Das Zuhören können ist in Zeiten der Flut von Informationen oft komplett abhandengekommen. Die Sondierung der Inhalte und ihre Relevanz wird nicht oder nur selten vorgenommen. Die Informationshoheit des einmal als „Vierte Gewalt“ bezeichneten Journalismus ist verloren gegangen. Die Vielzahl der Kommunikationskanäle außerhalb der Presse und TV-Medien erlaubt die Möglichkeit für jeden, sich zu Wort zu melden. Die Bandbreite der geäußerten Meinungen und Mitteilungen reicht von „Kakophonie bornierter Vorurteile mit menschenfeindlicher Weltsicht bis zu evidenzgestützter Erkenntnis“!
Die Fähigkeit zur Einordnung und Differenzierung dieser Flut ist nur durch das Zuhören, Verstehen und Erkennen entlang des roten Fadens der Menschen- und Grundrechte möglich. Wo diese Rechte mit Füßen getreten und Menschen- und Grundrechte ignoriert werden, sind Gewalt und Unterwerfung nicht weit. Das zu beobachten, lässt die Feinde der offenen und freien Gesellschaft sofort sichtbar werden. Verstehen was da geschieht, muss in solchen Fällen niemals zu Verständnis oder sogar Einverständnisse führen. Hannah Arendt hat mit ihrem Zuhören in den Nürnberger Prozessen über die NS-Verbrechen und im Prozess gegen Eichmann intensiv zugehört im Sinne des Verstehens als Erkenntnis, nicht jedoch als Einverständnis mit den vorgebrachten Verteidigungen der Angeklagten, sondern im Sinne des Begreifens der Verbrechen des Holocaust durch die Verurteilten.
Des Weiteren ist beim Verlust der Fähigkeit des Zuhörens auch die dafür grundsätzlich notwendige Gastfreundschaft verloren gegangen. In der Gastfreundschaft, die im Sinne eines Menschenrechts bedeutet, dass Raum und Garantie für den Gast zur Verfügung gestellt wird, sich sicher fühlen zu können. Zudem ist das Zuhören ein Akt des Verstehens, in welchem Maße der Gast sich situativ befindet.
Die beim Zuhören vorhandene Ich-Perspektive filtert die Position des anderen. Wer diese ohne kategorischen Imperativ und ohne Menschenrechte zu beachten tut, differenziert nicht zwischen dem eigenen und anderen, erkennt nicht das Andere und Fremde an. Das kann durchaus Ängste auslösen, wenn es in Form der Bedrohung bei einem der Beteiligten auftaucht. In einem solchen Umfeld sind Irritationen verständlich, wenn die Absicht des Gastgebers darin besteht, den Gast zu manipulieren und in Zugzwang zu bringen wie im Fall des Treffens von Trump, J.D. Vance und Selenskyj im Weißen Haus.(*) In dieser Begegnungsunsicherheit sind voreilige Urteile und Pauschalisierungen ebenso verheerend für Kommunikation und respektvolles Miteinander, wie gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Durchsetzungswillen zum Zweck der Ungerechtigkeit, der Unterdrückung und der Auslöschung der Demokratie und des Weltbilds der Gleichberechtigung.
(*) Ergänzung
Die Ansammlung von Egomanen und Selbstdarsteller ohne Qualität agieren unter Trump und Musk als Chaoten, die wie Elefanten durch den Porzellan-Laden „trump_eln“ und in ihrer Ahnungslosigkeit einen Angriff auf die politisch-demokratische Kultur der USA durchführen und nur sinnlose Zerstörung zurücklassen! Dem kann nur entgegen gehalten werden, dass die Welt des technologischen Wandels nicht ohne die alten Fertigkeiten, Fähigkeiten und Werte sein kann! Der Philosoph Odo Marquard formulierte in seinen Studien „Philosophie des Stattdessen“ dazu wie folgt: „Menschlichkeit ohne Modernität ist lahm; Modernität ohne Menschlichkeit ist kalt: Modernität braucht Menschlichkeit, denn Zukunft braucht Herkunft!“
Nicht zuletzt wird das Zuhören verdrängt von der „Ich/Wir-Konzentration“ und der dadurch vorgesehenen Zielerreichung für die eigenen Vorhaben. Den eigenen „Deal“ unter Dach und Fach zu bringen, kollidiert mit der Fähigkeit und Bereitschaft zur Empathie. Ohne Zuwendung ist zuhören und verstehen nicht möglich.
Beide Seiten sind erst zur Verständigung fähig, wenn sie sich bemühen, das Gegenüber – den Menschen – in seiner Vielschichtigkeit und seinen Bedürfnissen zu respektieren. Erst dann bestehen Möglichkeiten der Verbindung zur Verständigung und zur Absprache, Probleme gemeinsam zu lösen.
Das gilt für einen Frieden im Angriffskrieg Russland gegen die Ukraine, oder zu einem Frieden zwischen Israel und den Palästinenser. Das gilt auch für jeden Staat und seine Regierung – aktuell in Deutschland CDU/CSU und SPD -, die zum Wohle aller dort lebenden Menschen eine Koalition bilden müssen, in der die Belastung zur Gestaltung des gelingenden Lebens auf alle gemäß ihrer Vermögen und Kraft anteilsgerecht durch Gesetze verteilt werden muss. Ebenso besteht die Verpflichtung, dass die Beschädigung der offenen Gesellschaft und Demokratie durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit durch antidemokratische Parteien zu deren Abwehr und Auflösung führen müssen.
An dieser Stelle ist den Worten des Professor Bernhard Pörksen zuzustimmen:
Zitat „Nicht nur eine Strategie mit Blick auf die AfD und ihre Wähler und Sympathisanten anwenden. Zuhören, entlarven, informieren, verurteilen und gegenthematisieren durch Handeln und Denkanstöße sind als unterschiedliche Kommunikationsformen… abhängig von Person, Rolle und Situation [zu praktizieren]. Mal gilt es, maximal entschieden rote Linien zu markieren, mal kommt es darauf an, Einzelnen erst einmal zuzuhören.“ Zitatende (Quelle: Philo Mag Nr. 03/2025)




