Die Berliner Zeitung interviewte die Soziologin Katja Salomo zum Thema der „Demografischen Lage Ostdeutschlands“. Am Beispiel ihrer Geburtsstadt Liebstadt, einer Kleinstadt in Sachsen, stellt sie die Lage im Osten Deutschlands dar.
Dr. Katja Salomo (*) gibt Einblick in ihre Forschungsergebnisse, die auf Ursachen für den krassen Unterschied im Denken und Handeln der dortigen Bevölkerung zur Bevölkerung im Westen verweisen würden. Welche Folgen sich für den Lebensalltag der Jungen und der Alten sich daraus ergaben – für die politische Einstellung, die gesellschaftliche Veränderungen, den Erfolg der rechtsextremistischen AfD – wird im nachfolgende Text aufgeführt.
Faktenlage aufgrund empirischer Untersuchungen
Statistische Ergebnisse geben zunächst einmal eine objektive und reale Situation wieder.
- Die Bevölkerung in Ostdeutschland schrumpft seit der Wende weiter!
- Die Überalterung ist weltweit vergleichbar und nur Japan übertrifft diese Entwicklung.
- Das Verhältnis von Kindern zu Erwachsenen ist ebenfalls bedenklich und wird weltweit nur von wenigen Ländern noch ungünstiger dargestellt.
- Der Überschuss an Männern im heiratsfähigen Alter ist dramatisch.
Fazit der Soziologin:
Zitat: „Das Einzigartige an Ostdeutschland ist, dass hier alles zusammenkommt: Überalterung, Kindermangel und Männerüberschuss.“ Zitatende
Im Rückblick auf die Geschichte der DDR und auf die letzten 35 Jahre seit der Wende erlebte der Osten drei große Abwanderungswellen, die einen Verlust an gut ausgebildeten Menschen für das Land bedeuteten:
- Auswanderung bis zum Mauerbau
- Abwanderung in den Jahren 1989-1994
- Abwanderung in den Jahren 2000-2005
Und der oben schon genannte statistische Beleg des Überschusses an Männern im Osten korreliert mit der sinkenden Geburtenrate, weil viele Frauen ihren Lebensbereich mit für sie vorhandenen Arbeitsangeboten und daraus neuen Lebenspartnerschaften mit Männern im Westen gefunden haben. Zurückgeblieben sind Männer, die eventuell in Industriestandorten im Osten (Braun-Kohle) oder in den Städten des Ostens bisher Arbeit fanden. Das hat sich mit der Energiewende jedoch bis heute auch negativ entwickelt.
Hinzu kommt, laut der Untersuchungsergebnisse Salomons, dass 60-80% der Bevölkerung in ländlichen Gebieten leben. Die fehlenden Infrastrukturen im Verkehr (öffentlicher Verkehr), den Bildungsangeboten, in der Gesundheitsversorgung, in der Grundversorgung der alltäglichen Lebensmittel und Haushaltswaren (fehlende Einkaufsmöglichkeiten), in Arbeitsangeboten und in Kultur- und Freizeitangeboten hat ein riesiges Gefälle vom Landleben im Vergleich mit dem Leben in den Städten bedingt.
Lediglich in den großen Städten von Leipzig, Dresden, Berliner Umland und den Tourismus-Orten an der Ostsee sind die Bedingungen günstiger.
Zitat: „Im ländlichen Raum sind Überalterung, Kindermangel und Männerüberschuss noch höher. … Im Osten wandern die Menschen aber nicht nur vom Land in die Städte, sie wandern oft in die westdeutschen Städte. Der Osten bleibt trotzdem eine ländlich geprägte Gesellschaft. 60 Prozent der Ostdeutschen leben nach der Klassifikation des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung in ländlichen Gebieten. 1990 lag der Wert sogar noch bei 80 Prozent. Der Osten hat eine komplett andere Siedlungsstruktur als der Westen, wo nur 26 Prozent im ländlichen Raum leben.“ Zitatende
Im Osten steige weiterhin der Anteil der „relativ deprivierten Menschen“, also jene, die sich abgehängt fühlen oder es objektiv sind. Damit öffne sich das Feld für die AfD und ihre antidemokratische Agenda.
Kommentar des Autors dieses Beitrages:
Mit der lahmenden Wirtschaft in ganz Deutschland durch die Pandemie, die erpresserische Zollpolitik Trumps seit Anfang 2025, die sich ausbreitenden Manipulation der AfD mit Affinitäten zum Rassismus, Antisemitismus, Vorurteilen, Fremdenhass und Vertrauensverlust in die Demokratie steigen nicht nur in Ostdeutschland die Zahl der Menschen, die sich abgehängt fühlen! Der politisch von den Unionsparteien CDU/CSU vorgesehene Veränderungsdruck auf die arbeitsuchenden Menschen vom „Bürgergeld“ weg zur sanktionsorientierten Grundversorgung mit aggressiver Agenda bei der Jobcenter-Aufgabe ist sowohl ursächlich für diese Belastung wie auch insgesamt gesellschaftlich kontraproduktiv!
Liebstadt in Ostsachsen als exemplarisches Beispiel
Am Beispiel ihrer Heimatstadt interpretiert die Soziologin Salomon wie folgt:
Der Verlust von Infrastruktur: „Im Westen ist es nicht so prekär wie hier“
- Wie es einmal war:
Zitat „Vor 30 Jahren gab es hier Bäcker, Fleischer, die Post, ein Modegeschäft, ein Elektrogeschäft, einen Fischladen, ein Schmuckgeschäft, eine Drogerie, mehrere Lebensmittelläden, ein Restaurant mit Kneipe, eine Tankstelle, eine Grund- und Mittelschule, Krippe und Kindergarten, einen Jugendklub, ein Schwimmbad.“ Zitatende
- Wie es nun ist:
Zitat: „Es kommt nur noch ein Bäckerwagen. Es gibt noch die Grundschule und den Kindergarten, den hat die Kirche übernommen. Seit kurzem auch wieder einen Kiosk, der auch DHL-Pakete annimmt, so ein schönes Holzbüdchen. Alles andere ist weggefallen.“ Zitatende
- Folgen:
„Die Gemeinde hat etwa 3000. Ja, auch im Westen ist auf dem Land viel weggebrochen, aber es ist nicht so prekär wie hier. Die Menschen spüren, dass das Leben anderswo einfacher ist. Und sie reagieren empfindlich, wenn sie den Eindruck haben, dass für eine andere soziale Gruppe scheinbar viel Aufwand betrieben wird, etwa für Migranten. Sie haben das Empfinden: Dann ist noch weniger für uns da.“
- Einfallstor für die AfD:
„In Regionen, in denen Überalterung und Männerüberschuss hoch sind, wird auch im Westen die AfD stärker gewählt. Im Westen kann man noch einen Zusammenhang mit einer höheren Arbeitslosigkeit beobachten. Es sind ähnliche Prozesse, die in solchen Regionen ablaufen. Es gibt die Angst: Unsere Leute gehen, fremde Leute kommen. Man fühlt sich abgehängt.“
Kommentar:
Fazit: In ihrer Schlussfolgerung formuliert die Soziologin, dass sich die AfD auf die ländlichen strukturarmen Regionen fokussiere. Das aber gilt nicht nur für den Osten Deutschlands, sondern in westlichen Regionen, in denen ein wirtschaftlicher Umbruch stattfindet und in denen deutlich mehr Migranten Clan-artig ganze Stadtteile vereinnahmen, sind Kommunen kaum in der Lage, notwendige Gemeinwohlprojekte zu realisieren. Die Einnahmeseite der Landeshaushalte und des Bundeshaushaltes wurde seit Jahren vernachlässigt. Weder die Reform der Erbschaftssteuer, noch die Vermögenssteuer oder die Rückforderungen der CUM-CUM-Betrugsaktivitäten – rund 28 Mrd. Euro müssten eingetrieben werden – wurden durch die Regierungs-Koalitionen aktiv angegangen! Aktive Staatsanwaltschaften und Steuerfahnder wurden „mundtot“ gemacht (Brorhilker).
Zudem ist der Niedergang des Wirtschaftsstandortes Deutschlands auch durch Fehlentscheidungen der Unternehmensführungen (z.B. im Automobilsektor) verursacht, die ihr Engagement auf neue Märkte (China, USA) ausgelagert haben, damit aber die Standorte in Deutschland schwächten, indem der Wissensexport in diese Regionen verlagert wurde. So haben die Unternehmen sich in Abhängigkeiten gebracht, statt die eigene Unabhängigkeit zu stärken. Die Folgen zeigen sich in einer wachsenden Krise mit hohen Verlusten von Arbeitsplätzen durch die Personalentlassungen in den Unternehmen!
Mit der Person Trump steigt sein Anfang 2025 (Zoll-Erpressungs-Aktionen) die Abhängigkeit vor allem auch, weil eine große Portion Willkür die USA nicht mehr als verlässlichen Partner erscheinen lässt. Versäumt wurde auch in Deutschland und in der EU, die digitale Unabhängigkeit zu installieren. Stattdessen liefert sich Deutschland und die EU komplett den Technologieführern der USA und China aus (Clouds und KI)!
Mag sein, dass die AfD und ihre rechtsextremistische Jugendgruppen in einigen ländlichen Orten eine Pseudo-Infrastruktur schaffen. Das erfolgte im Westen selbst in den Mittelstädten durch soziale Einrichtungen kirchlicher und städtischer Träger schon seit Jahrzehnten. Doch Kinderfeste, Bücherbörsen und Heimatvereine konnten nicht verhindern, dass die AfD auch im Westen steigenden Zuspruch und Wahlerfolge verzeichnen kann. Die Ursachen für diese Entwicklung müssen deshalb auch in anderen Bereichen liegen.
Zitat Salomon: „Es sind im Osten übrigens ja nicht die Älteren, die noch von der DDR geprägt sind, die am stärksten die AfD wählen, sondern die Jüngeren – vielleicht leiden sie auch stärker unter dem Verlust der Infrastruktur. “
Das mag zwar ein Faktum sein, jedoch sollte eher das Augenmerk auf die Einflüsse der sozialen Medien gelegt werden, die von der AfD in der ganzen Breite der Manipulationsmöglichkeiten genutzt werden! Statt NGOs zu schwächen (durch Förderentzug), die zur Befähigung der Menschen beitragen, diese AfD-Beeinflussungen durchschauen zu können, werden diese Maßnahmen durch die Mehrheit der Unionsparteien CDU/CSU (Phillip Amthor als Gesicht dieser Pläne) eingestellt.
In diese Gemengelage der Unzufriedenheitsbegründung der Bevölkerung gehört auch der Versuch der Unions-Jugendvertretung, durch eine „Rentenreform“, deren neoliberale Agenda aus allen Poren dringt, mit dem Ziel, die gesetzliche Rentenversicherung zu schwächen. Diese Aktivisten der Privilegierten scheinen das Solidarprinzip gegen ein Aktienorientiertes Rentensystem opfern zu wollen! Das ist vor allem auch ein Ziel des Finanz- und Börsen-Neoliberalismus á la BlackRock-Gesinnung!
Quelle der Zitate: Berliner Zeitung
Der Abbau der „Brandmauer“ gegen Rechtsextremismus durch die Union steht zu befürchten!
(*) Ergänzung zur Soziologin Dr. Katja Salomon