In einem weiteren Beitrag zum Wahldesaster für Deutschland wird ein weiteres Feld benannt, das bisher in den Analysen der Medien zu kurz gekommen ist. Es ist einerseits den Blick auf die ökonomischen Verhältnisse zu richten. Andererseits ist an die Grundfesten der Demokratie zu erinnern: Gleichheit und Solidarität in der Verteilung der Belastungen zu gewährleisten, sowie andererseits die Einseitigkeit der Entlastungen durch Parteien wie die FDP und Finanzminister Christian Lindner für die eigene Klientel und seine Blockadepolitik zu hinterfragen, weil die notwendigen Finanzierungen für die Daseinsfürsorge und die damit verbundene Lockerung der Schuldengrenzen unabdingbar sind! Auch und gerade dieses Feld und die belastenden Fakten für die Bevölkerung sind Öl ins Feuer der AfD, wenn die Ampel in Zusammenarbeit mit den demokratischen Oppositionsparteien es nicht endgültig hinbekommen, das AfD-Problem zu lösen. Ob die CDU/CSU mit dem egomanischen Blackrock-Merz an der Spitze das richtige Führungspersonal hat, darf bezweifelt werden!
Marc Saxer mit Esther Be und 26 weiteren Personen
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Zitat der Veröffentlichung auf Facebook:
„Der Einbruch des Realen in die Postpolitik
In den Jahrzehnten der neoliberalen Hegemonie wurde die Möglichkeit der Veränderbarkeit der Welt durch politisches Handeln bewusst aus den Blickfeld genommen. Der Status Quo wurde naturalisiert (End of History), der Staat neutralisiert, der Bürger zum Konsumenten degradiert.
Statt gemeinsam für eine bessere Gesellschaft zu kämpfen befriedigen die neoliberalen Individuen ihr Bedürfnis nach Sinn durch Selbstoptimierung. Optimiert wurde was dem Körper zugeführt wird (Bio) und was nicht (Veganismus), was konsumiert wird (Authentizität, Erlebnis, Nachhaltigkeit) und was nicht (Verzicht). Die Körper werden gestählt (Fitness) und geformt (Schönheitsoperationen), das Geschlecht neu definiert (non-binär) oder geändert (Trans). Konzepte und Sprache der Psychotherapie dominieren die Selbstwahrnehmung der Individuen (anxiety, Trauma) und die öffentlichen Debatten (safe spaces). Auf den Kampffeldern der postpolitischen Gesellschaft wird darum gestritten, ob diese Selbstoptimierungen zulässig sind, oder gar allgemeine Pflicht werden sollen.
Am progressiven Rand des politischen Spektrums wurde die traditionell linke Kritik am System und seinen imperialistischen Gewaltpraktiken nun anti-national und anti-rational radikalisiert. Der Westen und seine „weiße“ Bevölkerungsstruktur wird dämonisiert, die Hoffnung auf eine bessere Welt wird dagegen unkritisch auf das „Andere“ projeziert, selbst wenn die Adressaten dieser Sehnsucht den eigenen Werten diametral widersprechen (Islamisten). Die Betonung der Vernunft in der Aufklärung wurde ersetzt durch das Primat der Emotionen, die Möglichkeit zur Reform ersetzt durch mystische Symbolik. Durch magische Sprechakte sollen Geschlechteridentitäten geändert, soziale Hierarchien zwischen identitären Gruppen neu sortiert und der Kampf gegen Rechts gewonnen werden. Die Idee des Fortschritts zu einem besseren Leben wird umgedeutet zu einer Dystopie, die in den Klimaweltuntergang führen muss.
Auch das Denken des politischen Apparats und des machtnahen Kommentariats geht selten über moralisch aufgeladene Symbolik und magische Sprechakte hinaus. „Klare Haltung gegen Rechts, Klare Haltung gegen Putin, Klare Haltung gegen Antisemitismus“ ersetzen die Reform von Strukturen im Inneren, und die Neupositionierung in einem veränderten geopolitischen Umfeld im Äußeren.
Mit dem Krieg bricht nun das Reale in diese postpolitische Ordnung ein und zerstört die Illusionen des Gruppendenkens:
– Die Inflation zwang die Zentralbanken zur Abkehr von der Niedrigzinspolitik. Damit verschärft sich das Risiko einer neuen Eurokrise. In einer zunehmend protektionistischen Welt wird jedoch die Sicherung des europäischen Heimatmarktes unabdingbar. Mittelfristig wird daher das Tabu von Transferzahlungen zur Stabilisierung der südeuropääischen Schuldnerstaaten wackeln.
– Um die Abhängigkeit von billiger russischer Energie zu vermindern, wurden aller Werte- und Klimapolitik zum Trotz teure fossile Brennstoffe aus autoritären Regimen importiert. Damit die teure Energie die globale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie nicht untegräbt, werden die Energiepreise subventioniert. Und auf einmal stehen die beiden heiligen Kühe der grünen Politik – die Weisheit des Atomausstiegs und die technische Durchführbarkeit der Energiewende – zur Debatte.
– Um wettbewerbsfähig zu bleiben müssen die Europäer den Subventionen der Amerikaner (IRA) und Chinesen (Overcapacity) eigene Markteingriffe entgegensetzen. Die Rückkehr des Primats der nationalen Sicherheit hat die Industriepolitik rehabilitiert. Das neoliberale Vertrauen in die Effizienz der Marktkräfte wird ersetzt durch staatlich gesteuertes De-risking zur Stärkung der Resilienz. Die alles überragenden Zwänge des geopolitischen Wettbewerbs machen aus Freihändlern Protektionisten. Nach dem Zerplatzen der Hoffnung auf „Frieden durch Interdependenz“ mit China und Russland werden Lieferketten verkürzt (nearshoring) und in befreundete Staaten verlegt (friendshoring). Die neoliberale Phase der Globalisierung ist damit am Ende.
– Um die Zeitenwende finanzieren zu können wird die heilige Kuh des Ordoliberalismus, die Schuldenbremse, geschlachtet werden müssen. Aber auch Einschnitte in die sozialen Transferzahlungen werden auf die Agenda zurückkehren.
– Und für die Wiederherstellung von Wehrhaftigkeit wird der Wiederaufbau der Rüstungsindustrie und die Wiederbewaffnung der Bundeswehr nicht ausreichen. Auch die postheroischen Einstellungen der Mehrheitsbevölkerung und die Obsession des progressiven Randes mit toxischer Männlichkeit wird verschwinden. Das Sein bestimmt eben noch immer das Bewusstsein.
– Die vom progressiven Lager lange negierten Probleme bei Flucht und Integration (Gewalt- und Clankriminalität, Islamistische Indoktrinierung) haben eine Kehrwende in der Migrationspolitik erzwungen. Deutschland schwenkt damit ein den den Kurse, den Dänemark, Schweden, Italien und Frankreich längst beschritten haben.
Das Beben unter den Füßen führt zur Panik der liberalen Eliten, und verführt zu illiberalen Überreaktionen nach innen und nach außen.
Im Äußeren wird die wertebasierte Außenpolitik von den Staaten des Globalen Südens als Einmischung in innere Angelegenheiten abgelehnt. Die Erzählung vom epischen Kampf zwischen Demokratien und Autokratien verfängt nicht. Dem Westen wird, nicht zuletzt wegen seiner widersprüchlichen Politik zwischen der Ukraine und Gaza, Doppelmoral vorgeworfen. Das Eintreten für eine regelbasierte Weltordnung trifft daher zunehmend auf taube Ohren.
Im Inneren wird die Meinungsfreiheit, konstitutiv für die liberale Demokratie, als „Bullshit“ (Carolyn Ehmcke) verunglimpft. Rufe nach Gesetzesverschärfungen für als illegitim empfundene Rede reißen nicht ab. Umgekehrt wird jedoch vehement bestritten, dass es so etwas wie eine „Cancel Culture“ gäbe.
Umfrage nach Umfrage zeigen jedoch, dass breite Mehrheiten die liberalen Postpolitiken ablehnen. Die Mehrheit der Bevölkerung betrachtet die neuen Herausforderungen nüchtern und pragmatisch, ist aber empört darüber, dass ihr von den liberalen Eliten kein reiner Wein darüber eingeschenkt wird, wer für die Kosten der Pfadwechsel aufkommen soll. Daran wird aber über kurz oder lang kein Weg vorbei führen, denn für die Gestaltung der Mammutaufgaben braucht es starke demokratische Mandate.
Der Einbruch des Realen könnte also durchaus zu einer Wiederannäherung zwischen Volk und Eliten führen. Der liberalen Demokratie täte das gut.“
Ergänzung III
Eine Einschätzung der EU-Wahlergebnisse aus der etablierten Medienlandschaft
Ergänzung IV
Die Wahlergebnisse in ehemaligen Ostberliner Stadtbezirken zeigen, dass gerade dort auch die AFD-Hochburgen in Berlin verortet sind!
„Ihre Hochburgen hat die AfD in den Bezirken Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf. Das beste Ergebnis erzielte sie in den Wahlkreisen Marzahn-Hellersdorf 1 und 3 mit 34,2 sowie 33,1 Prozent. Im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg 2 kamen nur 2,3 Prozent zusammen.“ (Quelle: rbb)