Für viele Menschen ist es leichter, in geschlossenen Gesellschaften den „Sinn“ ihres Lebens zu finden. Es ist bequemer für den Einzelnen, wenn Regeln und Normen vorgegeben sind und für richtig erklärt werden, auch wenn sie immanent das destruktiv und menschenverachtende Böse beinhalten! (Daraus zog auch die Diktatur Hitlers ihre Macht und machte die Kriegsverbrechen und den Holocaust seiner Institutionen von SS, SD, NSDAP von so vielen mitwirkenden Tätern zwölf Jahre möglich!)
Setzt die Frage: „Worin liegt der Sinn meines Lebens und was macht ihn für mich aus?“ die Suche nach den Kriterien und Bedingungen eines sinnhaften Lebens für die Beantwortung voraus? Durch wen oder was werden diese Kriterien definiert? Oder muss die Frage eher lauten: „Wann erleben Menschen ihr Denken und Handeln als sinnhaft?“
Der erste Ansatz für die Annäherung an die Beantwortungen besteht in der Erkenntnis, dass Aussagen aus den wissenschaftlichen Fachbereichen der Soziologie, der Psychologie und der Philosophie hinzugezogen werden sollten, was denn „Sinn“ ist!
Die Professorin für existenzielle Psychologie an der MF Specialized University in Oslo, Tatjana Schnell, hat mit ihrem Buch „ Sinn finden“ (zusammen mit dem Co-Autor Kilian Trotier) ihre Forschungsergebnisse dazu veröffentlicht.
Tatjana Schnell formuliert: „Sinn“ werde einer Sache, Handlungen und Ereignissen zugeschrieben.
Das können z.B. Manipulations- oder Sozialisationserfahrungen sein! Ableitbar wird demnach beispielsweise, dass einem Partei-Programm, der Zugehörigkeit zu einer Fangruppe oder dem Ziel „reich zu werden“ etc. Sinn zugeschrieben wird.
Sinn zuzuschreiben, das geschieht bei jedem Individuum, und zwar subjektiv und voll verantwortlich durch seine eigene Entscheidung! Zum Beispiel, sich einer rechtsextremistischen Partei á la AfD anzuschließen, zu den gewaltbereiten Fußballfans zu gehören oder Mitglied einer kriminellen Bande zu werden und dies als „Sinn“ des eigenen Lebens zu verstehen.
Nach Schnell haben die Tests als Ergebnis vier Elemente herauskristallisiert, die Menschen glauben lassen, dass sie Sachen, Handlungen und Ereignisse als sinnhaft erleben. Das seien:
- Kohärenz = im Einklang mit den Werten und Erfahrungen stehen, die gemacht wurden. (Das Problem besteht darin, dass sich Wertekataloge gegenüber stehen! Wenn zum Alltag Respektlosigkeit, Hass, Ausgrenzung, Egoismus, Unterdrückung, Gewalt, Erpressung, Despotie und Kriegsverbrechen gehören und die „Erfahrungen“ ausmachen, dann stehen diese „Werte“ denen gegenüber, die Freiheit, Gleichheit, Mitmenschlichkeit, friedliches Zusammenleben, Empathie, Solidarität und Verantwortung für die Menschenrechte betreffen und wertgeschätzt werden!) Die Frage muss jeweils gestellt werden, wie ein Mensch im Einklang mit dem Töten im Holocaust, als Ku-Klux-Klan-Mitglied, als Bandenmitglied bei den Motorrad-Gangs, als Wagner-Söldner bei den Kriegsverbrechen oder als Kinderschänder und Mörder mit seinen Taten stehen kann?
- Bedeutsamkeit = dass das eigene Handeln relevant, einflussreich oder als ausschlaggebend empfunden wird. (Hier gilt ebenso zu fragen, warum Töten, Unterdrückung, Ausgrenzung, Hass als wichtig für die Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens sein sollten! Denn Konsequenzen tragen zu müssen und verantwortlich für das eigene Handeln zu sein, ist die eigentliche Bedeutung!)
- Orientierung = Sicht auf die Welt; Gesinnung oder destruktive Haltung anstelle von Verantwortung zu tragen, das ist die Frage!
- Zugehörigkeit = Der Mensch ist grundsätzlich ein „zoon politikon“, ein dem Zusammenleben vorgegebenes Wesen und kein „einsamer Wolf“. Insofern ist im Menschsein schon angelegt, ein Teil von etwas anderem zu sein!
Das Hinterfragen können nach dem, was mich zu einem Handeln bringt, dass dem Mitmenschen nur schadet, ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, um nach dem „Sinn in einem solchen Lebensumfeld“ zu fragen! Menschen haben schon immer die Wahl gehabt, sich ethisch und moralisch richtig oder falsch zu entscheiden. Das betrifft auch besonders die Frage nach der Haltung (der Gesinnung einer Partei, den „Verhaltensregeln“ innerhalb einer Gang, den unausgesprochenen „Gesetzen“ des Zulassens von Verbrechen durch Despoten, Diktatoren und Egomanen), die meine Gruppe, meine Freundesgruppe, mein Verein, meine Gang, meine Partei vertritt und denen ich mich anschließe!
Tatjana Schell:
„Was wir als sinnvoll erleben, hat also auch viel mit gesellschaftlichen Normen und Werten zu tun“. (Quelle: Dossier – Was ist der Sinn meines Lebens? – Philomag Nr.5/2025)
Genau aus diesem Grund ist es notwendig, dass die Befähigung zur Bewertung und Einschätzung geschult und in der Familie und den Bildungseinrichtungen vermittelt wird, um erkennen zu können, welche Normen und Werte real wirksam sind und wodurch sie beeinflusst werden! Denn durch politische und institutionelle Einflussnehmer werden oft Verschiebungen der Werte und Normen schleichend entwickelt (z.B. dadurch, dass der Rechtsextremismus mit seiner Ausgrenzung und Diskriminierung und der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit durch die AfD und Teile der rechtskonservativen Parteien wieder salonfähig gemacht wurde!).
Einen Kompass als Bewertung von Haltungen, das findet der Mensch in dem kategorischen Imperativ von Immanuel Kant:
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (Immanuel Kant)
Hans Jonas legte den Schwerpunkt seiner Philosophie (Das Prinzip Verantwortung ) auf die Übernahme der Verantwortung für das eigene Handeln. Jonas erweiterte Kants kategorischen Imperativ mit dem Einbezug der Ökonomie/Wirtschaft und einer Ethik, die sich aus den neuen Herausforderungen für die menschliche Zivilisation und die modernen Technologien ergab:
„Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ – Das Prinzip Verantwortung (Hans Jonas)