Sie, die Kandidaten für die Kommunalwahlen hängen jetzt nicht nur wieder als Plakat, sondern stehen auch wieder auf den öffentlichen Plätzen an ihren Wahlständen und verteilen ihre Wahlmaterialien. Sinnvoller Weise dann, wenn der Markttag auf dem zentralen Platz auf mehr Interessenten hoffen lässt, die mit mehr oder weniger nützlichen Werbematerialien beglückt werden.
Wie tickt der Kandidat und zukünftige Mandatsträger?
Im Prinzip ein Ort und die Gelegenheit für Wähler mit den Kandidaten ins Gespräch zu kommen. Für den Wähler einer der wenigen Gelegenheiten, diese Kandidaten etwas intensiver kennen zu lernen. Zu erfahren, wie sie ticken! Der Autor hatte heute Morgen dazu Gelegenheit! Die Ergebnisse waren ernüchternd, wenn auch nicht exemplarisch, weil Einzelfall basiert und mit subjektiven Blickwinkel festgehalten.
Interessant wird es, wenn die Kandidaten ein wenig tiefergehend befragt werden. Dann ergeben sich beim Wähler über einzelne Kandidaten Einsichten, die oft nachstehende Fragen beantworten:
Welche Motivation treibt sie an, sich zur Wahl zu stellen? Welche Konfliktstabilität und Konfliktlösungsfähigkeiten besitzen sie/er, wenn der Diskurs Zweifel an der Wirksamkeit der versprochenen Ziele und Inhalte ausräumen soll? Wie geht der Kandidat mit den Steigreif-Fragen um? Wie werden innerparteiliche Dispute und Debatten in der Hierarchie der Parteien geführt? Wie geht der gesprächsteilnehmende Kandidat mit kritischen Nachfragen um? Wie werden Beschlüsse und Abstimmungen innerparteilich/innerfraktionell gefasst, wenn es unterschiedliche Positionen innerhalb der Fraktion gibt? Wem steht der Kandidat und zukünftige Mandatsträger näher? Dem Bürgeranliegen oder der Fraktionsvorgabe und der Fraktionsführung?
Welche Möglichkeiten wird er/sie als Mandatsträger ausschöpfen, um Kenntnisse zu erhalten, was die Menschen beschäftigt? Wie wird die Umsetzung vorgenommen, das Versprechen einzulösen, stellvertretend „Auge, Ohr und Stimme“ für die Bevölkerung zu sein?
Protokoll einer Erfahrung – Gespräche am Informationsstand einer Partei
Der Gesprächsfaden wurde aufgenommen, weil der Autor an die am Stand befindlichen Kandidaten die Frage stellte, warum für die Bürgermeisterwahl in der Stadt nur der aktuelle Amtsinhaber der aktuellen Mehrheitspartei kandidiere? Sei dies nicht für die anderen Parteien und erst recht für die Demokratie ein Armutszeichen?
Antwort: Weil dieser Bürgermeister aus der amtierenden Mehrheitsfraktion sowieso die Wahl haushochgewinnen werde, wie schon seit Jahrzehnten! Niemand wollte sich aus der eigenen Partei dies antun!
Kommentar und Nachfrage des Autors: Das sei aber ein seltsames Demokratieverständnis. Warum habe man dann nicht seitens der Oppositionsparteien einen gemeinsamen unabhängigen Kandidaten gesucht und dem aktuellen Inhaber als Kandidaten entgegengestellt?
Antwort: Das habe die eigene Partei versucht zu tun, aber die anderen wollten nicht! Außerdem wären die Kosten viel zu hoch. Ergänzend formulierte die Parteikollegin, dass sie sich bei der Wahl zum Landrat im Kreis als Kandidatin habe aufstellen lassen. Das alles mache sie freiwillig in ihrer Freizeit und müsse sich dafür auch noch in den sozialen Medien beschimpfen lassen. Sie müsse bestätigen, dass auch für die Landrats-Wahl ein gemeinsamer Kandidat nicht zustande gekommen sei, weil jeder der anderen Parteien einen eigenen Kandidaten aufstellen wollte. Zudem habe man sich auch nicht auf eine gemeinsame politische Linie verständigen können.
Kommentar: Letzteres Argument, keine konzertierte Aktion durch überparteiliche Zusammenarbeit auf die Beine stellen zu können, scheint ein strukturelles Problem der politischen Alltagsarbeit auf allen Ebenen zu sein. Ursächlich dafür scheint zu sein, dass die eingefahrenen Modalitäten nur ungern verändert werden. Kreative neue Wege und Methoden werden dadurch zugleich geblockt. Das gilt für die innerparteiliche Kritik wie auch für die spärlichen Versuche zu überparteilichen Projekten und Zusammenarbeiten. Auffallend war auch die Tendenz – wenn gescheitert wurde – immer auf den politischen Wettbewerber zu zeigen, fast wie in einer automatischen Schuldzuweisung!
Selbst die Koalition-Vereinbarungen werden zwischen den regierenden Koalitionen oft gegenseitig blockiert, wie die letzte Rot-Grün-Gelbe-Koalition zeigte! Und auch die aktuelle Schwarz-Rote-Koalition scheint diesem Muster bisher zu folgen.
So lautete die emotional-impulsive Antwort des ersten Gesprächsteilnehmers denn auch im Kontext der Frage, welche neue Wege denn möglich seien? „Sagen Sie es mir!“
Auf den Kommentar, er sei der Kandidat und der zukünftige Mandatsträger und müsse den Wählern erörtern, welche Alternativen er denn bei der Durchsetzung von Projekten aus der Position einer Oppositionsarbeit sich denken könne, kam nur die Wiederholung: „Sagen Sie es mir!“
Die Nachfrage an ihn lautete, warum er die Menschen draußen dann nicht mitnehmen würde, zum Beispiel, indem die Organisationkraft seiner Partei geeignet sei, ein erweitertes Mitspracherecht der Bürger zu realisieren, indem Bürgerinitiativen und Bürgerräte-Arbeit initiiert würden?
Die Antwort darauf war äußerst irritierend und wenig konstruktiv:
„Eine Räte-Republik wolle er nicht!“ Das seien außerdem obskure Vorschläge. Denn es gäbe keine Bürgerräte auf der kommunalen Ebene. Oder ob der Autor ihm dafür Beispiele nennen könne? Im Übrigen brauche und wolle er die Wahl-Stimme des Autors nicht! (Unabhängig davon, obliegt er dem Irrtum, denn die Einrichtung eines Bürgerrates heutiger Provenienz hat nichts mit einer „Räte-Republik“ der Weimarer Republik zu tun! Dieser Vergleich war ungeeignet und falsch! Denn Meinungen sind keine Tatsachen!)
Ein vorläufiges Fazit ist aus solchen Begegnungen zu ziehen:
Es war ein Einzelfall! Die Sachkenntnisse sind im Rahmen alternativer Veränderungsmöglichkeiten in seinem Fall allem Anschein nicht vorhanden. (Denkbar ist jedoch, dass gleiche Handlungsstrukturen auch bei anderen Parteien vorfindbar sind.) Faktenscheck: Auch auf kommunaler Ebene sind Mitspracheformen á la Bürgerrat für den Bürger möglich! Info: bpb-Information
Zitat: In Deutschland haben Bürgerräte bereits auf allen politischen Ebenen getagt, und auch in der breiten Bevölkerung wird ihr Einsatz befürwortet. Zitatende
Zudem wurde in dem geschilderten Fall sachliche Kritik ungeeignet abgewehrt, der offene Diskurs allem Anschein nach nicht besonders beherrscht und wenig souverän reagiert. Die Eingangs – und an anderer Stelle im Blog – angesprochenen Vorschläge, welche die üblichen Verhaltensweisen der Parteien hinterfragen, werden anscheinend nur ungern durchdacht und beantwortet. So wird das beklagte politische Desinteresse beim Wähler nicht durchbrochen. Das „Weiter-so-wie-bisher“ ändert allerdings nichts!
Der Autor versteht, dass Veränderung immer ein schwieriger Prozess ist, aber erst Veränderung ermöglicht neue Wege hin zu direkterer Mitwirkung durch die Bevölkerung als Stärkung der Demokratie. Durch die Wahl der AfD wird dies nicht erreicht und würde ein noch größerer Rückschritt bedeuten. Die repräsentative Demokratie ist zu oft schon an unschöne Grenzen gestoßen – auch die Parlamentarier selbst! Das Prinzip der Gewaltenteilung würde durch Formen der direkten Demokratie wie Bürgerräte nicht abgeschafft, sondern wohl eher dem Einfluss der Parteien-Demokratie mit ihren hierarchischen Strukturen entzogen! Und in der Tat wird dann die Transparenz des Tuns der Mandatsträger größer!
Denn schon Karl Popper formulierte:
“Denn es gibt keine Freiheit, wenn sie nicht vom Staat geschützt wird; und umgekehrt: nur ein Staat, der von freien Bürgern überwacht wird, kann diesen überhaupt ein vernünftiges Ausmaß an Sicherheit gewähren.” – Karl Raimund Popper
Version vom 29.08.2025 / 12:00 Uhr
Ergänzung vom 30.08.2025
Blogbeitrag vom 8. September 2020 zum Thema: Meinungsfreiheit – mancher politische Funktions- und Mandatsträger wünscht sich die Bedeutung „…frei von Kritik und unbehelligt von Analysen zu agieren! (regieren)“
Im Miteinander der politischen Beteiligten (Mandatsträger/Mandatskandidaten und Bevölkerung), wäre es für die Zukunft sinnvoll, wenn ein paar der Kommunikationsregeln (nach Popper) praktiziert würden:
- Man soll niemanden beim Wort nehmen, wohl aber das ernst nehmen, was er gemeint hat.
- Es soll nie um Worte gestritten werden, sondern um die Probleme, die dahinterstehen.
- Kritik muss immer konkret sein.
- Niemand ist ernst zu nehmen, der sich gegen Kritik immunisiert hat.
- Man soll einen Unterschied machen zwischen Polemik, die das Gesagte umdeutet, und Kritik, die den anderen zu verstehen sucht.
Weitere Blog-Beiträge aus dem Archiv (ungeschminkt und aus zeitgeistiger Erkenntnis formuliert!):
Hoffnung als Konzept der Problemlösung?
Verbrannte und entfremdete Begriffe: Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit, Solidarität
Vom Prinzip Hoffnung – Furcht vor der Wahrheit oder Aufbruch in eine konkrete Utopie?
Vom Irrsinn, der wieder Fuß gefasst hat – und bis heute fortgesetzt wird.(Putins Angriffskrieg vom 24.02.2022)
Kurt Tucholsky und der Tanz auf dem Vulkan
Version vom 31.08.2025 / 09:00 Uhr (Korrektur-Ergänzung der Schreibfehler)