Johannes von Heinsberg – Bildsprache – Wortsprache

Fotografie und Philosophie – Sehen und Erkennen

Aufklärung – von Kant über Adorno/Horkheimer bis Foucault

Schattenself-31

Entmythologisierung als Ziel der Aufklärung

„Es ist nur zu wahr, daß die Liebe zur Freiheit auch ihre Heuchelei und ihre Tartuffe hat. Man erkennt sie an ihrem Hasse gegen Aufklärung und Philosophie, an ihrer Geschicklichkeit, den Vorurteilen und den Leidenschaften des Volkes zu schmeicheln.“ –  Armand Gensonné (1758 – 1793 (hingerichtet), französischer Politiker

Aufklärung – ist vordergründig ein eher harmloser Begriff, der uns im Alltag des Öfteren begegnet. Wer Kinder hat, erlebt eine bestimmte Lebenszeit nicht immer stressfrei. In der Schule gehörte die damit verbundene Aufgabe für den Lehrer zu seinen Lehrplanpflichten. Im politischen Leben erfolgt Aufklärung institutionalisiert in Untersuchungsausschüssen und bedeutet für manchen Betroffenen nicht immer humorvolles Aufeinandertreffen. Geschichtlich wird eine ganze Epoche mit dem Begriff gekennzeichnet.

Philosophen beschäftigten sich mit der Bedeutung der Aufklärung für die Gesellschaft. Da wird niemand an dem Text von Immanuel Kant „Was ist Aufklärung?“ vorbeikommen, der aus: Immanuel Kants Werke. Band IV. Schriften von  1783-1788 stammt und in diesem Blog schon mehr zitiert wurde. Die einleitenden Sätze dürfen an dieser Stelle nochmals zitiert werden:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“  

Kant ist nicht der einzige Philosoph, der sich mit der Bedeutung der Aufklärung – auch im Sinne seiner Frage, welche Erkenntnis über Erkenntnis möglich ist und welche Grenzen die Erkenntnis hat – beschäftigte. Was Adorno und Horkheimer mit ihrem Werk „Dialektik der Aufklärung“ facettenreich erweiterten, endet auch mit Michel Foucaults Kommentar zu Kant in „Qu’est-ce que les Lumières?“ nicht. Für Foucault ist Aufklärung die Frage der Vernunft im Rahmen ihrer geschichtlichen Entwicklung. Nach seinem Verständnis ist jede Doktrin ein Widerspruch zum Wesen von Aufklärung, dagegen ist die Haltung, ständige Bereitschaft zu Kritik an der Entwicklung der Gesellschaft zuzulassen, ein essentieller Bestandteil von Aufklärung.

Adorno und Horkheimer haben angesichts der faschistischen Diktaturen in den 1930er Jahren ihre „Dialektik der Aufklärung“ als radikale Kritik entwickelt und den Vernunftbegriff der Aufklärung in den Mittelpunkt ihrer kritischen Begutachtung gestellt. Monopolistischer Kapitalismus und Faschismus sind Herrschaftsformen, denen die Menschen nichts mehr entgegen zu setzen hatten. Ihre Analyse beruht auf der These, dass in der Menschheitsgeschichte die Selbstbehauptung des Subjekts eine „instrumentelle Vernunft“ herausgebildet hat, die sich als Herrschaft über innere und äußere Natur artikuliere. Aufgrund dieses Charakters der  Vernunft – wo bleibt da allerdings der kategorische Imperativ Kants als moralisch-ethischer Lösungsweg der Aufklärung? – verliere Aufklärung ihre befreiende Kraft. Selbstbesinnung und Selbstkritik setzen Adorno und Horkheimer gegen die zerstörerische Auflösung der Aufklärung als Korrektiv.

Die Aktualität der Erkenntnisse von Adorno und Horkheimer sowie von Foucault ist wieder gegeben, wer die verfassungsbrüchige Zielsetzung der „Armseligkeit für Deutschland“ (AfD) in ihrem Programm betrachtet. Wer Religionsfreiheit gegen das in der Verfassung gegebene Recht einschränken will und diese Einschränkung nur auf den Islam bezieht, hat eindeutig rassistisch-faschistische Ziele und Verhaltensweisen. Denn zur Durchsetzung dieser Ziele gehören dann wohl auch die Ausgrenzung, die Ausweisung und die Mythologisierung von undemokratischer Haltung und Gesinnung. Ob Frau von Storch auch für die Umsetzung dieser Ziele den Schießbefehl geben würde, bleibt nicht nur eine rhetorische Frage.

Zur Aufklärung gehört auch die Aufmerksamkeit. Sie ist gleichsam die Haltung einer aufgeklärten Gesellschaft und eines aufgeklärten Individuums. Warum Aufmerksamkeit zu den kulturellen Fertigkeiten gehört, die zugleich demokratieerhaltend sind, soll in einem weiteren Text nachfolgend erläutert werden.

Version vom  13. Mai. 2016 um 11:51 Uhr – neu veröffentlicht am 13.04.2024

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