Deutschland – immer wieder ein politisches Wintermärchen
CAPUT I – Heinrich Heine
Sie sang das alte Entsagungslied,
Das Eiapopeia vom Himmel,
Womit man einlullt, wenn es greint,
Das Volk, den großen Lümmel.
Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich kenn auch die Herren Verfasser;
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser.
Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.
Wir wollen auf Erden glücklich sein,
Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
Was fleißige Hände erwarben.
Es wächst hienieden Brot genug
Für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
Und Zuckererbsen nicht minder.
Ja, Zuckererbsen für jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen
Welche Sicht auf die politische Realität erkennbar wird – unter der Voraussetzung, dass faktenbezogene Sachlichkeit Basis der Urteilskraft für eine Einschätzung ist – das zeigt sich, wenn ein Herunterspielen der Gefährlichkeit und eine Vernebelung praktiziert werden im Umgang mit Anti-Demokraten! Eine Argumentationsweise, die teils im konservativen Milieu, teils in nostalgisch verblendeten oder auf ausschließlich der eigenen Erfahrung verbundenen Werteskalen zu finden ist. Wer glaubt, dass der nette Herr Nachbar Björn Höcke, der so freundlich grüßt – auch wenn er rechtsradikale Sprachmuster und Insignien der Nazis und Faschisten nutzt und seine Gesinnung hinausposaunt – doch kein Nazi und Anti-Demokrat mit gruppenbezogenen, menschenfeindlichen Absichten sei, der ist entweder naiv oder im gleichen Denkmuster verfangen.
Lügner muss man Lügner nennen und Anti-Demokraten muss man Anti-Demokraten nennen, sowie Faschisten und Nazis eben auch Faschisten und Nazis. Denn Gauner und Diebe nennt man ebenso Gauner und Diebe, weil der Mensch weiß und wissen kann, dass es Gauner und Diebe sind.
Leider ist der sogenannte „normale Menschenverstand“ durchdrungen von konservativen Medienmeinungen, die der rechtsnationalistischen Gesinnung näher stehen, als einer toleranten linksfreiheitlich verorteten Weltsicht. Damit wird die sich so selber verortende „Mitte der Gesellschaft“ weiter nach rechts geschoben und die faschistischen, nationalistischen bis rechtsterroristischen Anti-Demokraten salonfähiger gemacht. Ein fataler und die Demokratie gefährdender Prozess. Denn so, wie der Dieb und Gauner laut schreiend auf andere verweist, funktioniert auch der lautschreiende Protest der anti-demokratischen Alt- und Neonazis, der rechtsnationalistischen und extremistischen, rassistischen und anti-semitischen Demokratieverächter, wenn sie von sich behaupten, „wir sind keine Nazis, keine Demokratie-Gefährder, wenn wir AfD und den strafrechtlich verurteilten Höcke wählen“.
Ergänzung vom 21.08.2024
Wie wenig die Wähler der AfD und der Höckes die Gründe für ihr Zustimmung zur rechtsextremen Höcke-AfD hinterfragen, kann an den Antworten der AfD-Wähler abgelesen werden auf die Frage: „Warum wählen Sie AfD?“ – Antwort: „Die kümmern sich um die Menschen!“ – Es folgen dann aber keine Antworten mehr, wenn Nachfragen kommen wie: „Woran machen Sie das fest? Wie sieht das Kümmern im Einzelnen aus?“!
Es hat den Anschein, dass nicht die Sachargumente zählen, sondern es reicht das Bauchgefühl, das mit manipulierten Parolen auf den rechten Kanälen der sozialen Medien (X/Twitter und TikTok) die Menschen fluten. Selber mal prüfen, ob diese Meinungsmache der Rechtsextremisten á la Höcke & Co auf Tatsachen beruhen, das scheint entweder ungeübt zu sein, oder das ist das Weltbild, das generationsübergreifend in der Gesellschaft verankert ist und dem entspricht, was Umberto Eco als „Der ewige Faschismus und Rechtsextremismus“ beschrieb.
Es bedarf schon ein wenig mehr Engagement, als der AfD-Propaganda einfach zu folgen und für bare Münze zu halten, die AfD kümmere sich um die Menschen! Aber wer sich informieren will, kann das in unserer Parlamentarischen Demokratie ohne Einschränkung. Wer Fakten über die rechtsextremistische und anti-demokratische AfD erfahren will anstelle von Propaganda mit Täuschungsabsichten, der findet zum Beispiel bei der Otto-Brenner-Stiftung die Leipziger Autoritarismus-Untersuchung – diese erhebt mit ihren Untersuchungen alle zwei Jahre repräsentativ die Verbreitung autoritärer, rechtsextremer und antidemokratischer Einstellungen in Deutschland. 2022 wurde die letzte Studie veröffentlicht! Die Zusammenfassung ist hier zu finden! Die komplette Studie hier!
Verharmlosender Meinungsbrei der NZZ
Zitat: Die Botschaft, der sich die politische Konkurrenz der AfD gerne anschliesst, lautet: Sollten in Thüringen oder Sachsen falsche Parteien obsiegen, bricht in Deutschland die Barbarei aus. Ähnlich schrill agieren jene Unternehmer, die sich abermals zur Kampagne «Made in Germany, made by Vielfalt» zusammengeschlossen haben. Der Initiator sagt mit Blick auf die Landtagswahlen, es sei «hochgefährlich, was da gerade passiert, zum einen für unsere Demokratie und zum anderen für unseren Wirtschaftsstandort». Zitatende (Quelle: NZZ)
Wer solche Formulierungen in einem reichweiten Medium veröffentlicht, agiert zynisch und zugleich mittels Umkehrung der Übertreibung – es werde Panik verbreitet – verharmlosend mit der Meinung, weil Höcke und Konsorten nicht gefährlich seien und politisch eingehegt werden könnten. Es reicht dafür nicht aus, eine beliebige Meinung als Meinung zu kennzeichnen, um damit Behauptungen möglichst lautstark herauszurülpsen und diese echogleich zu wiederholen.
Verharmlosung der Gefahr durch Texte dieser Provenienz zeigt sich an folgendem naiven Argument, weil „der Grundsatz gälte, dass Verträge alle Partner binden. Die AfD müsste Kompromisse … eingehen.“ Was von Koalitionsverträgen zu halten ist, zeigt vor allem die FDP Lindners, die blockiert, wo es nur geht, mit den verlogenen Pseudoargumenten, die „Schuldengrenze“ sei einzuhalten und deshalb müssten Einsparungen vor allem im Bereich der sozialstaatlichen Verpflichtungen vorgenommen werden. Dass die FDP aus existenziellen Gründen des politischen Überlebens gleichzeitig nicht über die Erhöhung der Einnahmen – und zwar in Form von Vermögenssteuern, Transaktionssteuern im Börsen-Zockerbereich und bei der Neugestaltung des Erbschaftsrechts – nachdenken will, ist Beleg für die Haltung: Verträge kann man ignorieren oder brechen.
Was der FDP billig ist, wäre der AfD rechtens und besonders genehm. „Was tun, immer das was opportun!“ wäre eine Schnittmenge der AfD und der Kemmerich-FDP. Ein anderes Beispiel für die Fehleinschätzung des Meinungsmacher in der NZZ ist die Causa Christian Lüth, Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt: … Christian Lüth, der auf gut 20 Jahre Erfahrung im Bundestag zurück blickt, erst für die FDP, dann für die AfD. Den Posten als Sprecher der AfD verlor Lüth, weil er laut FAZ menschenverachtende und menschenfeindliche Aussagen gemacht habe … im Gespräch mit einer rechten Aktivistin vor laufender Kamera habe Lüth gesagt, dass man Migranten nach Deutschland lassen solle, damit es dem Land schlecht gehe, denn das sei gut für die AfD. Sowie: „Wir können die nachher immer noch alle erschießen. Das ist überhaupt kein Thema. Oder vergasen, oder wie du willst. Mir egal!“ ((Quelle: FAZ vom 16.08.2024!)
Dabei verkennt eine solche Meinung á la NZZ-Meinungsautor, dass auch die Nazis bis 1933 noch keine KZs eingerichtet, Gewerkschaften und Opposition verboten und politische Gegner eingesperrt und gefoltert hatten, obwohl dieses Handeln in deren Köpfen schon längst verankert war. Das aber änderte sich schlagartig mit der „Machtübernahme und Wahl Hitlers zum Kanzler!“ und der Zusammenarbeit der damaligen Konservativen, die sich aus Parteikalkül nicht zu schade waren, eine Koalition mit Hitler-Nazis einzugehen.
Welche Ideen in den Köpfen des rechten Flügels und der Höcke-AfD schon rumgeistern, dass lässt sich an den Äußerungen Höckes ablesen: alleine die Auflösung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks und die Abschaffung der TV-und Rundfunkgebührenpflicht zeigt, wohin der Weg führen wird, wenn die AfD Regierungsführerschaft übernehmen würde oder Regierungsmitglied in einer Koalition würde: die Zerstörung der demokratischen Strukturen und das zum Schweigenbringen jeglicher Kritik und Opposition voranzutreiben, das würde zu erwarten sein. Orban lässt grüßen. Erdogan hat´s vorgemacht. Putin bis zum Exzess gesteigert.
Dass es auch koalitionäre Helferlein aus persönlichen Karrieregründen gibt, dass zeigten und zeigen wiederholend Personen wie der FDP-Spitzenkandidat der Landtagswahl in Thüringen, Thomas Kemmerich, FDP, der von sich sagt: „Es mache ihm nichts aus, dass die AfD hierbei mitgestimmt habe…“ meint damit, dass Gesetzesinitiativen, die ins jeweilige Bild von FDP und AfD passen, mittels gemeinsamer Abstimmung durchzuboxen. Quasi wie „unter Freunden“ agieren und „das eine Hand die andere wäscht!“ Das sich Gemein machen mit Anti-Demokraten á la Höcke ist vergleichbar mit den Aktionen der Wirtschaftskonservativen Anfang 1933! Das Motiv ist das gleiche: persönliche Vorteile erzielen und dafür Systeme der Autokratie und ihre Entwicklung zum Unrechtssystem zu unterstützen!
Ungeeignete Egomanen sollte man ungeeignete Egomanen nennen, weil sie persönliche Ziele und das eigene Wohl über die Verpflichtung der Abgeordneten stellen, zum Wohle der Bürger handeln zu müssen.
Die Brandmauer der anderen Parteien gegenüber der AfD, sie – weder heimlich, noch offen – nicht als Koalitionspartner zuzulassen, weicht durch Typen wie Kemmerich auf. Es ist eine Verharmlosung zu behaupten, mit der AfD in den kommunalen Gremien und Kreis-/Stadträten gemeinsam zu arbeiten, sei notwendig und habe keinen Einfluss auf die gesetzgebende Arbeit im Bundestag und den Landtagen. Das ist so irrenführend wie auch naiv und macht diese anti-demokratische Partei AFD salonfähig.
„Wehret den Anfängen“ muss weiterhin das Motto zum Schutz der Demokratie lauten!
Ergänzung vom 21.08.24
Der ewige Faschismus und Rechtsextremismus + Merkmale des Ur-Faschismus – in Memoriam Umberto Eco