Johannes von Heinsberg – Bildsprache – Wortsprache

Fotografie und Philosophie – Sehen und Erkennen

Rechtsstaat bedeutet nicht, dass die Parlamentsmitglieder die politische Mitte real nach rechts verschieben müssen

Der Angriff politisch rechts und stockkonservativ zu verortender Bundes- und Landtagabgeordneter auf eine Jura-Professorin und Rechtswissenschaftlerin, die als Kandidatin und Richterin für das Verfassungsgericht vom Koalitionspartner (SPD) der aktuellen Regierung aufgestellt wurde, ist die schäbigste Gesinnungsaktion der jüngsten Politikgeschichte. Nach trumpschen Vorbild wird die eigene Weltsicht durchgeboxt, ohne Rücksicht auf die Folgen für die Gesellschaft zu nehmen.

Im Zuge des verqueren Selbstverständnisses des US-Präsidenten Trump, der sich über die Verfassung und den Staat gestellt sieht und damit völlig irrational glaubt, dass er die höchste Autorität in den USA sei, der das Recht hätte, die Gewaltenteilung zu ignorieren, breiten sich weltweit ähnliche Aktionen aus. Trumps willkür-geleitete Aktionen sind einem gesinnungsgeleiteten Denken und Handeln entsprungen, das sich auch in der Skandal-Affäre der geplatzten Verfassungsrichterwahl der CDU/CSU widerspiegelt. Demokratie ohne Gewaltenteilung-Akzeptanz und Korrektur durch die Judikative (Verfassungsgericht) gegen legislative und exekutive Fehlverhalten führt über kurz oder lang zur Willkür-Diktatur, Freiheitseinschränkung und zum Machtmissbrauch. Die Berufung von Richter in den US-Supreme Court durch den Präsidenten Trump, der damit Positionen besetzt durch willige Figuren der Zustimmung zu seiner Weltsicht, führt die Demokratie in den Abgrund.

Vergleichbare Versuche (nur mit umgekehrten Vorzeichen) zeigen sich konkret beim Vorgang der Ablehnung der Verfassungsgerichts-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf, indem sich Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion anmaßen, dass sie getroffene Absprachen (obwohl der Richterwahlausschuss zuvor alle drei Kandidaten abgesegnet hatte) in der Koalitionspartnerschaft wieder kurzfristig brechen könnten, weil erzkonservative katholische Kirchenfürsten ihre Weltsicht eingeschränkt sehen und ihre temporäre Macht missbrauchen. Hier kommt ein langer zeitlicher Prozess zum Tragen, bei der – gerade auch und besonders die konservativen Weltsichten – das rechte Weltbild wieder salonfähig gemacht haben.

Die politische Mitte – (eine Verortung des Weltbildes in der Demokratie, in der Werte wie Solidarität, Menschfreundlichkeit, Empathie, Respekt, Toleranz, Friedensorientierung, soziale Gerechtigkeit, soziale Markwirtschaft, Gemeinwohlverpflichtung, Gleichberechtigung, Diskursfähigkeit, Geschichtswissen, Wahrhaftigkeit noch Geltung hatten) – ist nach rechts bis rechtsextrem verrutscht worden. In dieser verschobenen Pseudo-Mitte werden Unwerte wie: Ausgrenzung, Gewaltbereitschaft, Recht des Stärkeren, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, anti-demokratischen Umbau der demokratischen Gesellschaft, Konzentration der Macht in wenige Hände, neoliberalistische Wirtschaft, autokratische Strukturen, Diskriminierung, Verbote und Machtmissbrauch als „Normalität“ verkauft. 

So entsteht ein entmenschlichter Zeitgeist der Gegenwart, in der Kandidaten für das Verfassungsgericht als linksradikal gebrandmarkt werden, weil sie dem Gesinnungs-Weltbild der eigentlichen Feinde der offenen Gesellschaft nicht entsprechen!

Zu Recht tritt die so angegriffene Kandidatin für das Verfassungsrichteramt, die Juraprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf ihren öffentlichen Anfeindungen medial entgegen. (Auch wenn die so vorgenommene Form der Richtigstellung der falschen Behauptungen und Lügen ihre Gegner nicht umdenken lassen.)   Die Unterstützung aus dem Kreis der verfassungswissenschaftlichen Fachkräften legt davon Zeugnis ab.

Wer also nicht die Fachkompetenz und wissenschaftliche Reputation als Qualifikation für das Ausüben des Verfassungsrichter-Amtes als Kriterium akzeptiert, sondern die Gesinnung, den Schwangerschaftsabbruch zu verbieten vertritt, der erweist sich als unfähig für das Amt des Abgeordneten. 

Die CDU/CSU unter Merz, Spahn und Linnemann ist auf dem besten Weg, das paternalistische Weltbild der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts wieder zu beleben. Ein deutlich rückständigeres und anachronistisches Weltbild, gemixt mit dem Neoliberalismus des 21. Jahrhunderts, propagiert von den Management-Söldnern des Neoliberalismus á la Carsten Linnemann und Jens Spahn

Ergänzung vom 16.07.2025

Ein Kommentar in aller gebotenen Sachlichkeit des Herausgebers der FAZ, Jürgen Kaube, zu Spahns Versagen als Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU zur gesinnungsorientierten Irrationalität von Teilen der CDU/CSU-Abgeordneten bei der Wahl der Verfassungsgerichts-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf!

Gesinnung versus Verantwortung in Regierungen, Politik und Demokratie – von Freiheit und Sicherheit

Verantwortung – ein weites Feld der Ethik zwischen persönlicher, politischer, ökonomischer und ökologischer Haftung

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Version vom 16.07.2025 08:40 Uhr

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