Johannes von Heinsberg – Bildsprache – Wortsprache

Fotografie und Philosophie – Sehen und Erkennen

22. März 2024
von JvHS
Kommentare deaktiviert für Von Feigheit, Faulheit und der Notwendigkeit zur Mündigkeit

Von Feigheit, Faulheit und der Notwendigkeit zur Mündigkeit

„Wir hegen keinen Zweifel (…), dass die Freiheit in der Gesellschaft vom aufklärenden Denken unabtrennbar ist. Jedoch glauben wir, (…) dass der Begriff eben dieses Denkens, nicht weniger als die konkreten historischen Formen, die Institutionen der Gesellschaft, in die es verflochten ist, schon den Keim zu jenem Rückschritt enthalten, der heute überall sich ereignet. (…) (S)chon der Mythos ist Aufklärung, und: Aufklärung schlägt in Mythologie zurück.“

Dialektik der Aufklärung (1944) – Max Horkheimer / Theodor W. Adorno

Aufklärung – von Kant über Adorno/Horkheimer bis Foucault

Kant – ein (Ge)-Denktag in diesem Jahr: den 22. April nicht vergessen! Oder der Diskurs: Was ist Aufklärung?

Was ist Aufklärung?  – Kant auch heute noch aktuell

(Nachstehender Text ist vom 03. Mai 2013 und schon einmal veröffentlicht worden auf dem Blog)

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

World

Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen (naturaliter maiorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen. Daß der bei weitem größte Teil der Menschen (darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit, außer dem daß er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte, dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und sorgfältig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperreten, wagen durften, so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es versuchen, allein zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so groß nicht, denn sie würden durch einigemal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel von der Art macht doch schüchtern und schreckt gemeiniglich von allen ferneren Versuchen ab.

Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar liebgewonnen und ist vorderhand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den Versuch davon machen ließ. Satzungen und Formeln, diese mechanischen Werkzeuge eines vernünftigen Gebrauchs oder vielmehr Mißbrauchs seiner Naturgaben, sind die Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit. Wer sie auch abwürfe, würde dennoch auch über den schmalesten Graben einen nur unsicheren Sprung tun, weil er zu dergleichen freier Bewegung nicht gewöhnt ist. Daher gibt es nur wenige, denen es gelungen ist, durch eigene Bearbeitung ihres Geistes sich aus der Unmündigkeit herauszuwickeln und dennoch einen sicheren Gang zu tun.

Daß aber ein Publikum sich selbst aufkläre, ist eher möglich; ja es ist, wenn man ihm nur Freiheit läßt, beinahe unausbleiblich. Denn da werden sich immer einige Selbstdenkende, sogar unter den eingesetzten Vormündern des großen Haufens finden, welche, nachdem sie das Joch der Unmündigkeit selbst abgeworfen haben, den Geist einer vernünftigen Schätzung des eigenen Werts und des Berufs jedes Menschen, selbst zu denken, um sich verbreiten werden. Besonders ist hiebei: daß das Publikum, welches zuvor von ihnen unter dieses Joch gebracht worden, sie hernach selbst zwingt, darunter zu bleiben, wenn es von einigen seiner Vormünder, die selbst aller Aufklärung unfähig sind, dazu aufgewiegelt worden; so schädlich ist es, Vorurteile zu pflanzen, weil sie sich zuletzt an denen selbst rächen, die oder deren Vorgänger ihre Urheber gewesen sind. Daher kann ein Publikum nur langsam zur Aufklärung gelangen. Durch eine Revolution wird vielleicht wohl ein Abfall von persönlichem Despotism und gewinnsüchtiger oder herrschsüchtiger Bedrückung, aber niemals wahre Reform der Denkungsart zustande kommen; sondern neue Vorurteile werden, ebensowohl als die alten, zum Leitbande des gedankenlosen großen Haufens dienen.

Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit; und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen. (Immanuel Kant, 5. Dez. 1783)

Ein Text, der nichts von seiner Aktualität verloren hat.

Heute ist Pressefreiheit und freie Journalistenarbeit eine unabdingbare Voraussetzung für Freiheit. Transparenz und eine funktionierende und unabhängige Gerichtsbarkeit Voraussetzung zur Aufklärung und Erhalt des demokratischen Gemeinwesens.

Weltkarte ROG

Quelle und (c): ROG 2013

 

21. März 2024
von JvHS
Kommentare deaktiviert für Das Böse – real, banal und alltäglich? Das Böse als Kategorie jeder Diktatur

Das Böse – real, banal und alltäglich? Das Böse als Kategorie jeder Diktatur

Hinter einer ästhetischen Symbolik kann sich durchaus auch – mit Täuschungsabsichten – eine bösartige Gesinnung verstecken!

Die Fragen – ob es gute und böse Menschen gibt, und ihr Denken und  Handeln Bestandteil einer Gesinnung sei, welche die Realität bedrohen – haben Philosophen schon immer versucht zu beantworten. Die Thematik dieser Dualität der Wirklichkeit war und ist auch Gegenstand von Literatur. So lautet der Titel eines der Kriminalromane von Agatha Christie „Das Böse unter der Sonne“. 

Das Böse unter der Sonne – oder die moralisch ethische Kategorisierung von Denken und Verhalten

Jedoch nicht nur in diesem Roman ist Gier und Materialismus ein Motiv für Mord und Gewalt. Lügen und Raffinesse sind dabei die Methoden der Umsetzung. Die aktuell veröffentlichten Statistiken belegen einen Anstieg der Gewaltdelikte. Begangene Straftaten sind somit auch Ausdruck des Bösen.

Das Böse ist als (moralischer) Begriff seit jeher auch eine Werte-Zuordnung respektive ethische Kategorie, welche in der Philosophie wie auch der Religion versucht wurde beschreibend zu verorten. Ob es die „Natur des Bösen“ gibt, ist eine Frage, die je nach Zeitgeist beantwortet worden ist.

Nicht selten betrifft es die Einteilung von Menschen und ihre Verhaltensweisen in „Freund-Feind-Wertungs-Klassen“. Diese begegnen uns immer wieder, egal ob es die Politik, die Wirtschaft oder die Wissenschaft betrifft.

Der Blick auf die Welt, die Sichtweise, die Denken und Handeln beeinflussen und bestimmen, spiegeln sich zudem in der Sprache wider. Wer von „Gutmenschentum“ faselt, diskreditiert die Wertehaltung eines Mitmenschen, der ganz andere Motive hat, als der Wertende selber. Wie die Gestaltung der Welt erfolgen soll, in der die Menschen leben, soll anders geschehen als das Gegenüber es sich vorstellt. Der „Feind“ ist dann immer auf der anderen Seite. Die Zuschreibung zum „Bösen“ erfolgt ohne großes Nachdenken, und die erkennbaren anderen „Werte“ werden oft für gefährlich gehalten. Orientierung gaben die „Zehn Gebote“ ebenso, wie sie in einem demokratischen Rechtsstaat durch das Strafgesetzbuch passiert. 

Verantwortungsethik versus Gesinnungsethik

Soziologen und Philosophen gaben und geben seit jeher auch Orientierungslinien. Max Weber formulierte ethische Wegweiser, in dem er von „Verantwortungsethik“ versus „Gesinnungsethik“ sprach. 

Immanuel Kants Position wird ersichtlich in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, in der Kant seine Handlungsanleitungen  mit den Ausformungen des kategorischen Imperativs formulierte:

“ Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ 

  • „Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetz werden solle.“ (421 / BA 52 = Naturgesetzformel NF)
  • „Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als auch in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“ (429 / BA 67 = Menschheitsformel oder auch Selbstzweckformel SF)
  • „Handle so, daß der Wille durch seine Maxime sich selbst zugleich als allgemein gesetzgebend betrachten könne.“ (434 / BA 76/77 = Autonomieformel AF)
  • „handle nach Maximen eines allgemein gesetzgebenden Gliedes zu einem bloß möglichen Reich der Zwecke“ (439 / BA 84 = Reich der Zwecke – Formel RF)

Freiheit ist nicht möglich, ohne die Freiheit des Mitmenschen mitzudenken!

Wer Macht und Einfluss nutzt, um die eigene Vorstellung durchzusetzen, auch gegen den Willen der Mehrheit der Mitmenschen, hat nur die eigene Freiheit im Sinn. Das praktizieren immer mehr Figuren (Putin steht exemplarisch dafür!), die auf Diktatur setzen. Und es sind immer die gleichen Vorgehensweisen:

  • Gewalteinsatz (Krieg) und Umsturz einer Regierung;
  • Die Schwächen einer Demokratie nutzen und die Mehrheit der Wähler durch Manipulation und Propaganda zur Wahl von Personen und Parteien bringen, die unverhohlen für die Zerstörung der Demokratie werben;
  • Nach der Machtübernahme, die Gewaltenteilung abschaffen (Zentralisierung aller Gewalt auf den Diktator);
  • Zugleich die Exekutive (Polizei, Ordnungskräfte, Militär) kontrollieren;
  • Politische und gesellschaftliche Opposition unterdrücken und ausschalten;
  • Wissenschaft und Bildung zensieren;
  • Freiheit (Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit) gewaltsam unterdrücken und jeden Versuch mit Pseudogesetzgebung zu bestrafen;
  • Gesetzgebung zu bestimmen und Pseudorecht zu gestalten, um eigene Ziele (auch bösartige) zu realisieren.

Weiterlesen →

20. März 2024
von JvHS
Kommentare deaktiviert für Prokrastination

Prokrastination

Zitat/Auszug aus: Sascha Lobo, Kathrin Passig:  Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin 
(c) 2008 by Rowohlt. Berlin Verlag GmbH

“Wie es wirklich war!

  • Im Anfang schuf Gott erst mal gar nichts. « Dafür ist auch morgen noch Zeit », sprach er und strich sich zufrieden über den Bart.
  • Am zweiten Tag sprach Gott : « Ach, es sind ja noch fünf Tage übrig», und sank wie der in die Kissen.
  • Am dritten Tag wollte Gott schon anfangen, das Licht von der Finsternis zu scheiden, aber kaum hatte er sich auch nur einen Kaffee gekocht, war der Tag irgendwie schon vorbei.
  • Am vierten Tag dachte Gott ernsthaft darüber nach, jemand anderen die ganze mühsame Schöpfungsarbeit machen zu lassen. Aber es war ja noch niemand da.
  • Am fünften Tag hatte Gott andere Dinge zu erledigen, die viel dringender waren.
  • Am sechsten Tag überlegte Gott, ob es wohl möglich war, sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen. Es fiel ihm aber nichts Rechtes ein. Schließlich war er allmächtig, was die meisten Ausreden ein bisschen unglaubhaft wirken lässt.
  • Am Sonntag um fünf vor zwölf schließlich schluderte Gott hastig irgendwas hin : Wasser, Erde, Tag, Nacht, Tiere, Zeugs. Dann betrachtete er sein Werk und sah, dass es solala war. 
  • « Aber für nur fünf Minuten », sagte er, « gar nicht so schlecht!» 

 Zitatende

Und er entließ die Menschen in die selbstverschuldete Unmündigkeit und vererbte ihnen die Prokrastination. 

Gott schrieb allerdings auch keine Doktorarbeit!

Cookie Consent mit Real Cookie Banner