Thomas Mann Geburtstag – am 06. Juni 2025 vor 150 Jahren (Teil 1)
Die Bandbreite der Interpretationen, wer Thomas Mann gewesen sei, reicht von literaturkritischer Rezeption über die Analyse der Bürgerlichkeit als tragende bis tragische Säule der deutschen Gesellschaft bis zur Verortung des politisch-philosophischen Menschen Thomas Mann als Literat.
Thomas Mann als Autor und Literat
Thomas Mann beschreibt in seinem Roman „Die Buddenbrooks“ den Verlauf einer großbürgerlichen Familie vom Aufstieg eines kaufmännischen „Start-Up“ in der zweiten Hälfte des 18ten Jahrhunderts (1768) bis zum Verfall und Niedergang zum Beginn der Gründerzeit nach der Proklamation des deutschen Kaiserreichs 1871.

Autor: Dr. Bernd A. Weil; This file is made available under the Creative Commons CC0 1.0 / You can copy, modify, distribute and perform the work, even for commercial purposes, all without asking permission.
Die Familie „Buddenbrook“ steht exemplarisch für die handelnden Figuren der Generationen, die von der Energie wie auch dem Glück und Geschick des Unternehmensgründers profitieren, der ein Vermögen erwirtschaftet, welches den gesellschaftlichen Status zur „Elite und den Honoratioren zu gehören“ bewirkt, jedoch schon durch die Nachfolge des ersten Erbens, der den Wohlstand nur verwaltet, der Absturz eingeläutet wird.
Bis heute ist dieser Verlauf eines familiären, vermögenden Lebensreigens nicht selten nachvollziehbar. Aufgrund der sich wandelnden Umstände des Fortschritts und der Fähigkeiten, die notwendig sind, Vermögens-Wachstum zu erreichen, sind die Fußstapfen des Vorgängers oft zu groß. So zerrinnt nicht selten das Vermögen in den Händen der Nachfolger. Insbesondere, wenn Vermögen zur Selbstdarstellung genutzt werden oder der Verantwortungsdruck, ungeliebte Positionen einnehmen zu müssen, eine andere Lebensgestaltung verhindert.
Mit jeder Nachfolge-Generation wächst auch die Gefahr der Selbst- und Fremdtäuschung, so dass das Vermögen der Vorgänger verloren geht nach dem Motto, „wie gewonnen, so zerronnen“ und damit den Niedergang und das Versagen der nachfolgenden Generationen bezeugt. Auch wenn die Umstände und die Mittel heute andere sind, sowie der Verlauf von Aufstieg bis Niedergang aufgrund der heutigen Schnelligkeit keine Generationen mehr benötigt: die Struktur des Verlaufs bleibt die gleiche! Die Charaktere, die Thomas Mann literarisch zeichnete, agieren auch heute noch vergleichbar. Denn die Menschen lernen nur selten aus der Geschichte, lassen dabei die Erfahrungen der Vorgänger außeracht, wiederholen die gleichen Fehler und machen dann zwangsläufig die gleichen leidvollen Erlebnisse.
Thomas Manns Werk „Die Buddenbrooks“ könnte Leid vermeiden helfen, wenn die daraus möglichen familien- und gesellschaftsgeschichtlichen Erkenntnisse zu Vernunft, Wissen und Entscheidungsfähigkeiten im Sinne ethisch-moralischer Reife als Demokraten und Verteidiger der freien und offenen Gesellschaft bei den Menschen führen würden.
Der Autor Moritz Rudolph verweist in seinem Text „Wer war Thomas Mann? Sechs philosophische Deutungen“ indirekt auf die Vielschichtigkeit Manns, in dem die unterschiedlichen Ansichten bekannter Philosophen-Innen angerissen werden, wie sie Thomas Mann wahrgenommen haben – auch in seiner literarischen Selbstdarstellung des Alter Egos im Roman „Die Buddenbrooks“.
Georg Lukács, der ungarische Philosoph und Literaturkritiker, sah in Thomas Mann den Autor des Bürgertums, welches Mann in seiner ganzen Problematik darstelle, „…freilich geht dieses Portraitieren des deutschen Bürgers der Gegenwart (1945! als Lukács den Text schrieb) nur bis zur vorfaschistischen Zeit, das Bild des faschisierten oder des gegen den Faschismus kämpfenden Deutschen kommt – vorläufig – im Werk Thomas Manns nicht vor“.
In seinem Beitrag „Auf der Suche nach dem Bürger“ zum 70sten Geburtstag von Thomas Mann beschreibe der Kommunist Lukács den „Dichterphilosophen“ – wie folgt:
„In den Romanen und Erzählungen treten lauter schlingernde Bürgerfiguren auf, die mit Krankheit, Tod, Sehnsüchten nach unstetem Leben oder Abstiegsängsten konfrontiert sind. Nur selten gelingt die Balance. Darin sieht Lukács eine „Wirklichkeitstreue, ja Wirklichkeitsandacht“, die das spätbürgerliche Zeitalter ungeschönt zeigt. Anders als Goethe formuliere Mann keine Utopie, keine falsche Versöhnung mit der Wirklichkeit.“ (Quelle: philomag)
Eine andere Quelle beschreibt Thomas Mann als Autor wie folgt:
„Thomas Mann gehört zu denjenigen, die zwischen Ironie und Humor nicht scharf unterscheiden. Er benutzt in seinen Romanen häufig die Rolle des Erzählers zur ironischen Distanzierung von der eigenen Position und erreicht auf diese Weise einen «ironischen Objektivismus der Epik».
Ironie bedeute für ihn Abstand, Vorbehalt, Freiheit. Es sei jedoch mit «eine Ironie des Herzens, eine liebevolle Ironie» gemeint. Sie bezeichne ein künstlerisches Prinzip, zugleich aber auch den menschlichen Zwiespalt dessen, der zugleich Bürger und Künstler sein muss.
Neben Lukács stellt Moritz Rudolph die Blicke der Philosophen auf Thomas Mann vor: die Philosophin und Germanistin Käte Hamburger sehe in Mann den Romantiker, Siegfried Marck den neuhumanistischen Optimisten, Wolfgang Harich den „Antifaschisten“, Hans Blumenberg Mitschüler von Thomas Mann am gleichen Gymnasium, sehe in Mann den postmodernen Autoren, der sich „die bedrückende Welt vom Leibe halte“ und last not least formuliere Reinhard Mehring, dass Thomas Mann das „Erbe Platons“ berücksichtige, der sich dem Guten, Schönen und Wahren verpflichtet fühle!
Dass Thomas Mann einen Wandel vom Monarchie-Anhänger bis zum Demokraten und Hitler-/Nazi-Gegner durchlebte, ist nachvollziehbar auch durch seine Rundfunkansprachen an die Deutschen.
Ein Bekenntnis zur Demokratie – die der Weimarer Republik – erfolgte im Gegensatz zu seinem Bruder Heinrich Mann erst spät! Während Heinrich Mann in seinem Werk „Der Untertan“ mit der Verherrlichung des Kaisers und dem Kadavergehorsam der Bürgerlichen gegenüber dem Adel deutlich kritischer und realistischer die Monarchie beschrieb, auch weil der Protagonist des Romans „Der Untertan“, Fabrikerbe Heßling, nach oben buckelt und nach unten tritt, romantisiert Thomas Mann in seinem Werk „Königliche Hoheit“ die erhoffte und erwünschte Entwicklung des Adels zur Verbrüderung mit dem Großbürgertum der erfolgreichen Unternehmen. Ein erträumtes „Happy End“, welches Thomas Mann noch 1909 beim Erscheinen des Romans verherrlichte und als realisierbare Vision verinnerlicht hatte.
Eine grundverschiedene Wahrnehmung der Gesellschaft der Brüder Mann wie sie sich auch heute in der Spaltung der Gesellschaft zwischen den Anhängern der AfD als Antidemokraten und den Anhängern der Parteien der Mitte als Verteidiger der Demokratie und der offenen und freien Gesellschaft zeigt. Die tiefe Spaltung der Gesellschaft ist übertragbar auf die USA unter Trump als Autokrat oder auf einige rechtsextremistische und antidemokratische Parteien (PVV und Geert Wilders, NL; RN (Rassemblement National) Marine le Pen / Fr; FdI (Fratelli d´Italia) Giorgia Meloni, I) in der EU!
Während Trump heute die US-Demokratie an den Rand der Zerstörung bringt, in dem er seine Gier nach Reichtum und Macht auslebt, kämpfte Thomas Mann 1939 als Emigrant in den USA für den „Sieg der Demokratie!“ Welche Ironie, die sich in dieser zeitgeistigen Entwicklung zeigt! Denkbar, dass Thomas Mann heute auch gegen Trumps destruktiver Zerstörung der US-Demokratie Ansprachen halten!