31. Juli 2024
von JvHS Kommentare deaktiviert für Alltagsschnipsel – Diskurs der Daseinsbedingungen II (Schuldenbremse und staatliche Konjunkturprogramme)
orange-gelblich rosa-rote Weltsicht der Neoliberalen
Reichtumsbegrenzung ist eine Forderung, um die Finanzierung staatlicher Gemeinwohl- und Daseinsvorsorge-Aufgaben erfüllen zu können. Die politischen Entscheidungen für Reichtumsbegrenzung (dabei ist gemeint, dass die Einnahmeseite gefestigt werden kann durch Besteuerung der Vermögen, der Börsen-Transaktionen und des Erbe etc.) sind nicht nur in konjunkturell positiven Zeiten notwendig, jedoch besonders bei einer wirtschaftlichen Talfahrt unabdingbar sind, damit durch staatliche Konjunkturprogramme ein Schub entstehen kann, der zur wirtschaftlichen Wende führen soll.
Staatliche Konjunkturprogramme sind existenziell notwendig in Deutschland, besonders auch weil in mehr als 1,5 Jahrzehnten die konservative CDU/CSU – Mehrheit für den Investitionsstau (Straßenbau und Verkehrsinfrastruktur / sozialer Wohnungsbau / Sicherung des Industriestandortes Deutschland u.a.) die Verantwortung hatte, infolge dessen vor allem für die heutige Fehlentwicklung! Ideologische Sturheit und blindes Festhalten am Neoliberalismus schafften Bedingungen, die sich in Zeiten der aktuellen Rezession bemerkbar machen in Form von fehlendem Auftragseingang beim Verarbeitenden Gewerbe, Insolvenzen, steigende Arbeitslosenzahlen, Rückgang offener Stellen, Einkommensverlust und damit sinkender Nachfragen.
Die ökonomische Realität Deutschlands ist von dem Ziel des magischen Vielecks von Ökologie und Ökonomie weit entfernt.
In der aktuellen Koalition der Ampel findet sich keine gemeinsame Strategie zur Rezessionsbewältigung. „Folglich reden die einen über „Deindustrialisierung“, die anderen über „Fachkräftemangel“ und die Dritten – wieder einmal – über die mangelnde Bereitschaft der Empfänger staatlicher Hilfen, eine Arbeit aufzunehmen.“
Wie ideologische Scheuklappen zur Blockade notwendiger staatlicher Konjunktur-Maßnahmen führt, dafür steht insbesondere das FDP-Lindner geführte Finanzministerium mit der bekannten neoliberalen Verbissenheit.
„Einer der größten Irrtümer dieser Zeit ist vermutlich der Glaube, konjunkturelle Schwankungen weitgehend ignorieren zu können, weil es früher oder später ja doch wieder aufwärts geht. Eine lange konjunkturelle Flaute bringt aber dauerhafte Einkommensverluste mit sich und verringert die Fähigkeit einer Volkswirtschaft, zu investieren und hochproduktive Arbeitsplätze anzubieten.
Strukturelle Probleme und Investitionsschwäche sind zumeist das Resultat mangelnder Dynamik der Gesamtwirtschaft, die im Versagen der Politik in konjunkturellen Schwächephasen ihren Ursprung hat. Wer eine Schuldenbremse im Grundgesetz stehen und eine dysfunktionale europäische Schuldenregel zu beachten hat, befindet von vorneherein auf extrem schwankendem Boden.„, schlussfolgert Flassbeck nur allzu berechtigt!
Wenn zudem der aktuelle Finanzminister Lindner (FDP) mangelnde Fachkenntnisse vorweist, und des Weiteren der aktuelle Wirtschaftsminister Habeck (Die Grünen) aus Gründen des Koalitionsfriedens sich nur an wenig wirksame Maßnahmen wirtschaftlicher Stellschrauben herantraut, umgeht den existenziellen politisch-wirtschaftlichen Diskurs zur Schuldenbremse! Das aber bedeutet nach Flassbeck, „… die Unterstützung der Position derer, die, wie Christian Lindner, den gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang von Sparen und Schulden nicht kennen und auch nicht kennen wollen, weil er nicht in ihre ideologische Weltsicht passt.“
Das Festhalten an der rosa-gelblichen Weltsicht der Neoliberalen verkennt, dass längst die schwarz-graue Realität Einzug in den Wirtschaftsraum Deutschlands gehalten hat.
30. Juli 2024
von JvHS Kommentare deaktiviert für Alltagsschnipsel – Diskurs der Daseinsbedingungen
Dass jedermann reich werden kann, wer sich anstrengt, ist ein Narrativ, dass die Rechtfertigung für extreme Ungerechtigkeit und Ungleichheit darstellt und den Diskurs über Reichtumsbegrenzung verhindern soll. Eine weitere Facette der Ideologie des Reichwerdens durch eigene Leistung stellt die Selbstausbeutung der Arbeitskraft als Arbeitnehmer und bei der Pseudo-Selbstständigkeit dar. Der Wunsch nach Selbstbestimmung statt einer Abhängigkeitsposition ist zudem eine millionenhaft verhängnisvolle Motivlage, die in vernichtenden Irrtum führt. Die Verherrlichung des Wettbewerbs produziert zugleich die psychologische Grundlage, die Alternative von Teamarbeit und Kooperation zu verdrängen.
Reichtumsbegrenzung (absolut sowie relativierend durch Besteuerung von Vermögen, Erbe und Finanz-Kapitalanlagen) ist zugleich ein zutiefst demokratisches Entscheidungs-Verfahren, das Autokratie, Diktatur und Tyrannei ebenso verhindern hilft, wie die Machtergreifung durch Egomanen á la Elon Musk, Donald Trump und Wladimir Putin.
Der Lifestyle des Reichtums ist Ausdruck einer destruktiven Weltsicht, die im Kern ein Lebens-Sinn-Ersatz aufgrund von toxischem Reichtum darstellt, der leistungslos sich vermehrt und Grundlage für Machtausübung und Machterweiterung ohne Kontrolle ist.
Reichtums-Ideologien vernebeln, wie die Sicherung der privaten Finanzmacht gesellschaftlich und politisch erfolgt. Lobbyismus schafft ebenso die Beeinflussung der politischen Akteure (Legislative wie Exekutive), wie Spenden für die Parteien. Gesetzliche Rahmenbedingungen besteuern Arbeit höher als Kapitalbesitz. Eigentum wird besser geschützt, als Lebensbedingungen und verfassungsformulierter Schutz staatlicher Fürsorgeverpflichtungen der Daseinsbedingungen. Die Mittel für die Reichtums-Ideologie sind:
Privatisierung der gesellschaftlichen Bereiche der Gemeinwohlinhalte und Infrastrukturen wie Wohnen, Gesundheit, Verkehr und Telekommunikation.
Meinungsmonopol und Medienmacht durch Besitz (TV, Presse, soziale Medien-Kanäle) zur Verbreitung der Reichtums- und Machtideologien
Freiheit und Selbstbestimmung
Fazit: Die Freiheit des Kapitals wird höher bewertet als die Menschenrechte. Oder „Geld regiert die Welt!“ ist keine Selbstverständlichkeit, die Anspruch auf Erfüllung hat.
Aufklärung und Erkenntnis, dass die „Selbstverständlichkeiten der Reichtums- und Macht-Ideologien“ das Denken behindern, ist Grundlage einer notwendigen Veränderung. Freiheit ist nicht ohne die Freiheit der Anderen mitzudenken und bliebe so unvollständig.
Gendern ist die zeitgeistige Verengung des Geschlechtlichen auf ideologische Identitäts-Experimente. Diese sind bedingt durch sozialisierte Daseinsformen und Abhängigkeiten mit ihren Einflüssen und Prägungen auf das Individuum. Gendern beinhaltet die Gefahr, die notwendige Akzeptanz und
Wertschätzung des Gegenübers auf die Ebene des sprachlich Formalen zu verschieben. Judith Butlers Erkenntnis, dass „weder Sexualität noch Geschlechtsidentität ein Besitz seien, vielmehr seien beide als Modi der Enteignungen zu verstehen, als Formen des Daseins für den Anderen.“ Emanzipative Entwicklungen gehen allerdings gesellschaftlich und historisch über die reine Konzentration auf Frauenrechte hinaus.
Das Sein bestimmt das Bewusstsein, die Sozialisation bestimmt die Vorstellung des Einzelnen von sich selber. Auch weil nicht die biologische Determinierung oder ein Fehler im „System der menschlichen Biologie respektive die Idee eines psychologischen Geschlechts (im richtigen oder falschen Körper sich zu befinden)“ von Geburt an bestimmend ist. So definiert Elizabeth Duval in ihrem Werk „Nach Trans. Sex, Gender und die Linke“, dass der Mensch „nicht als trans geboren werde, sondern dazu gemacht werde.“
Das gesellschaftliche Sein (das Denken und Handeln) beeinflusst die Mehrheit in der Gesellschaft im Umgang mit LGBTQ-Menschen wie mit vielen anderen Daseinsformen (Ausländer sein, Farbiger sein, Antifaschist oder Anti-Neoliberalist, Armer und Nichtprivilegierter zu sein etc.) auch. Der Umgang miteinander wird zurzeit von Vorurteilen und von Hass begleitet und ist durch Diskriminierung und Gewalt gekennzeichnet.
Hannah Arendts „Denken ohne Geländer“ – oder auch über den Tellerrand des eigenen Narrativ und der Ideologien hinweg – steht für ein Denken, das geprägt ist vom „Verstehen wollen des Anderen und der anderen Vorstellungen“. Immer dann, wenn dieser Aspekt fehlt oder durch religiöse, politisch gesinnungsträchtige, machtgeile oder menschenfeindliche Weltsichten geleitet sind, breitet sich Gewalt in jeder Form aus und zerstören die Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens.
Die Fähigkeit zum „Nein-Sagen“ bei gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, bei Machtmissbrauch (egal in welchem Umfeld ob zuhause, in Schule, in Unternehmen und im Arbeitsleben, in Vereinen, in Religionen, im Staat) oder bei struktureller Gewalt durch Systeme wie im Faschismus, wie beim Selbstverständnis á la Trumps „Make Amerika great again“ oder in Diktaturen wie Russland oder China: immer dann ist ein „Nein“ und die Abkehr von solchen Versuchen der einzige Weg, der zu mehr Menschlichkeit und Verantwortlichkeit für Freiheit führt.
Wiedereinstellung des Textes vom 11. Mai 2023
28. Juli 2024
von JvHS Kommentare deaktiviert für Trump – exemplarisches Beispiel für die Gefährdung des inneren Friedens und der US-Demokratie?
“Die Grenzen der Erkenntnis liegen nicht außen, sondern innen.” – Rudolf Pannwitz
“Eine ewige Erfahrung lehrt, dass jeder Mensch, der Macht hat, dazu getrieben wird, sie zu missbrauchen. Er geht immer weiter, bis er an Grenzen stößt.” – Charles de Montesquieu
Es sind immer wieder die Grenzlinien, die von Menschen in Machtpositionen überschritten werden. Und manchmal sind die Handlungen Folge eines Krankheitsbildes. Sei es die Grenzlinien in der Ökonomie, sei es die in der Politik und sei es die im privaten Bereich, wenn die Krise das gewohnte gesellschaftliche und private Leben so stark beeinflusst, dass die bisherige Lebensweise nicht mehr beibehalten werden kann. Die Veränderungen betreffen die persönlichen Wünsche ebenso, wie die ideologische Ausrichtung in wirtschaftlicher und politischer Verantwortung.
Max Weber unterschied zwei bis heute diskutierte Ansätze politischen Denkens und Handelns: der Gesinnungsethik einerseits und der Verantwortungsethik andererseits.
Gesinnung betont und praktiziert dabei die Durchsetzung nur der eigenen und als richtig festgelegten Interessen, fordert Loyalität und Kumpanei ein, lässt nur eine Idee zu und verhindert den Diskurs und die Konfliktlösung. Gesinnungsgeleitete Figuren missachten die Pflicht zur Wahrheit, nutzen Fake News und bekämpfen mit unfairen Mitteln das Gegenüber, das ihm im Weg steht. Ein aktuelles Beispiel dafür ist Donald Trump, der als verurteilter Straftäter sich in die Macht des US-Präsidenten flüchten will, um den Strafen zu entkommen. (ZDF vom 27.07.2024 : – Trumps Aussage-Form zu zukünftigen Wahlen vor seinen Anhängern, wenn sie Ende des Jahres ihn zum Präsidenten wählen würden!) Originalzitat Trumps:
„You have to get out and vote. You won’t have to do it anymore. Four years, it will be fixed, it will be fine. You won’t have to vote anymore.. In four years, you won’t have to vote again.“ – Ihr müsst rausgehen und wählen. Ihr werdet es nicht mehr tun müssen. In vier Jahren wird alles in Ordnung sein, alles wird gut. Ihr werdet nicht mehr wählen müssen. In vier Jahren werdet ihr nicht mehr wählen müssen.“
Trumps Grenzüberschreitung hat Methode und ist strukturell bei jedem ideologischen oder egomanischen Despoten gleich – vor allem die von Orban`scher, Erdogan`scher oder Höcke´scher Provenienz: Verantwortung für das Versagen nicht bei sich suchen, Fehler und negative Ergebnisse haben andere gemacht und verursacht; dagegen positive Ergebnisse seiner eigenen Person zuordnen, auch wenn die Fakten etwas anderes beweisen. Das Leugnen der Tatsachen, Kritiker ausschalten, Recht beugen, Vergehen initiieren und Gewalt zur Durchsetzung der eigenen Ziele oder zur Vertuschung des Versagens einsetzen, das sind die immer wieder gleichen Vorgehensweisen.
Dort, wo die Freiheit des anderen beeinträchtigt wird, hat die eigene Freiheit ihre Grenze. Diese Grenze nicht zu beachten, wird zu oft praktiziert, auch weil im Selbstverständnis der Wirtschaft das Aktien- und GmbH-Gesetz über das Menschrecht auf Unversehrtheit des Lebens und das Recht auf Freiheit gestellt wird. Dort, wo der Sport (aktuell Olympische Spiele in Paris) zum Geschäftsmodell verkommen ist, wird das Bedürfnis der Menschen auf Freizeitgestaltung kommerzialisiert. Der Mensch wird zum Umsatzträger, Kostenfaktor und Stellschraube für Erträge. Das Recht auf Arbeit in dieser auf die Gewinnmaximierung komprimierten Welt wird dann als Druckmittel benutzt, Grenzüberschreitung in Form von Ausnahmen und Sonderrechte begehen zu dürfen.
Wenn in Krisenzeiten wie die der Corona-Virus-Pandemie der Mensch auf sich selbst zurückgeworfen wird und Beschränkungen unterliegt, um die Gefährdung anderer oder seiner selbst und um die Ausbreitung der Erkrankungen zu verlangsamen, wird spürbar, was anderswo – und zwar ungleich mehr – die aus Kriegsgebieten Vertriebenen auf ihrer Flucht erleiden müssen. Im Rahmen der temporären Einschränkung und Veränderung des bisherigen gesellschaftlichen Lebens, gibt es lediglich seitens des Staats die Anforderung zur Selbstdisziplin und die Aufforderung, ein wenig Verzicht zu akzeptieren. Die Kosten werden zu Lasten der Allgemeinheit sozialisiert, die Gewinne privatisiert. Das geschieht aktuell auch wieder bei Olympia.
Gleiche Strukturen und Vorgehensweisen sind bei der AfD und ihren Protagonisten á la Höcke und Konsorten vorzufinden. So ist für die bevorstehenden Wahlen in den neuen Bundesländern beim Wahl-Verhalten eines nicht geringen Teils der Bevölkerung nachvollziehbar, wie diese Teile der Gesellschaft sich der Vernunft verschließen und gegen jede Einsicht der AfD und Personen Macht verleihen wollen, die in der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats münden wird.
Man könnte in Versuchung geraten, sowohl Trump und seiner Republikaner-Partei wie auch der AfD und ihren Kandidaten mit dem Krankheitsbild „Borderline“ in Verbindung zu bringen. Gesinnung als Denk- und Handlungsansatz scheint dabei wie ein Katalysator zu wirken!
Klaus-Paier-Nie-wieder-Krieg – Copyrighted free use ( Photo: Rehgina a.k.a. Regina Weinkauf)
Das Alltagsverständnis für den Begriff Frieden umfasst die Beendigung einer Auseinandersetzung (Streit, Konflikt, Kampf, Krieg), die in Wort und Tat den Einsatz von Gewalt (körperlich oder psychisch) beinhaltet. Ungelöste Konflikte und Anwendung von Gewalt (bis hin zur Maximierung in der Form von Krieg) bedeutet die Abwesenheit von Frieden, Ruhe, Akzeptanz und Sicherheit.
Auf der Ebene menschlicher Beziehung im privaten Bereich (Familie, Beruf, Verein) ist damit verbunden: fehlende Toleranz, fehlendes Verständnis für das Gegenüber (Partner, Familienmitglied, Kollege:in), Hass, Feindschaft, Unterdrückung und Machtausübung. Auf der Ebene des Staates enthält die Abwesenheit von Frieden innerhalb des Staates das Fehlen einer sozialen und politischen Ordnung (wie sie im Gesellschaftsvertrag der Demokratie und des Rechtsstaats gegeben sind), die Abwesenheit von Frieden zwischen Staaten ist oft gekennzeichnet dadurch, dass das Fehlen von Verträgen und deren Bruch durch einzelne Staaten von der Gefahr recht schnell zur Realität des Krieges führt. „Das dt. Wort ›Frieden.‹ hat noch einen anderen Ursprung. Wie ›Freundschaft‹ und ›Freiheit‹ geht es auf das althochdeutsche ›fridu‹: ›Schutz‹, ›Sicherheit‹, ›Freundschaft‹ zurück. Und ihre indogerm. Wurzel ›pri‹ bedeutet ›lieben‹, ›schonen‹. Wie im Semitischen liegt also hier der Akzent auf der persönlichen Beziehung zwischen Menschen, wobei das Element der Sicherheit und des Schutzes besonders betont wird.“ – Zitat: Enzyklopädie Philosophie
Geschichtsphilosophisch ist ein Prozess der Bedeutung, was Frieden ausmacht, feststellbar.
In der griechischen Philosophie bei Platon und Aristoteles ist der Frieden weder Zweck der Staaten, noch das höchste Gut der Menschen.
Augustinus Definition von Frieden ist bestimmend für das Mittelalter und umfasst mit dem Begriff „Frieden, die Ruhe der Ordnung“. Für Augustinus ist der Frieden kein Zustand und keine Aufgabe, sondern die natürliche Grundlage sowohl des Glücks wie des Leidens.
„Wie der Schmerz ohne Leben ist der Krieg ohne Frieden unmöglich, wohingegen der Frieden ohne Krieg und das Leben ohne Schmerz durchaus möglich sind. Das heißt, dass der Frieden ursprünglicher ist als der Krieg und der Kampf, und nicht erst durch das Verlassen eines natürlichen Kriegszustandes entsteht.“
Augustinus unterscheidet allerdings zwischen dem Frieden als natürlicher Ordnung und als höchstem Gut, der nur im himmlischen Staat erreichbar ist. Thomas von Aquin betont aus diesem Verständnis heraus, dass ein gerechter Krieg durchaus berechtigt sei, wenn die Erreichung des himmlischen Friedens erst durch Krieg möglich sei. Diese Argumentation findet sich bis heute in den konservativen, orthodoxen und fanatischen Religionen von Judentum, Christentum bis zum Islam wieder unter den jeweiligen Propaganda-Thesen des „heiligen Krieges!“
Ein neues Verständnis von Frieden betont erst Erasmus von Rotterdam, für den der Zustand des Friedens immer mit der Verurteilung und Ablehnung des Krieges einhergeht!
Zitat
„Seine Argumente für den Frieden sind hierarchisch aufgebaut und gehen von der Ordnung der Natur bis hin zum Gebot der Einheit aller Christen als Kinder Gottes. Und seine Argumente gegen den Krieg betonen immer wieder dessen ökonomische, politische, gesellschaftliche und v. a. moralische Nachteile, unter denen alle Menschen nur leiden können. Darüber hinaus schlägt Erasmus konkrete Maßnahmen vor, durch die der Krieg überwunden werden soll: Er verlangt von den Herrschern, dass sie sich in den Dienst des Volkes stellen, dass sie nach dem Gemeinwohl urteilen und sich nicht nach ihren Leidenschaften richten, dass sie den Rat kluger alter Männer suchen und im Fall von Konflikten Schiedsrichter einsetzen, anstatt zu den Waffen zu greifen. Die Gefahr von Kriegen soll durch die Festlegung der Staatsgrenzen und der Ordnung der Nachfolge bei den Herrschern vermieden werden. Notfalls soll der Frieden erkauft werden, was viel besser und auch günstiger ist als ein Krieg. Vor allem aber soll der Frieden öffentlich gelobt und gepriesen werden, denn schließlich »besteht der F. zum Großteil darin, ihn aus ganzem Herzen zu wollen. Die nämlich, denen der Frieden wirklich am Herzen liegt, ergreifen jede Gelegenheit, Frieden zu stiften!“- Enzyklopädie Philosophie
Die nächsten philosophischen Entwicklungsschritte betont Thomas Hobbes, der von der Annahme ausgeht, dass ohne Staat die Menschen im Zustand des Krieges eines jeden gegen jeden leben würden. Die Begründung des Staates liegt also in der Notwendigkeit für sie, um ihrer Sicherheit willen, diesen hypothetischen Kriegszustand zu verlassen. Und er definiert entsprechend den Frieden nicht als Grundordnung des menschlichen Lebens, sondern als die Negation des Krieges!
Zitat: Das Hilfsmittel des Friedens ist der Vertrag. Er besteht im gegenseitigen Verzicht der einzelnen Menschen auf ihr Recht auf alles und in der Begrenzung ihrer Freiheit auf das Maß, das mit der Freiheit der anderen vereinbar ist. Damit erhält jeder einzelne zwar kein neues Recht, aber die Möglichkeit, sein von den anderen anerkanntes Recht ungehindert auszuüben. Dazu sind die gefährlichen Mittel des Krieges nicht mehr nötig, zumindest solange der Vertrag von allen Seiten eingehalten wird. Doch diesbezüglich fehlt im Naturzustand jede Garantie. Deswegen ist ein bürgerlicher Staat notwendig, der das Einhalten der Verträge erzwingen kann und vor dessen Zwangsgewalt die Menschen sich derart fürchten, dass sie ihren Teil des Vertrags erfüllen und von den anderen vernünftig erwarten können, dass sie es auch tun. – Enzyklopädie Philosophie
Für Hobbes besteht der Frieden nicht in der Abwesenheit der Gewalt, sondern in deren Monopolisierung in den Händen eines Souveräns. Und sein Maß ist nicht die Gerechtigkeit der Ordnung, sondern die Sicherheit, die sie für das Leben der Einzelnen gewährt.
Hobbes betont in dieser Konstellation, dass nur der Rechts-Staat den Frieden durch Sicherheit gewährleisten wird, hinter der die Gerechtigkeit als Ordnungsmaßstab zurückstecken muss.
Die Möglichkeit des Krieges entsteht für Rousseau dagegen erst im gesellschaftlichen Zustand, wenn die Menschen in gegenseitiger Abhängigkeit leben und ihr Eigentum gegen die anderen verteidigen müssen. Rousseau behauptet zweitens, dass Kriege nie zwischen Individuen, sondern zwischen Staaten geführt werden. Das, was Hobbes als die Lösung des Kriegszustands darstellt, ist für Rousseau dessen Quelle. Nun gibt es auch für Rousseau kein Zurück in einen Naturzustand, den wir endgültig verlassen haben und den es vielleicht sogar nie gegeben hat.
Die Menschen müssen also von einem Zustand der Kriege zwischen den Staaten ausgehen und von da aus den Frieden suchen. Und die Lösung, die er vorschlägt, reproduziert auf der Ebene der Staaten diejenige, die Hobbes für die Individuen entworfen hatte. „Wenn es irgendein Mittel gibt, diese gefährlichen Gegensätzlichkeiten aufzuheben, dann kann dies nur eine föderative Regierungsform sein, welche die Völker durch Bindungen, ähnlich denen zwischen den Individuen, vereinigt und allesamt in gleicher Weise der Autorität der Gesetze unterwirft.“
Zu diesem Zeitpunkt entwickelt Rousseau, aufbauend auf der Idee des „ewigen Friedens“ des Abbé Saint-Pierre die Vorstellung von der Notwendigkeit einer „Europäischen Republik“ – ein Vorgänger der EU. Die von Saint-Pierre vorgeschlagene Lösung ist die durch Vernunft geleitete Bildung einer föderativen Regierung, die vier Bedingungen erfüllen soll: Der durch sie regierte Bund muss umfassend sein, einen Gerichtshof besitzen, über eine Zwangsgewalt verfügen und dauerhaft verbindlich sein.
Kant verbindet die Positionen Hobbes und Rousseau dergestalt, in dem er den Ansatz von Hobbes und der Idee eines Friedens zwischen Individuen innerhalb des Staates mit der von Saint-Pierre und Rousseau betonten Notwendigkeit des Friedens zwischen den Staaten. Für Kant sind die drei Ebenen der Verwirklichung des Friedens die des Rechts: Die demokratische Verfassung des Rechts-Staates, das Völkerrecht und das Weltbürgerrecht (oder moderner: die Menschenrechte).
In seinem Werk „Zum ewigen Frieden“ formuliert er seine Vorstellungen zur demokratischen Verfassung eines Rechts-Staates, der republikanisch sein soll!
Die Verfassung soll dabei ein Gesellschaftsvertrag unter Gleichen und als Recht durch gerechte Gesetze die Ordnung und Sicherheit im Innern gewährleisten, und in Bezug auf das Verhältnis zu anderen Staaten nach außen die Staatsbürger in direkter Form an den Entscheidungen beteiligen. Ob „republikanisch“ als repräsentative Form der zeitlichen Machtübertragung gemeint ist, bleibt dabei offen.
Das Völkerrecht kann nach Kant nur in Form des Föderalismus freier Staaten erfolgen, die ihre Souveränität behalten und nicht aufgeben, weil ansonsten die Staaten sich in ihrem Selbstverständnis auflösen würden. „Der Föderalismus ist das einzig mögliche Surrogat eines bürgerlichen Gesellschaftsbundes, das den Staaten die Erhaltung und Sicherung ihrer Freiheit sowie der Freiheit der anderen verbündeten Staaten und somit den Frieden zwischen ihnen garantiert.“ – Enzyklopädie Philosophie
Das Weltbürgerrecht (Menschenrechte) umfasst nach Kant, dass niemand mehr Recht als andere besitzt! Das betrifft das Aufenthaltsrecht, und fördert durch das entsprechende Besuchsrecht den Verkehr zwischen den Völkern. Dies sei der Weg einer kontinuierlichen Annäherung zum ewigen Frieden nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt. Kant betont die Verbindlichkeit des Rechts, das durch alle in Form zum Beispiel der Menschenrechte gelten muss. Die Autorität der Menschenrechte ist zu erlernen. Sie tritt an die Stelle des Diktators, des Tyrannen oder der Egomanen in Funktionen, die ihre Macht durch „Gehorsam und Gewalt“ ausüben wollen. Die Menschenrechte als Gesetz zu akzeptieren, über die niemand als Mensch oder Institution (Aktien-Gesellschaft) stehen kann, sichern nach Kant den Frieden.
Kants Idee des „ewigen Friedens“ spiegelt sich in der Struktur der EU wider. Die Schwächen in der Struktur zeigen sich vor allem, wenn Macht auf Zeit auch in der Hand von Tätern missbraucht wird. Aktuell dürfte dies mit der Person Orbans in Verbindung gebracht werden können. Zudem sind durch den Einfluss der Lobbyisten und der fehlenden Beteiligung durch Direkte Demokratie (Bürgerräte, Volksabstimmungen) weitere Strukturmängel in der EU dem Missbrauch ausgeliefert.
In die öffentliche Debatte hinsichtlich der Gefährdung der Idee des „ewigen Friedens“ durch Missbrauch kam die Untersuchung der Wirkung der Propaganda durch Lord Arthur Ponsonby auf das Denken und Handeln durch politische, ökonomische und wissenschaftliche Akteure, indem seine Grundregeln lauteten, dass Propaganda immer nach dem Muster erfolgt: Schuld sind immer die anderen, die sind die Bösen, wir sind die Guten, verteidigen uns nur usw. Die Gegenseite verbreitet Fake News, sie lügt, wir sagen die Wahrheit. Wir wollen Frieden, die Gegner beginnen den Krieg und verüben Kriegsverbrechen.
Im Zuge der weiteren Entwicklung des Friedens zwischen den Staaten und den Vertragsformen zur Umsetzung nimmt Max Weber zwischen den Weltkriegen I und II einen entscheidenden Einfluss auf den Diskurs zum Thema Pazifismus (Frieden als Konzept des Zusammenlebens). Max Weber unterschied zwei bis heute diskutierte Ansätze politischen Denkens und Handelns: der Gesinnungsethik einerseits und der Verantwortungsethik andererseits. Gesinnung betont und praktiziert dabei die Durchsetzung nur der eigenen und als richtig festgelegten Interessen, fordert Loyalität und Kumpanei ein, lässt nur eine Idee zu und verhindert den Diskurs und die Konfliktlösung. Gesinnungsgeleitete Figuren missachten die Pflicht zur Wahrheit, nutzen Fake News und bekämpfen mit unfairen Mitteln das Gegenüber, das ihm im Weg steht. Ein aktuelles Beispiel dafür ist Donald Trump, der als verurteilter Straftäter sich in die Macht des US-Präsidenten flüchten will, um den Strafen zu entkommen. (Ergänzung vom 27.07.2024 – ZDF Trumps Aussage-Form zu zukünftigen Wahlen vor seinen Anhängern, wenn sie Ende des Jahres ihn zum Präsidenten wählen würden!)
Originalzitat Trumps: „You have to get out and vote. You won’t have to do it anymore. Four years, it will be fixed, it will be fine. You won’t have to vote anymore.. In four years, you won’t have to vote again.“ – Ihr müsst rausgehen und wählen. Ihr werdet es nicht mehr tun müssen. In vier Jahren wird alles in Ordnung sein, alles wird gut. Ihr werdet nicht mehr wählen müssen. In vier Jahren werdet ihr nicht mehr wählen müssen.“)
Verantwortungsethik betont dabei, dass Politiker, Ökonomen und Wissenschaftler, die Folgen einer Handlung mit zu denken haben. Das neoliberale Weltbild rücksichtslos umzusetzen, Gesetze zu machen, die der eigenen Klientel Vorteile verschafft, verdrängt die Berücksichtigung der Folgen für diejenigen, die darunter zu leiden haben. Verantwortungsethisch zu denken und zu handeln, lässt niemals zu, Kriege zu führen, die Menschenrechte außeracht zu lassen, Macht zu missbrauchen und Frieden zu gefährden. Verantwortungsübernahme bedeutet, dass Freiheit nicht ohne die Freiheit des anderen mitzudenken, möglich sein kann. Konfliktlösungen nicht ohne das Dramadreieck von Täter, Helfer und Opferrolle zu verlassen, möglich sind.
Im Zuge der Gefährdung durch nukleare Waffentechnologien mit den Möglichkeiten der Vernichtung des Lebens auf der Erde, aber auch durch die menschengemachte Klimaveränderung und die dadurch ebenfalls enthaltene Vernichtung der Menschheit ist die Frage nicht mehr nach einer gelingenden Lebensgestaltung, sondern zu aller erst die nach der gemeinsamen Überlebensmöglichkeit überhaupt.
This file is licensed under the Creative Commons Attribution 2.0 Generic license /Eleanor Roosevelt holding poster of the Universal Declaration of Human Rights (in English), Lake Success, New York. November 1949