Johannes von Heinsberg – Bildsprache – Wortsprache

Fotografie und Philosophie – Sehen und Erkennen

Gesinnung versus Verantwortung in Regierungen, Politik und Demokratie – von Freiheit und Sicherheit

Deichbruch bei der notwendigen Verantwortungsethik 

Denn es gibt keine Freiheit, wenn sie nicht vom Staat geschützt wird; und umgekehrt: nur ein Staat, der von freien Bürgern überwacht wird, kann diesen überhaupt ein vernünftiges Ausmaß an Sicherheit gewähren.“ – Karl Popper 

Angesichts der drohenden Gefahren für die demokratische Gesellschaft insgesamt, sowie der  Gefahr für den Einzelnen durch Messer-Angriffe und körperliche Gewalt wächst für viele Bürger das Gefühl, dass immer weniger Schutz gegen fundamentalistische Täter aus dem politischen wie religiösen Extremismus vorhanden ist.

Landesregierungen wie auch die Bundesregierung stecken in der Zwickmühle, einerseits das geschwundene  Sicherheitsgefühl bei der Bevölkerung wieder herzustellen, andererseits kaum zusätzliche Personalressourcen bei der Polizei als Ordnungskraft und in der Prävention zur Verfügung zu  haben, um gegen die real gestiegenen Zahlen von Gewalttaten – auch durch immer mehr Jugendliche und Heranwachsende  – die Sicherheit für die Bevölkerung zu garantieren. Aktuell nimmt NRW-Innenminister Reul (CDU) im Zuge der Solingener Messer-Attacken mit einem zehn Punkte Katalog Stellung

Fakt bleibt, dass die Gewalttaten mit Messern im letzten Jahr gestiegen sind. Die Gefährdungslage gegen Messerangriffe im öffentlichen Raum ist definitiv vorhanden. In der Online-Ausgabe von „Die Welt“ wird berichtet:

Zitat: Einem neuen Lagebild zufolge ist die Messergewalt im vergangenen Jahr im öffentlichen Raum in NRW um fast 43 Prozent auf 3.540 Fälle gestiegen. Dabei starben 15 Menschen. 94 Prozent der Verdächtigen seien Männer gewesen, 55 Prozent waren Deutsche und 45 Prozent Nichtdeutsche. Fast 40 Prozent seien Jugendliche und Heranwachsende gewesen. Zitatende 

Die gesamtgesellschaftliche Lage ist in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr ins Negative gedrängt worden. Prägende Bausteine dafür sind: Mitgefühl und Mitmenschlichkeit sind gesunken. Egoismus hat Solidarität verdrängt. Toleranz ist durch engstirnigem Fundamentalismus ersetzt worden. Das Prinzip – der körperlich oder finanziell Stärkere hat Recht – wird zum Verhaltensstandard. Emotionen übertrumpfen Vernunft und steuern das Verhalten. Statt Meinungsaustausch und Diskurs wird Hass und Vernichtung praktiziert.  Dafür ist die Gewaltbereitschaft gestiegen. Anti-demokratische Parteien und Personen (AfD und Höcke) nutzen die Verunsicherung und verbreiten Narrative über soziale Medien (TikTok / X-Twitter) und erzeugen falsche Hoffnungen durch autoritäre Konzepte. Sie wirken brandstiftend für gewaltbereite Teile der Bevölkerung!

Real Gesinnung- statt Verantwortungsethik / notwendig Verantwortungs- statt Gesinnungsethik 

Was bedeutet es, sich verantwortungsethisch politisch, beruflich und privat zu verhalten? Ist ein gesinnungsethisches Verhalten eine Abgrenzung oder sogar das Gegenteil von verantwortungsethischem Denken und Handeln? Wäre dann im Hegelschen Sinne der Dreiklang von These, Antithese und Synthese ein brauchbares Erklärungsmuster einerseits zur Unterscheidung und darüber hinaus mit der Synthese ein Schritt zur Versöhnung mutmaßlicher Gegensätze? Oder führt diese „Triade der Erkenntnissteigerung“ nicht in die Irre?

Und wie nimmt ChatGPT auf diesen Prozess Einfluss? Ermöglicht ChatGPT als KI- gestützte Textproduktion mit seinen  „selbstlernenden Strukturen“ bei der Verwertung riesiger Datensammlungen eine nur scheinbar falsifizierte und verifizierte
Erklärung für die Probleme? Sind tatsächlich Lösungen durch diese Formate zu erwarten? Um Vertrauen in diese Technologie zu gewinnen, sind vor allem die Rahmenbedingen zu durchleuchten. Es fehlt vor allem an der Transparenz, auf welches Quellenmaterial die so erstellten Texte sich beziehen.

Der nachfolgende Textabschnitt ist ein Beispiel für einen so generierten Text durch ChatGPT auf die Anforderung:
„Erkläre und erläutere anhand von Beispielen, was Hegel mit „Dialektik“ gemeint hat!“

Als Antwort produzierte ChatGPT: 

„Ein Beispiel für die Anwendung der „Hegelschen Dialektik“ wäre der Konflikt zwischen der Freiheit des Individuums und der Notwendigkeit einer stabilen und gerechten Gesellschaft. Die These ist die Bedeutung der individuellen Freiheit, während die Antithese die Bedeutung der sozialen Stabilität und Gerechtigkeit ist. Die Synthese besteht darin, einen Kompromiss zu finden, der sowohl die persönliche Freiheit als auch die Stabilität und Gerechtigkeit der Gesellschaft berücksichtigt.“

Ist nicht gerade Hegels „Idealismus“ und seine „Phänomenologie des Geistes“ sowie seine Formel vom einfachen Bewusstsein, über
das Selbstbewusstsein hin zum Weltgeist das Denken und die geistigen Fähigkeiten der Menschen zu entwickeln, ein vergeblicher Traum, der gerade Verantwortungsethik verhindert, in dem der Ansatz der „Synthese“ zur Verwässerung und zu faulen Kompromissen führt, aus dem die Politik im Wesentlichen besteht?

Am Beispiel der Ampel-Koalition und den auseinanderdriftenden Zielen der drei Parteien lässt sich nachvollziehen, wie Politik und die beteiligten Teile der Koalition reine Gesinnung betreiben, die im Kern nur eine Gemeinsamkeit haben:

Der jeweiligen eigenen Klientel und ihren Interessen als verlängerter Arm zu dienen, wobei der eigenen Zukunftssicherung und den der Parteifunktionären das größte Augenmerkt gilt. Völlig außeracht gelassen bleibt die Verantwortung für die Belange des Gemeinwohls und der Daseinsfürsorge der Bevölkerung einerseits, wie andererseits auch die Abwehr der Feinde der demokratischen Gesellschaft völlig aus den Augen verloren ging. Darunter leidet die Ausgewogenheit zwischen Freiheit und Sicherheit. Alle Lebensbereiche der staatlichen Kontrolle und Überwachung zu unterwerfen ist keine Sicherheit, sondern ein Schritt zum autokratischen Totalitarismus. Damit entsteht zudem eine Struktur, die im Falle des Machtwechsels durch Wahlmehrheit für anti-demokratische und völkische Parteien á la AfD ihren autoritären und autokratischen Zielen in die Hände spielt. 

Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.“

– betonte der Philosoph der Frankfurter Schule Theodor W. Adorno in seiner Schrift „Minima Moralia“. 

Was für die Politik und die Politiker im öffentlichen Handeln gilt, betrifft das Verhalten jedes Menschen ebenso in seinem beruflichen und privaten Umfeld. Abgesehen von den systemischen Mängeln des deutschen Schulsystems (Personalmangel, Sachmängel durch Investitionsstau, Mängelverwaltung) ist vor allem das persönliche Versagen bei den Pädagogen oft genug Ursache für den Verlust der Freude am Lernen bei den Schülern. Wer beobachtet, wie schnell die Freude an der Wissensvermehrung und die Neugier durch fragliche Lehrergesinnung – gepaart mit Macht und Willkür – verloren gehen und das Leben von Schüler:Innen unerträglich macht, kann nur dazu auffordern, dass die am schulischen Prozess beteiligten Teile (Lehrer, Eltern, Schulleitung/Schulaufsicht) an einem Strang ziehen müssen. 
Denn für den verständlichen Frust bei Lehrern durch die Belastungen aufgrund der systemischen Mängel darf niemals die Verantwortung für die Schüler durch Gesinnungshandeln ersetzt werden. In der Sprache gegenüber Schülern wird diese ersichtlich. Weder für die Rahmenbedingungen im Schulsystem, noch für familiäres Versagen können die Kinder und Jugendlichen im Geringsten etwas.

Familie, Schule und Staat sind Einflussfaktoren, ob eine Gesellschaft verantwortungsethischen Grundsätzen folgt mit dem Ziel, Freiheit nicht ohne die Freiheit des anderen zu denken. 

Auch Sicherheit, die nicht zur Überwachung führt und Solidarität als Basis einer gerechten Gesellschaft sieht, sind Bausteine einer Verantwortungsethik. Adorno verwendet den Begriff „Ontologie des Negativen“, um seine Ansicht auszudrücken, dass die Welt von Entfremdung und dem Leiden der Menschen durchzogen ist. Er argumentiert, dass das Negative ein inhärenter Bestandteil unseres Daseins ist und dass wir durch unsere Erfahrungen des Negativen eine tiefere Einsicht in unser Wesen und in die Welt gewinnen
können. 

Mit „Kritik der instrumentellen Vernunft“ meint Adorno, dass die Vernunft in der modernen Gesellschaft weitgehend auf ihre
Instrumentalität reduziert wurde. Statt dazu beizutragen, die Welt zu verbessern, wird die Vernunft oft genutzt, um die Bedürfnisse und Interessen der Menschen zu manipulieren und zu kontrollieren. Adorno kritisiert diese Instrumentalisierung der Vernunft als eine Form der Entfremdung, die zu einer Verzerrung unserer Wahrnehmung der Welt führt und unsere Fähigkeit zur Selbstbestimmung beeinträchtigt.

„Gesinnungsethik“ bedient sich einer Zielsetzung, in der der persönliche Vorteil und die Durchsetzung einer Gesetzgebung zum Vorteil einer bestimmten privilegierten Gruppe das Denken und Handeln bestimmen, welche auch verantwortlich sind für die
Spaltung der Gesellschaft. 

Es bleiben die Fragen unbeantwortet, ob die errungene Macht und der Einfluss á la Google, Microsoft, Musk-Twitter, BlackRock Inc. und Co. als „lebensweltliche Resistenzen“ (Harald Welzer) unveränderlich sein sollen? Diese Faktoren weltlicher Macht müssen durch verantwortungsethisches Denken und Handeln der noch bestehenden demokratischen Staaten aufgelöst werden. Denn 99 Prozent der Menschheit wird durch das restliche Prozent und ihre Gesinnung nicht mitgedacht, sondern unternehmerisch als „Wertschöpfungsfaktor“ kategorisiert. Auf dem Weg zu ihrer Vorstellung von „Freiheit“ wird die Freiheit der Mehrheit der Menschen nicht mitgedacht und findet keine Berücksichtigung. 

Solange aber Parteien in Koalitionen Regierungsmachtpositionen erlangen können, die der Idee und dem System des unbegrenzten
Wachstums und eines angeblichen „freien Marktes“ bedingungslos
das Wort reden, solange wird außerhalb des privilegierten Prozents der Rest der Menschheit nur Verfügungsmasse bleiben. Leider ist mit der Ampelkoalition keine Alternative entstanden, die die Verantwortungsethik in den Mittelpunkt ihres Denken und Handelns stellt. Es ist jedoch ein Irrtum, wer glaubt, die AfD sei eine echte Alternative. 

„Nicht die Dinge selbst, sondern die Meinungen von den Dingen beunruhigen den Menschen.“ – Epiktet 

Noch beunruhigender aber ist die Machtgier der schon oben genannten Agierenden in Form der riesigen Finanzmacht, mit der sie jegliche Richtung der Lebensumstände der meisten Menschen bestimmen können. Und das in einer totalitären Form, die Hannah Arendt schon in der Beschreibung der Politik beschrieb aus ihrer Erkenntnis darüber, was das Ziel totaler Herrschaft sei: „… die Vernichtung menschlicher Individualität, Spontanität (als Katalysator für Kreativität) und Pluralität.“  (Arendt gibt damit vorab schon eine Beschreibung, die zielgenau auf die AfD und ihre Gesinnung passt!)

Jene Auswirkungen, die Arendt für den Totalitarismus der Nazi- und Stalin-Diktatur beschrieb, aktuell aber in den geopolitischen Aktionen von Putin, Xi Jinping und anderer Diktatoren ebenso zu finden sind, wie in den ungebremsten Ego-Visionen eines Elon Musk, Jeff Bezos oder eines Larry Fink (CEO BlackRock) und den Investoren in KI.

 

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