„Über Geschmack lässt sich streiten“, lautet ein oft genug erteilter Rat, wenn Mode, Farbe, Design oder auch Kunst, Musik und Architektur betrachtet werden und ein Gespräch zwischen Betrachtern zur Bewertung nicht zu gleichen Ergebnissen kommt. Zuspruch oder Ablehnung liegen bei diesen Themenbereichen „im Auge des Betrachters“ – ein Kompromiss, weil es für diese Bereiche keinen absoluten Maßstab gibt – und ein Disput oder Streit sich nicht lohnen. Man sei auch wohlberaten, dann Toleranz zu üben. Das weitere Miteinanderauskommen zu ermöglichen ist das nachhaltigere Ziel, weiß der kluge Mensch.
Meinungen auszutauschen, gehört wesensmäßig zum Menschsein, weil der Mensch ein soziales, sprich, ein auf andere angewiesenes Wesen ist. Zur Freiheit – als wertvolles Gut des Miteinanderlebens – gehört das Recht auf Meinungsfreiheit. Wer Meinungen unterdrückt, Unterschiede nicht zulässt, handelt menschenfeindlich. Wer nur seine oder eine bestimmte Meinung zulässt, andere ausschließt und realisiert, nutzt dazu Macht in verschiedenen Ausformungen.
Meinungen enthalten über Geschmacksäußerungen (schön, lecker, erbaulich) hinaus oft religiöse oder ideologische Überzeugungen und Wertemaßstäbe (Regeln), die dann beanspruchen, „die“ Wahrheit zu enthalten und die Wirklichkeit zu beschreiben, die nur so und nicht anders sein kann. Oder anders ausgedrückt: wahr oder falsch ist! Auf dem Weg von der Meinung zur Wahrheit geht der Weg über Tatsachen und Fakten. Diese sind anerkannte Maßstäbe, wie Naturgesetze und Mathematik. Eins und Eins sind Zwei! Die Erde ist ein kugelförmiger Planet und keine Scheibe und die Sonne ist ein Stern, um den die Planeten kreisen. Es sind überprüfbare Fakten, die als Wertmaßstäbe funktionieren. Sie sind objektiv und nicht der subjektiven Willkür unterworfen. So lässt sich das Sonnensystem mit seinen begründbaren Gesetzmäßigkeiten erklären. Aus diesen faktenorientierten Erkenntnissen erwächst Wissen, dem der Mensch vertrauen kann.
Meinungen, die nicht begründbar sind, und einer Überprüfung nicht standhalten, sind keine Tatsachen und können daraus auch keine Wahrheit ableiten. Wer belegbare und begründbare Tatsachen als „Fake“ und Lüge bezeichnet, eine Umdeutung willkürlich vornimmt, hat üble und antidemokratische Absichten. Wer Meinungen unterdrückt, Tatsachen ignoriert, anstelle der nachprüfbaren Fakten eigene Behauptungen aufstellt und mit Gewaltandrohung die Mitmenschen nötigt und erpresst, kann dies nur umsetzen, wenn er die Macht hat und diese missbraucht. Exemplarisch dafür stehen Trump und Putin. Sie verdecken aufgrund der Machtergreifung noch nicht einmal mehr ihre Lügen. Sie erklären sie zur Wahrheit im Sinne des „Wahrlügens“ nach Hannah Arendt. Selbst Verfassung und Gewaltenteilung ignorieren sie, weil die vielen Mitläufer und Anhänger dieser Despoten und Lügner Machtverhältnisse mit geschaffen haben, von denen Wissen und Realität abhängig sind und deformiert werden.
Bei Trump und Putin bemisst sich Wahrheit an der durch Macht vermittelten ideologischen und befohlenen „Überzeugung“ mittels der erpressten und willkürlich praktizierten Realität, also des kohärenten, sprich zusammenhängenden menschenverachtenden Systems. (Kohärenztheorie) Die Überzeugung, dass Trump der richtige Präsident ist, wird dadurch zur Wahrheit, dass sie mit anderen Überzeugungen zusammenhängen, weil z.B. Trump im Weißen Haus residiert. Weil er Dekrete öffentlich unterschreibt und diese illegalen Taten gute Gründe für seine Anhänger sind, obwohl sie gleichzeitig Verstöße gegen die Verfassung sind und die Gewaltenteilung umgeht oder manipuliert.
Eine „Theorie der Wahrheit“, die von Aristoteles konstatiert wurde mit der Feststellung: „dass das, was ist, ist und was nicht ist, nicht ist, das ist wahr“, steht als Korrespondenztheorie der Kohärenztheorie diametral entgegen. Es ist eine Tatsache, dass Trump und Putin jeweils Präsidenten sind. Das ist wahr und korrespondiert mit der eigenen Wahrnehmung. Es sagt jedoch nichts über die Qualität des Präsidenten, noch über die ethisch-moralische Integrität dieser Leute aus. Feststellbar bleibt dafür jedoch, dass beide autoritäre, menschenfeindliche Machtinhaber, Lügner und Egomanen sind.
Neben der Kohärenztheorie und der Korrespondenztheorie formulierte Jürgen Habermas als entscheidendes Kriterium für Wahrheit die Konsensfähigkeit durch den Diskurs, heißt, durch das ausgehandelte und miteinander vereinbarte Absprechen aufgrund der gegeneinander ab gewägten, besseren Argumente. Eine deutlich demokratischere Art der Wahrheitsfindung und Bestimmung als jene des Trumpschen „MAGA – Make Amerika great again“- Zusammenhalts.
Die wurde und wird durch Trump und Kohorten aus der MAGA-Sicht mit Gewalt, Intoleranz und Ignoranz durchgesetzt mittels folgender Vorgehensweisen:
- Delegitimieren – das ist der Ausschluss der Opposition und des Wettbewerbers durch Zensur, illegalen Verhaftungen, mit Lügen, Erpressungen, Drohungen und Entzug der Finanzierungsgrundlagen. (Trump im Umgang mit Wissenschaftler und Universitäten, mit der Presse und den Medien; mit der Strafverfolgung durch rückgratlose Feiglinge in der Exekutiven und Legislativen)
- Resignifizieren – Um-Deutung der Begriffe (Alice Weidel mit der Aussage: Hitler sei ein Kommunist gewesen! Und aus dem AfD-Vokabular wird der National-Sozialismus der Nazis ein „Sozialismus“) Quelle: Volker Weiß in seinem Buch „Das deutsche demokratische Reich“.
- Bullshitten – Verbreitung von Aussagen, die sich als „Tatsachenbehauptungen verkleiden“, doch real faktenfreie Verbreitung von Inhalten, die zum Teil mit KI erstellt werden. Unterscheidung zwischen Wahrheit/Echtheit und Unwahrheit/Fälschung werden erschwert und trüben die Einschätzungsfähigkeit.
- Framing – wie beim Kippbild des „Hasen-Enten-Kopf“ lässt sich das gleiche Bild ohne Änderung der Teile zu etwas ganz Anderem interpretieren. Der Unterschied liegt darin, , die Deutung seriös zu ergründen und den Effekt zu beschreiben, oder propagandistisch auszukippen.
Durchsetzungs-Strategien (Quelle der Definitionskategorien: Philomag 4/2025)