Acht Menschen unterschiedlichen Alters finden in Köln zu einem bezahlten Fotokurs zusammen. Am Treffpunkt gesellt sich der gebuchte, respektive beauftragte Kursleiter dazu. In der üblichen Kennlern-und Vorstellungs-Runde auf einem Vorplatz der Kirche des Stadtviertels endet bei sieben der Teilnehmer ihre Erwartungen am Kurs zu formulieren mit dem Teilsatz: „… und Spaß haben!“ Dieser emotionale Wert steht allem Anschein nach in der Rangliste der Erwartungen an den Kurs ganz oben, noch vor dem fachlichen Mehrwert und dem Austausch und Feedback der fotografischen Gestaltungsergebnisse.
Was aber versteht jeder der Teilnehmer konkret unter „Spaß haben“? Oder ist dies die minimalste erhoffte Erwartung an den Gegenwert für den nicht unerheblichen gezahlten Buchungsbetrag in Höhe von 99,- € für vier Stunden unstrukturiertem Spaziergang durch die Stadt? Die inhaltliche Ausfüllung von „Spaß“ bleibt derweil völlig diffus!
Für den Beobachter kann die Antwort auf die Fragen – was „Spaß haben“ sein könnte – nur in Form von Vermutungen formuliert werden. Die Bandbreite der Teilnehmer reicht allem Anschein nach: vom dreißigjährigen Vater, der sich dem stressigen Familienleben für einige Stunde entziehen möchte, über die weiblichen Singles bis zu dem Rad fahrenden Rentner und den weiteren neugierig auf Tipps wartenden Teilnehmern. Mutmaßlich scheint auch die Motivation für die Teilnahme am Kurs breit angelegt zu sein, vom „das Gruppengefühl genießen wollen, um dem Alleinsein entfliehen zu können“ bis zur Motivation, „fotografisch dazu lernen zu wollen“!
„Spaß haben“ haben kann der Mensch als aktiv Tätiger oder als passiv Konsumierender. Aktiv Spaß machen, das findet sich beim Schabernack treiben wieder wie auch beim Witze zu erzählen. Eine Form, die nicht unbedingt ohne Opfer auskommen kann. Da ist der Spaß dann nur auf einer Seite.
„Spaß zu haben“ kann durchaus auch dafür stehen, eine Tätigkeit gerne zu machen. „Spaß zu haben“ bedeutet, kreativ im Kunst-Handwerk tätig werden zu können, um in der Freizeitgestaltung einen Ausgleich zum ungeliebten Job zu finden. Dort, wo die Zufriedenheit über das eigene, dazugewonnene Können die Motivation für kreatives Schaffen bedeutet, kann diese Tätigkeit als Form des „Spaßhabens“ verstanden werden.
Wer hinschaut aufs eigene Leben und auf das der Mitmenschen, der wird sehen, dass das tätige Leben (Vita activa – Hannah Arendt) bis in die Gestaltung der Freizeit hineinreicht, wobei die Emotionen die Entscheidungs- und Beeinflussungsebene dominieren. Wer an einem Fotokurs mit seinem teuren digitalen Equipment teilnimmt, hat die Freiheit, diesen Besitz zu genießen. Ob sich dabei das Gefühl einstellt, dass damit Zufriedenheit und Resilienz-Potenzial sich ergeben, bleibt ungewiss. Denn die Fähigkeit zur Muße und Distanz zur Arbeitswelt als Bedürfnis, einen Abstand dazu zu erhalten, bedeutet, das Betrachten dessen, was ist und was getan wird, als „Vita contemplativa“ realisieren zu können.
Das steht jedoch in Konkurrenz zu folgenden Einflüssen: Gefühle entstehen nicht mehr in uns, sondern in den Räumen von Freizeit und Arbeit, die ebenfalls zunehmend von rastlosen Dingen beherrscht werden. Den Fotokurs als unstrukturierten Spazier-Gang durch die lärmende Stadt zu machen, hat eher das Potenzial zu scheitern, weil der Rhythmus der geschäftigen Stadt das Ziel, sich Zeit zu lassen – auch für die fotografische Gestaltung und Erfassung der Atmosphäre eines Stadtviertels – nicht erreichen lässt.
„Nur der Zuschauer und geduldige Betrachter kann wissen und verstehen, was sich ihm an fotografischen Motiven darbietet!“ In diesem Erkenntnisumfeld stellt sich dann ggfs. Zufriedenheit über die erfassten Bildgeschichten ein.
„Spaß haben zu können“ am fotografischen Erfassen des Lebens bedeutet, sich Zeit zu lassen, um die Fähigkeit zur Kontemplation zu entwickeln, die Bedingung für Empathie, Toleranz und Menschenfreundlichkeit und die Grundlage für zweckfreie Begegnungen in der Welt sind.