Maßnahmen oder Behandlungen auf Wunsch der erkrankten Person unterlassen oder abgebrochen werden.
- Straflos ist außerdem die indirekte Sterbehilfe, die bedeutet, dass Behandlungen, die kurzfristig für eine Verbesserung des Zustandes eines Patienten sorgen, langfristig gesehen jedoch eine Verkürzung des Lebens bedeuten.
- Strafbar hingegen ist die aktive Sterbehilfe, also die gezielte, aktive Tötung auf Wunsch eines Sterbenskranken.
- Mit einer Patientenverfügung können Sie eine Aussage dazu treffen, ob eine Maßnahme in einer bestimmten Situation begonnen oder abgebrochen werden soll (Quelle: Verbraucher-Zentrale Bayern)
Eine weitere Auflistung beschreibt die legalen Sterbebegleitungsmöglichkeiten aus rechtsanwaltlicher Sicht:
Der nachfolgenden Auflistung können Sie die vier wesentlichen Formen der Sterbehilfe entnehmen, die sich unterscheiden lassen:
- Passive Sterbehilfe: Hiermit wird bezeichnet, wenn die Ärzte oder Pfleger auf lebensverlängerte Maßnahmen verzichten. Dies kann beispielsweise im Rahmen einer Patientenverfügung geregelt sein. Die „Grundpflege“, also zum Beispiel der Einsatz schmerzlindernder Medikamente wird allerdings beibehalten, damit der Tod so schmerzfrei wie möglich eintreten kann.
- Indirekte Sterbehilfe: Mit diesem Begriff wird der Einsatz von Medikamenten beschrieben, bei denen in Kauf genommen wird, dass sie das Leben des Betroffenen verkürzen. Sie dienen allerdings vorrangig der Schmerzlinderung und zielen nicht darauf ab, den Tod des Patienten herbeizuführen.
- Beihilfe zur Selbsttötung: Ein assistierter Suizid kann beispielsweise durch die Beschaffung von Medikamenten durchgeführt werden. Der Patient nimmt das Mittel allerdings selbst ein, er bekommt es nicht durch einen Dritten verabreicht.
- Aktive Sterbehilfe (Töten auf Verlangen): Hierbei handelt es sich nach deutschem Recht um eine Straftat gemäß § 216 Strafgesetzbuch (StGB). Gemeint ist eine absichtliche Beschleunigung oder Herbeiführung des Todes eines Dritten. Hier wird also, im Gegensatz zur indirekten Sterbehilfe, der Tod nicht nur in Kauf genommen, sondern durch eine Handlung durch einen Dritten herbeigeführt.
Und um dieses Thema vorläufig abzuschließen, sei auf Raddatz Aussagen verwiesen: „Selbstbestimmung meint nicht Willkür, sondern Gewissensentscheidung!“, dem dann gegenüber stand: „Es ist doch schwer, seinem Leben ein Ende zu setzen!“
Im Kriegszustand, der willentlich und wissentlich durch Regierungsführungen und/oder narzisstische Egomanen herbeigeführt wird, wird Selbstbestimmung als Wesen des Menschseins außer Kraft gesetzt! Soldaten werden als Verfügungsmasse für unmenschliche und unmoralische Ziele von menschenfeindlichen Entscheidern eingesetzt. Wann begreifen die Menschen im Einflussbereich dieser wahnwitzigen Entscheider, dass diese niemals an die Macht hätten kommen dürfen. Zynisch geistert wohl durch die Köpfe dieser Figuren in Selbst- und Fremdtäuschung: dass nur „Sterbehilfe“ geleistet werde!