„Das 21. Jahrhundert wird entweder das Jahrhundert der totalen Verschärfung der tödlichen Krise oder das Jahrhundert der moralischen Läuterung und der geistigen Erholung der Menschheit sein. Ihre umfassende Wiederbelebung. Ich bin überzeugt, dass wir alle – alle vernünftigen politischen Kräfte, alle geistigen und ideologischen Strömungen, alle Konfessionen – aufgerufen sind, diesen Übergang, den Sieg der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit zu fördern. Damit das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Wiedergeburt, das Jahrhundert des Menschen wird.“ – Michail Gorbatschow
Bedeutungs-Irrtümer entstehen aus dem vom Sein bestimmten unterschiedlichen Bewusstsein, welche das Denken und Handeln der Menschen beeinflusst. Ein jeweils anderes erfahrenes und dominierendes Sein, geformt von der Sozialisation aus Lebensumfeld (Machtstrukturen, Grundbedürfnis-Absicherung, Teilhabe an den ethisch-ethnisch geformten gesellschaftlichen Normen), Schicksal (Bildungsangebot, Vorbilder, Wertevermittlung, Wissen, Erfahrung, Erkenntnisfähigkeit, Befähigungs-Chancen wie Konfliktlösungs-Fähigkeiten) und Persönlichkeitsprofil.
Die Vielfalt der Möglichkeit der Beeinflussungen des Seins lässt sich am Beispiel der Aussage „Den Wald vor lauter Bäumen nicht erkennen“ erahnen. Den Begriff „Wald“ als Strukturelement zu kennzeichnen, in dem die einzelnen Bäume nicht im Fokus stehen, ist hilfreich, weil damit der einzelne Baum zwar immer noch als individuelle Pflanze zuordnungsfähig bleibt (welche Art, welchen Nutzen etc.), aber damit Wald als Ordnungseinheit und Teil des Begriffes Landschaft verständlich wird.
Übertragbar ist das gerade genannte Beispiel auch auf den Menschen. Der einzelne Mensch als Subjekt ist Strukturelement der „Gemeinschaft“. Gemeinschaft bedeutet, dass der Fokus nicht auf den einzelnen Menschen, sondern auf die Bedeutung von Gemeinschaft gelegt ist. Gemeinschaft wiederum bildet sich in verschiedenen Formen aus: Familie, Bewohner eines Miethauses, Einwohner einer Gemeinde, des Stadtviertels, der Bevölkerung eines Landes.
Der Mensch als zoon politikon
Ein Grundgedanke, was Menschsein bedeutet und was die Lebensform Mensch ausmacht, ist das Wissen durch Beobachtung und die Erfahrung jedes Menschen, dass der Mensch ein soziales Wesen (zoon politikon) ist. Ohne die Hinwendung und die Bereitschaft, aus dem hilflosen Neugeborenen in langen Jahren der Versorgung durch andere Menschen beim Aufwachsen bis zur Selbständigkeit die Verantwortung zu haben, damit die Befähigung, sein persönliches Leben bewältigen zu können, vermittelt wird, spiegelt sich in der Formel wider: Die Würde des Menschen ist lebenslang unantastbar! Darin ist jeder Mensch gleich! Ebenso wie jeder Mensch frei ist und niemandes Eigentum ist. Und niemand ist alleine lebensfähig. Daraus ergeben sich die Menschenrechte mit ihrer Grundforderung: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.
Die Störung und Gefährdung dieses Grundverständnisses, dass die Lebensform Mensch bedeutet, ein soziales Wesen zu sein, nimmt aktuell immer stärker zu! Egoismus und Ignoranz verzerrt das Verständnis, dass Freiheit – ohne die Freiheit des Mitmenschen mitzudenken und zu berücksichtigen – nicht möglich ist.
Die Freiheit des Anderen ist gleichwertig mit dem Recht auf eigene Freiheit. Egoismus und Ignoranz verhindern diese Einsicht! Die Bereitschaft zur Toleranz, die Freiheit und auch ihre Grenzen zu beschreiben, kann nur gelingen, indem gemeinsam an der Ausformung gearbeitet wird. Das gelingt auf der Ebene von Staat und Nation nur durch einen Gesellschaftsvertrag. Der Gesellschaftsvertrag in Form unseres Grundgesetzes und der westlichen Verfassungen ist nur in der rechtsstaatlichen Demokratie realisierbar!
Echte „Gemeinschaft“, in der Toleranz, Menschenfreundlichkeit, Gleichheit, Solidarität, Gewaltlosigkeit, Teilhabe und Fürsorge praktiziert werden können, ist nur in der Demokratie realisierbar. In jeder anderen Ausformung, in der Macht und Machtmissbrauch, Vorteilsnahme, Korruption, Unterdrückung, Ausgrenzung und Gewalt zum Alltag gehören, führt zum Terror, zur Diktatur und zur Unfreiheit und Tyrannei.
Die Beispiele dieser Entwicklungen sind zahlreich. Russland unter Putin, Türkei unter Erdogan, Ungarn unter Orban, Iran unter islamistischer Herrschaft, Afghanistan unter den Taliban und die aktuelle USA unter Trump sind exemplarische Beispiele. Dass in vielen Staaten politische Parteien mit antidemokratischer Agenda immer mehr Zustimmung erhalten, ist eine Gefährdung der besonderen Art. In Deutschland steht für diese Entwicklung die AfD.
Die AfD arbeitet dabei mit Bedeutungsverzerrungen von „Heimat, Volk, Gemeinschaft der Kameraden und Wertschätzung durch Nibelungen-Treue“. Zu ihren Methoden gehören die negativen Verhaltensweisen von Vorurteile, Ausgrenzung, Geringschätzung und das Versprechen der Pseudo-Identitäten aus anachronistischer Verherrlichung der nazistischen und faschistischen Ideologie des „Dritten Reichs“!
Erzählungen der AfD als einer verschworenen Gemeinschaft, die „Opfer“ der Verfolgung durch Staatsorgane sei, bieten eine Identität für alle, denen die Ökonomie des Neoliberalismus gehörig zugesetzt hat! Der Neoliberalismus der Finanz- und Vermögensvermehrungs-Macht ist ursächlich verantwortlich für die Spaltung der Gesellschaft in einerseits immer größeren Anteilen von Armutsgefährdeten in der Bevölkerung mit wenig Möglichkeiten, der Armut zu entkommen, und andererseits einem immer reicheren und privilegierteren kleinen Teil der Gesellschaft. Da kommen die Migrations- und die verfehlte Einwanderungspolitik der AfD-Führungs-Clique gerade recht, ein Pseudo-Selbstverständnis, Pseudo-Selbstwertgefühl und geschichtsverfälschtem Identitätsbewusstsein rechtsextremistischer Provenienz zu vermitteln.
Dass die Führungsebene der antidemokratischen Partei AfD zu fast 100 Prozent zu den Privilegierten gehört und keineswegs zur Mehrheit der um die Existenz oder den Verlust ihres hart erarbeiteten Status fürchtenden Gesellschaftsschicht, wird von den Wählern übersehen oder nicht erkannt.
Hilfreich für Parteien wie die antidemokratische AfD, ist zudem das feststellbare Verhalten der Menschen im Umgang mit den „sozialen Medien“. Informationen, die aus Meinungen und Lügen bestehen, werden ungeprüft weitergegeben. Hinterfragt wird selten, ob Meinungen als Tatsachen verkauft werden. Die „Verheißung der so versprochenen Anerkennung“ als Mensch durch die AfD lässt jeglichen Verdacht und jede Skepsis überwinden!
Ist das Kunst oder kann das weg?
Wie schnell dieser Zustand erreicht ist und ein Bedeutungs-Irrtum erfolgt, der folgenreich für Freiheit, Toleranz und Kultur sein wird, das lässt sich an der Geschichte um die Entstehung des bekannten Ausdrucks: „Ist das Kunst oder kann das weg?“ nachvollziehen.
Kolportiert wird, dass zwei Kunstwerke des Künstlers und Professors an der Kunstakademie in Düsseldorf, Joseph Beuys, nicht als solche erkannt wurden und durch die Unbedarftheit von Mitmenschen vernichtet wurden. Bei einer Feier im Museum für Gegenwartskunst Morsbroich in Leverkusen im Jahr 1973 reinigten zwei SPD-Politikerinnen eine alte, als Kunstinstallation konzipierte Wanne von Beuys. Sie reinigten die in ihren Augen dreckige Badewanne, um darin Gläser zu spülen! Außerdem wurde in der Düsseldorfer Kunstakademie Beuys ausgestelltes Kunstobjekt mit dem Titel „Fettecke“ irrtümlich entsorgt.
Ein weiteres Beispiel lieferte Harpe Kerkeling mit seinem Auftritt als Opernsänger in seiner berühmtgewordene „Hurz“-Sequenz, in der Bedeutungs-Irrtum exemplarisch nachvollzogen werden kann. (Ausschnitt ARD – Harpe Kerkeling ab Minute 1:11:50) in
Wenn das dort nachvollziehbare Kulturverständnis als Signet genutzt wird, um Wissen vorzugaukeln, wo nur Schein das Sein beherrscht, dann entsteht Bedeutungs-Irrtum. Verlogene Toleranz und Unwohlsein aufgrund der gebotenen Vorstellung wird mit Schweigen und Erdulden begleitet, statt die Zumutung durch Unterbrechung zu beenden!
Den Zumutungen der Parteien-Politik und ihrer verbündeten Akteure für die Zivilgesellschaft und die Rolle der Menschen in diesem Politik-Umfeld sollte ein „Hurz-Beitrag“ als Spiegel vorgehalten werden.
Rückwärts analysieren, vorwärts transformierend denken, jedoch selten danach handeln!