Illusion der Freiheit
Freiheit in ihrer tiefen Krise kennzeichnet den modernen Menschen. Mit den exponentiellen wachsenden Möglichkeiten, sich Freiheiten zu nehmen, in dem die Wahlfreiheit immer größer wird bei gleichzeitig wachsender Gedanken – und Verantwortungslosigkeit erfährt der Mensch gleichzeitig einen indifferenten Zwang, ist der Schritt zur Sucht nicht weit und bestimmte Verhaltensweisen führen zur Besessenheit und Fremdbestimmung.
Als exemplarisches Beispiel für diesen realen Freiheitsverlust sei auf das Smartphone hingewiesen. Jederzeit den Zugriff auf vielfache Möglichkeiten in der Hosentasche mit sich rumzutragen, bringt den Menschen in eine neue Unfreiheit.
Was geschieht bei Facebook, WhatsApp, Twitter und TikTok mit den Menschen? Was, wie und wann wirken die Einflüsse der Messenger-Inhalte und versprechen pseudo-wichtige Kriterien für Lebensentwürfe und Gestaltungswege? Die ständige Teilnahme
und die Suche fluten den Menschen mit oberflächlichen Informationen. Schlagzeilen mit Halbwahrheiten und Lügen ersetzen das Nachdenken und steuern wie im Zwang den Willen. Der freie Wille ist dem Fremdgesteuerten gewichen. Die Fragen nach dem „Warum, Wieso, Weshalb?“ werden nicht mehr gestellt oder wenn, schnell wieder dem gedankenlosen Mitmachen geopfert.
Kommunikation wird den technischen Vorgaben der Apps unterworfen. Der gesenkte Blick beim Gang durch Ort und Zeit ist das äußerliche Kennzeichen. Der Diskurs über Inhalte ist nicht vorgesehen. Die Vorgaben und Inhalte des kommerziell verwertbaren Lebens – als lifetime value – bilden die Strukturen der Lebensweisen für die Masse. Das Kapital als Anbieter dieser Strukturen unterwirft alle Lebensbereiche vom Arbeitsleben bis zur Freizeitgestaltung.
Rahmenbedingungen á la Freihandel ermöglichen den Investoren und Unternehmen weltweit jeden Augenblick des menschlichen Lebens zu kommerzialisieren. Anstelle der Menschenwürde soll im neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsleben der Marktwert
treten, so das Ziel der Freihandelsverträge. Da wird Leben von der eindimensionalen und lebensverarmenden Seite gedacht und verwaltet.
Warten auf die Freiheit – aber es gibt keine Freiheit, ohne die Freiheit des anderen mitzudenken!
Die Denkfähigkeit schrumpft auf Imitation und es wird zu oft nur den falschen und fremdbestimmten KI- Erzählungen gefolgt. Die unreflektierte App-Nutzung schult allenfalls die Unmündigkeit. Verstand und Vernunft werden ersetzt mittels technischer Methoden durch Emotionskaskaden á la Dramadreieck. Konfliktlösungsfähigkeiten verkümmern und Selbst- und Fremdtäuschung potenzieren die Selbst- und Fremdausbeutung.
Depression, Burnout und andere Zeiterscheinungen von Krankheiten der „digital generation“ sind Ausdruck der Krise und des Verlusts von Freiheit.
In den Lebenswelten von Facebook und Co. wird in Form der Profile das Leben abgegeben an die Datenverwerter. Die Unmündigkeit verbirgt sich in den Netzwerken, in denen die Datenverwerter vorgeben, was modisch ist, wie getanzt, gegessen und was gedacht werden soll. Die Abgabe der eigenen Entscheidungen an Facebook und Co. für die Gestaltung des Lebens an die Netzwerke und durch die fremdgesteuerten Strukturen einen Ersatzinhalte.
Die Leere des eigenen Seins wird mit sinnlosen, nicht hinterfragten Versatzstücken gefüllt. So kommen in Sachen Lebensinhalt immer mehr Lebensinhalts-Zombies zum Vorschein. Um gleichsam noch den letzten Rest des Fühlens zu retten, ist der Schritt in die politische oder a-politische Fremdsteuerung nicht mehr weit. Je nach Sozialisation wird der Inhaltszombie zum Fan von sinnentleerten Privat-TV-Schmonzetten, zum Esoterik-Anhänger, zum AfD-Adepten, zum rechtsextremen und/oder gewaltsüchtigen Fußballhooligan. Extremistische Naturen folgen dann dem IS, wenn fundamentalistische Religionsnetzwerke wirken.
Hoffnung und Befürchtung
Einfach das Beste zu hoffen, ist kein Lebensmotto, welches die Krise beenden würde. Und die soziale Realität frisst oft die Erkenntnis: „Wenn ich keine Liebe habe, so bin ich nichts!“ Die christliche Ausprägung dieses Gedankens entspricht der Agape des antiken Griechenlands: der Großzügigkeit, der Güte und der Nächstenliebe.
Vielleicht wäre der Wunsch nach Freiheit und Gestaltung des letzten Freiheitswillens, dem selbstbestimmten Zeitpunkt des Sterbens, nicht so evident, würden die echten menschlichen Beziehungen nicht über Facebook-Profile laufen, sondern in emphatischer Gemeinschaft und im realen Zusammensein erlebbar.
Aber am Ende des Lebens wird das selbst bestimmte Lebensende unterbunden, weil der Hospiz-Gedanke als Wartezimmer des Todes ein kommerziell verwertbares Modell darstellt. In der sich ausbreitenden Vereinsamung bedeutet der Hospiz-Gedanke eventuell auch, dass der einsame Mensch zumindest nicht alleine sterben muss.
Möge die schöne neue Welt der Roboter gesteuerten Hospize als Optimierungsverwertbarkeit des kommerziellen Sterbens uns jemals verschont bleiben.